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Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Testimonials: Wie lange müssen wir die Klopps dieser Welt noch ertragen?

Jürgen Klopp ist wohl eines der bekanntesten Testimonials Deutschlands. Über 15 Werbepartner hat er in den letzten Jahren als Testimonial vertreten (Bild: picture alliance / empics | Richard Sellers).
Nichts gegen Jürgen Klopp. Vor seiner Leistung und seinen Erfolgen als Fußballtrainer ziehe ich den Hut.
Doch muss er deshalb täglich gleich mehrere Male mit den unterschiedlichsten Produkten im Gepäck bei mir zu Hause auf dem Bildschirm erscheinen?
Wie glaubwürdig kann jemand sein, der für insgesamt mehr als 15 verschiedenen Produkten das Testimonial gibt?
Jürgen Klopp in der deutschen Testimonial-Rangliste ganz weit vorne
War es früher Franz Beckenbauer, der mit seinem ubiquitären Einsatz in zahlreichen Kommunikationskampagnen gezeigt hat, wie man es nicht machen sollte, so sind es heute Jürgen Klopp und die Protagonisten des FC Bayern München um Thomas Müller, die nahezu auf jeden Werbezug aufspringen. Abnutzungserscheinungen und Streuverluste ohne Ende natürlich inbegriffen!
Drei Kriterien für ein erfolgreiches Testimonial
Drei Kriterien sind es, die den Kommunikationserfolg eines Testimonials, also einer werbenden Person, in der Hauptsache ausmachen. Zunächst müssen der Promi und das Unternehmen beziehungsweise das zu bewerbende Produkt zusammenpassen. Ein zweites Kriterium für den Erfolg ist ein Werteabgleich. So sollte sich jedes Unternehmen fragen, ob der Prominente wirklich zu den Unternehmenswerten und -zielen passt. Das dritte Kriterium ist am wichtigsten. Es geht um die Forderung, dass die prominenten Markenbotschafter nur für wenige Marken werben. Selbst unkritische Verbraucher hinterfragen die Botschaft, wenn ein Promi in jedem zweiten Werbespot für andere Produkte auftaucht. Ein positives Beispiel ist sicherlich Dirk Nowitzki, der seit 20 Jahren (!) im Wesentlichen nur für die ING Diba unterwegs ist.
Kleistern, knabbern, rasieren und noch einiges mehr
Kommen wir zurück zu Jürgen Klopp, der im Testimonial-Ranking, das Statista regelmäßig in Kooperation mit INNOFACT erstellt, die Nummer zwei hinter eben Dirk Nowitzki ist (siehe Abbildung). Klopp kleisterte für Henkels Metylan, knabberte die Cerealien-Riegel von Kinder-Country und den Brandt-Zwieback, er rasierte sich für Philips, ließ sich bei Ergo versichern, legte sein Geld zunächst bei den Volks- und Raiffeisenbanken und später bei der Deutschen Vermögensberatung an, ließ sich vom italienischen Ausrüster Kappa bedienen, trinkt gerne Warsteiner, fuhr Mitsubishi, Seat und jetzt vorzugsweise Opel. Seit 2016 ist der Kult-Trainer für den Sportartikelhersteller New Balance Football, dem Ausrüster vom FC Liverpool, aktiv und in diesem Jahr wirbt er zusätzlich für den Schuh-Spezialisten New Balance und die Mobile-Gaming-Firma Digamore, die mit dem Computerspiel „Football Empire“ Fußballfans auf dem Smartphone beglücken will. Ganz aktuell ist „Kloppo“ als Markenbotschafter für Nivea Men von Beiersdorf unter Vertrag.
Angesichts dieser Inflation von Testimonial-Verträgen müssen sich nicht nur die Verbraucher fragen, wie lange der allgegenwärtige Einsatz von Jürgen Klopp noch gut geht.
Andererseits müssen wir konstatieren, dass der Trainer vom FC Liverpool für Leidenschaft, Teamspirit, Erfolg, Mut und entspannte Coolness steht – alles Eigenschaften, mit denen sich fast jede Marke gerne schmücken möchte.

Abb.: Ranking der am stärksten wahrgenommenen Prominenten in Deutschland
Wachablösung durch die Spieler des FC Bayern München
Gut ist letztlich immer, was auf Anhieb sympathisch und vor allem glaubwürdig rüberkommt, gemeinsam mit der Marke eine stimmige Geschichte erzählt – und im Gedächtnis hängenbleibt. Und wenn man schon ein mehrfacher Markenbotschafter ist, dann sollten sich wenigstens die Zielgruppen nicht allzu arg überschneiden. Alleine drei verschiedene Automarken glaubwürdig zu bedienen, ist schon eine bemerkenswerte Kunst … Doch vielleicht ist das schon bald alles Vergangenheit. Denn die Bayern sind auf dem Vormarsch. Sie füttern, trinken und wetten um die Wette. Sie rasieren sich: Müller nass, Boateng, Lewandowski und Kimmich trocken. Das „Beste im Mann“ ist halt das Beste für den Verbraucher. Doch seitdem Boateng und Lewi nicht mehr an Bord sind, gehen Müller, Neuer und Musiala demnächst fürs Shampoonieren mit Head & Sholders unter die Dusche.
Hat das klassischen Testimonial bald ausgedient?
Aber auch hier könnte bald ein Ende in Sicht sein. Zwei Gründe sprechen dafür: Zum ersten müssten die werbetreibenden Marketing-Manager doch eigentlich längst bemerkt haben, dass man die wichtigste Zielgruppe der Welt, nämlich die Frauen, mit Fußballern kaum erreicht. Immerhin sagen Experten, dass heutzutage 80 Prozent aller Kaufentscheidungen von Frauen getroffen werden. Und wenn das Geschlecht des Kunden ein wichtiger Einflussfaktor ist, dann müssen auch die Marketer mit ihren Testimonials so kommunizieren, dass es zum Geschlecht des Käufers passt. Also ist Götterdämmerung in der klassischen Testimonial-Werbung angesagt – selbst falls Jürgen Klopp in Kürze mal wieder die Champions League gewinnen sollte.
Influencer auf dem Vormarsch
Zum zweiten erreichen Influencer mit ihren Blogs eine ganz andere Testimonial-Qualität als die eigens für Werbespots gekauften Promis mit ihren Abnutzungserscheinungen und Streuverlusten. Pamela Reif mit über neun Millionen Followern bei YouTube oder mit Lisa und Lena, den wohl bekanntesten Zwillingen Deutschlands, und 18,1 Millionen Followern bei Instagram können auf ihren Kanälen schon lange alles, was Bücher, Zeitschriften und klassische elektronische Medien zu bieten haben: Information, Inspiration und Motivation. Doch nicht nur Blogs für Mode und Lifestyle sind angesagt, sondern Auto-Fans, Politikinteressierte, Sportenthusiasten oder Wissenshungrige werden ebenso bedient wie Kunstinteressierte. Jede Branche, jedes Thema hat ihre(n) eigene(n) Blog-König(in) und PR-Schaffende sollten für eine wirksame Kommunikation die wichtigsten Blogs bzw. Blogger(innen) ihrer Branche kennen und nutzen.
Weitere Informationen zum praxisnahen Marketing finden Sie in:
D. Lippold: Die Marketing-Gleichung. Einführung in das prozess- und wertorientierte Marketingmanagement, 2. Aufl., Berlin-Boston 2015
D. Lippold: Marktorientierte Unternehmensführung und Digitalisierung. Management im digitalen Wandel, Berlin-Boston 2017
Über die Person
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.
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