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Maximilian Ponert, OmniQuest "Swipe-to-like" – Implizite Reaktionszeitmessung in der Online-Marktforschung

Kaufentscheidungen selbst werden nicht nur von expliziten und rationalen Denkprozessen, sondern auch durch unbewusste und implizite Prozesse getragen. Dies gilt im Besonderen für Güter des alltäglichen Bedarfs wie Lebensmittel oder Kosmetika. Über die unbewussten und implizit ablaufenden Prozesse kann das jeweilige Individuum nur begrenzt reflektieren, weswegen explizite Messverfahren, wie konventionelle Fragebögen, lediglich teilweise Auskunft darüber geben können. Implizite Verfahren dagegen erfassen auch unbewusste Prozesse und treffen Aussagen darüber, wie beispielsweise Markenwahrnehmung und Kaufprozesse durch diese beeinflusst werden. Eines dieser impliziten Verfahren ist die Reaktionszeitmessung (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Implizite Reaktionszeitmessung am Desktop/Laptop
Kombination impliziter und expliziter Methoden
Als Modul in einem Online-Fragebogen lässt sich die implizite Reaktionszeitmessung mit expliziten Befragungsteilen kombiniert für eine Vielzahl von Fragestellungen einsetzen. Idealtypisch sollte dieser Online-Fragebogen in allen Befragungssituationen gleich gut bearbeitbar sein. In Zeiten zunehmender Verwendung von Smartphones ist es unerlässlich, dass diese auch für den mobilen Zugriff optimiert sind. Die Darstellung der Fragen wird bei einem responsiven Design an den Bildschirm individuell angepasst. Beispielsweise werden Matrixfragen nicht in horizontaltabellarischer Form, sondern vertikal untereinander als einzelne Fragen angezeigt.
Swipe-to-like-Untersuchungsdesign
Aufgrund des vermehrten mobilen Zugriffs auf Online-Befragungen, wurde für die implizite Reaktionszeitmessung eine mobil optimierte Variante entwickelt, welche mittels "swipe-to-like", also dem Wischen nach links oder rechts, die verschiedenen Stimuli zuordnet (siehe Abbildung 2). Verfahren ist die Reaktionszeitmessung (siehe Abbildung 1). Dabei wird ein Set von Aussagen oder Bildmotiven per Tastendruck zugeordnet und die Reaktionszeit in Millisekunden erfasst. Gemessen wird beispielsweise die spontane Assoziation zu einer Marke - je schneller die Reaktionszeit, desto stärker präsent ist diese Marke bei der jeweiligen Testperson.

Abbildung 2: Implizite Reaktionszeitmessung mittels "swipe-to-like"
Dieser "swipe-to-like"-Fragetyp wurde der tastenbasierten und für den Desktop/Laptop-PC optimierten Reaktionszeitmessung gegenübergestellt (siehe Abbildung 1), dabei werden mobil über ein Smartphone und stationär über einen PC, zugreifende Testpersonen miteinander verglichen. Zur Gegenüberstellung der tastenbasierten Reaktionszeitmessung (im Folgenden mit "Taste" abgekürzt) und der "swipe-to-like"-Variante (im Folgenden mit "Swipe" abgekürzt) wurden jeweils entsprechende Pendants für diese Studie entwickelt. Bei diesen Pendants ersetzen das Antippen des Bildschirms ("Taste") und Wischbewegungen mit der Maus ("Swipe") die entsprechenden ursprünglichen Aktionen. Die Teilnehmer wurden den beiden Bedingungen, also "Taste" und "Swipe", zufällig zugeordnet, unabhängig davon, ob sie über einen Desktop/Laptop oder ein Smartphone auf die Befragung zugriffen. Entsprechend ergeben sich vier Vergleichsgruppen: "Taste"-Desktop, "Taste"-Mobil, "Swipe"-Desktop und "Swipe"-Mobil.

Abbildung 3: Beispiel für ein fiktives Markenlogo
Alle Befragungsteilnehmer hatten die Aufgabe, 40 Markenlogos dahingehend zu bewerten, ob sie ihnen bekannt sind oder nicht. In diesem Set befanden sich 35 überwiegend bekannte Logos großer Unternehmen und fünf erfundene Logos fiktiver Marken (siehe Abbildung 3). Vorangestellt erhielten die Befragungsteilnehmer eine entsprechende Instruktion und sollten sich durch eine Übung mit drei Testlogos mit der Aufgabe vertraut machen.
Kein signifikanter Unterschied bei den Antwortqualitäten
Für die Auswertung wurden die Bearbeitungszeit und die Antwortqualität als Kennzahlen betrachtet. Die Bearbeitungszeit ist dabei die Zeit in Sekunden, die die Befragungsteilnehmer für die Bewertung der 40 Markenlogos insgesamt benötigt haben (siehe Abbildung 5). Die Antwortqualität wurde dichotom berechnet. Wer nur weniger als zehn Markenlogos und/oder mindestens ein fiktives Logo mit "kenne ich" beantwortet hat, wird der Gruppe "Niedrigere Qualität" zugeordnet. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei "swipe-to-like" ist signifikant niedriger als bei der tastenbasierten Durchführung (t(1007) = 1.97, p = .049). Bei der Antwortqualität findet sich, laut den Ergebnissen, zwischen den beiden Methoden kein signifikanter Unterschied.

Abbildung 4: Ergebnisse der zufälligen Zuordnung der Personen auf die Bedingungen
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit der gesamten Befragung lag bei 176 Sekunden, also knapp drei Minuten (M = 175.66, SD = 261.44). Eine Mehrheit von 59 Prozent bearbeitete die Befragung auf einem Desktop/Laptop, 41 Prozent antwortete von einem mobilen Gerät, wie Abbildung 4 zeigt.

Abbildung 5: Mittlere Bearbeitungszeiten in Sekunden
In der mittleren Bearbeitungszeit unterscheiden sich die vier Bedingungen trotz deskriptiver Unterschiede (siehe Abbildung 5) nicht signifikant voneinander. Bei der Antwortqualität findet sich ebenfalls ein deskriptiver Unterschied beim Vergleich der Häufigkeiten (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Verteilung der Antwortqualität
Auch wenn die Bearbeitungszeit signifikant kürzer ist, so geht dies nicht signifikant zulasten der Antwortqualität. Im Vergleich der beiden Fragevarianten, unter Betrachtung der Arten des Zugriffs, zeigt sich bei der Bearbeitungszeit zumindest deskriptiv, dass sich "swipe-to-like" besser bei mobilen Geräten und die tastenbasierte Variante besser bei Desktop/Laptop-Zugriffen eignet. Die Qualität der Antworten weist nur geringe Unterschiede auf, die tastenbasierte Reaktionszeitmessung schneidet hier am besten ab.
Fazit und Ausblick
Die Ergebnisse zeigen, dass sich der "swipe-to-like"-Fragetyp ausreichend gut zur impliziten Reaktionszeitmessung eignet. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der "swipe-to-like"-Fragetyp insbesondere für mobile Zielgruppen eine sehr gute Alternative zur tastenbasierten Variante darstellt. Für die Bearbeitung auf einem Desktop/Laptop-PC dagegen ist "swipe-to-like" nur eingeschränkt geeignet. OmniQuest empfiehlt daher, bei Onlinebefragungen beide Varianten parallel und zugeschnitten auf die jeweilige Zugriffsart zu implementieren und zu verwenden. Aufgrund der Ungewöhnlichkeit und des spielerischen Charakters von "swipe-to-like" ist zusätzlich anzunehmen, dass diese Variante einen positiven Einfluss auf die Motivation haben könnte. Ausgehend davon könne sich daher die Bedeutung von "swipe-to-like" für die implizite Reaktionszeitmessung noch weiter erhöhen, so die Prognose von OmniQuest.
Zur Studie: Die Auswahl der Befragungsteilnehmer erfolgte durch eine mehrfach geschichtete Zufallsstichprobenziehung aus dem OmniQuest-Onlinepanel. Insgesamt nahmen 1.009 Personen im August 2019 an der Befragung teil, davon 53 Prozent Frauen und 47 Prozent Männer. Rund ein Drittel der Befragten (31 Prozent) war jünger als 40 Jahre, 36 Prozent hatten ein Alter von 40 bis 59 Jahre und 33 Prozent waren älter als 60 Jahre.
Der Autor

Neben dem Bereich „Online-Panel“ betreut Dipl.-Psych. Maximilian Ponert bei OmniQuest Tools und Themen rund um die Online-Marktforschung. OmniQuest bietet in einem integrativen Ansatz sämtliche Festdienstleistungen der Markt- und Meinungsforschung aus einer Hand, ob online, telefonisch oder persönlich - von der Aufbereitung über die Erhebung bis zur Auswertung.
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