Süßes oder Saures – Der positive Shitstorm

Felix Scherrer (linkfluence Germany)
Von Felix Scherrer, linkfluence Germany
Massenhaft Süßes für Claudia. Nein, es handelt sich hierbei nicht um eine verspätete Geschichte zu Halloween oder gar die Vorankündigung zu Ostern. Auch wenn das an den Haustüren geäußerte Motto des angloamerikanischen Feiertages „Süßes oder Saures“ eigentlich ganz gut zum Thema gepasst hätte. Wir erinnern uns: Grünen Parteivorsitzende Claudia Roth wurde nämlich an keiner Haustüre mit Süßigkeiten beschenkt, sondern mit massenhaft süßen Nettigkeiten und großem Zuspruch seitens ihrer Partei durch den Microblogging-Dienst Twitter bedacht. Der Vorgang wurde als „Candystorm“ bezeichnet und war als positive Form des Shitstorms gedacht.
Was war genau passiert? Anfang November 2012 kürte die Partei Bündnis 90/Die Grünen ihre beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013 in einer Urwahl. Frau Roth warf ihren Hut als Erstes in den Ring und war bester Zuversicht von ihren Parteigenossen gewählt zu werden. Direkt vor der Abstimmung verkündete sie noch zusammen Renate Künast in bester Laune: „Wenn die eine von uns beiden es nicht schafft, dann schafft es eben die andere“. Pustekuchen. Mit 71,3% wurde Jürgen Trittin mit klarer Mehrheit gewählt. Komplettiert wurde das Spitzenduo durch die Bundestagsvizepräsidentin Kathrin-Göring Eckhardt. Auf sie entfielen 47,3% der Stimmen. Frau Künast erhielt lediglich 38,6% der Stimmen und landete damit auf Rang 3 und Frau Roth erhielt sogar nur 26,2% der Stimmen. Das hatte die Parteivorsitzende so nicht erwartet.
Außer einem kurzen Statement auf Facebook, äußerte sie sich nicht zur Wahl und am Folgetag lauschte sie ganz in schwarz gehüllt und mit starrem Blick den programmatischen Reden des neuen grünen Spitzenduos. Plötzlich wurde es sogar fraglich, ob sie überhaupt erneut für das Amt der Parteivorsitzenden kandidieren wolle und dies entgegen ihrer Ankündigung im Vorfeld der Urwahl.
Dieser Umstand könnte Volker Beck zum Handeln animiert haben. Zunächst erkundigte er sich per Twitter, wie man denn das Gegenteil eines Shitstorms nennen würde und versah die Nachricht mit dem Hashtag #claudia2moreyears. Kurz darauf twitterte er dann: „ein Candystorm für Claudia #claudia2moreyears“. In Folge dessen wurden die Grünen Parteianhänger aktiv und twitterten Frau Roth allerlei Nettes.
Der positive Shitstorm?
Eine wichtige Frage bleibt jedoch offen: Ist ein solcher Candystorm ausschließlich positiv zu bewerten? Am Beispiel von Claudia Roth lässt sich erkennen, wie differenziert sich Phänomene wie Shitstorms oder Candystorms beurteilen lassen, wenn man die Motivation der Verursacher miteinbezieht und nicht nur das Ergebnis in Form von einem erhöhten Aktivitäts-Aufkommen betrachtet. Warum haben die Anhänger die „Candys“ verteilt? War es echte Solidarität und Unterstützung? War es Mitleid? Hat man in einer Art Social Media Ablasshandel das eigene schlechte Gewissen beruhigt und das Wahlergebnis nachträglich für Claudia Roth erträglicher machen wollen. Endgültig lässt sich das hier nicht klären, aber Eines wird deutlich: Shitstorms und Candystorms sind komplexe Phänomene die sich nicht einfach nach der „Schwarz-Weiß“-Methode bewerten lassen.
Bei einem großen Teil der Shitstorms hängt die Tatsache, ob man einen Shitstorm als positiv oder negativ bewerten kann von der Position ab, in welcher man sich befindet. Wird man als Unternehmen oder Person bestürmt, ist man also Opfer des Phänomens, wird man die Situation in der Regel negativ sehen. Stürmt man hingegen selbst, also ist man selbst Initiator, Beteiligter oder zumindest Trittbrettfahrer des Shitstorms, empfinde man den Vorgang in der Regel als positiv. Der Shitstorm wird zu einem Ventil, er gibt den Beteiligten die Möglichkeit, sich in Szene zu setzen, der Shitstorm ist eine öffentliche Plattform, es kommt zu einer Vergemeinschaftung mit anderen Beteiligten, um nur einige Motive zu nennen.
Wohlgemerkt den Vorgang und nicht unbedingt die Tatsache, dass das eigene Tun als Shitstorm bezeichnet wird. Politischen oder gesellschaftlichen Aktivisten, welche einen Proteststurm initiiert haben, bezeichnen ihre Aktion ungern als Shitstorm. Es scheint, als fühlen diese ihr Anliegen durch die Bezeichnung entwertet. Sicherlich trägt auch die fast schon inflationäre Nutzung des Begriffes seinen Teil dazu bei.
Der ING-DiBa Shitstorm: Steife Brise für die Shitstormer
Im Rahmen meiner Bachelorarbeit für den Studiengang Markt- und Kommunikationsforschung an der Hochschule Pforzheim habe ich den Shitstorm bei der ING-DiBa am Anfang des Jahres 2012 genauer untersucht. Dieser Shitstorm, der häufig als „Veganer-„ oder „Wurst-Shitstorm“ bezeichnet wird und schon Gegenstand einiger Publikationen war, unterscheidet sich von vielen anderen Online-Proteststürmen. Aus Sicht der ING-DiBa lässt sich der Vorgang nämlich im Nachhinein als positiv bewerten, und das obwohl sie sich eigentlich in der „Opferrolle“ befand. Warum dies so ist, möchte ich im Folgenden darstellen und erklären.
Zunächst noch einmal kurz zum Fall und ein paar Fakten: Die zur niederländischen Bankengruppe ING-Groep gehörende deutsche Direktbank ING-DiBa strahlte am 18.12.2011 erstmals ihren damaligen Werbespot aus: Das ING-DiBa Testimonial, Profi-Basketballspieler Dirk Nowitzki befindet sich in der fiktiven Metzgerei seiner Jugend und bekommt von einer Fleischfachverkäuferin eine Scheibe Wurst geschenkt. Herr Nowitzki wird dabei von der Verkäuferin in bayrischem Dialekt gefragt: „Was hamma früher immer g’sagt?“ und dieser Antwortet grinsend „Damit du groß und stark wirst!“. Am Ende des Spots stand dann der Slogan: „Wenn du einfach mehr bekommst, dann ist es DiBaDu“. Die recht romantische Darstellung einer Metzgerei gepaart mit der Aussage Fleisch mache „groß und stark“ animierte Veganer sich auf der Facebookseite der ING-DiBa über den Spot zu beschweren. Deren Vorwurf: Die Bank freue sich über Tod und Tierleid und kläre nicht über den ungesunden Konsum von Tierprodukten auf. In den darauf folgenden 16 Tagen aktiven „shitstormings“, konnte ich 11.797 Beiträge von 1.244 Teilnehmern dem Phänomen zuordnen.
Der Vorgang bei der ING-DiBa sorgte in der Social-Media Landschaft Deutschlands für Furore. So berichteten diverse Blogger, Twitterer und Onlinenachrichten über den Vorgang. Sogar der TV-Sender N-TV nahm das Thema auf und berichtete über den Shitstorm. Das gesteigerte Interesse schlug sich auch in den Fanzahlen nieder. So stiegen sie von 2.400 am 2. Januar auf 3.800 Fans am 18. Januar an. Also einen Fanzuwachs von knapp 60%. Für die Größe und das Alter des Facebookauftritts der ING-DiBa geradezu phänomenal. Dieses gesteigerte Interesse begründet sich unter anderem dadurch, dass das Phänomen Shitstorm zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch recht neu war und daher für gesteigertes Interesse sorgte. Legt man das Analysetool „Google Trends“ für den Suchbegriff „Shitstorm“ zugrunde datiert sich der Anfang des Phänomens in Deutschland zwar schon auf 2010, aber erst Ende 2011 erhalten wir einen starken Anstieg bei der Abfrage des Begriffes. Das liegt vor allem an den stark gestiegenen Nutzerzahlen Sozialer Medien in diesem Zeitraum. Gemäß einer Studie von Statista und allfacebook.de (Quelle: http://allfacebook.de/zahlen_fakten/infografik-facebook-2012-nutzerzahlen-fakten) waren es im Juni 2009 noch weniger als 5 Millionen aktive Deutsche Nutzer, wohingegen es aktuell rund 25 Millionen Aktive sind. Die Folge ist eigentlich ganz simpel: Mehr User bedeutet auch mehr Shitstormpotential.
Auch inhaltlich schlug sich das gesteigerte Interesse am Phänomen selbst innerhalb des ING-DiBa Shitstorm nieder: So waren ungefähr 17% der Teilnehmer im „Veganer-Shitstorm“ in ihrer Meinung indifferent, beteiligen sich also nicht an der Diskussion, sondern kommentierten eher den Vorgang selbst. Und beachtet man, dass es sich bei diesen 17% um aktive Kommentatoren handelte und mögliche „stille Beobachter“, also Besuchern welche den Vorgang nur betrachteten und keine messbare Spuren hinterlassen haben, nicht einbezogen wurden, so wird die reelle Zahl der Interessierten noch weitaus höher gelegen haben.
Die Fanzahlen der Seite nahmen nach dem Shitstorm nicht wieder ab, sondern blieben konstant. Durch den Vorgang auf ihrer Seite und dem damit verbundenen gestiegenen Interesse konnte die Bank also einen starken Anstieg der Fanzahlen für sich verbuchen.
Betrachtete man die Positionierung der Teilnehmer in der Diskussion war vor allem eines auffällig: Die große Masse richtete sich gegen den Protest der Veganer. Während ich in meiner Analyse 22% der Teilnehmer der Gruppe der Veganer zuordnen konnte entfielen ganze 46% auf ihre „Gegenspieler“. (Hinzu kommen übrigens rund 15% „Trolle“, welche nicht sachlich mitdiskutieren, sondern sich auf ein „Stören“ der Diskussion beschränkten. Fast alle Provokationen ihrerseits richteten sich allerdings ebenfalls gegen die Veganer.) Das bedeutet, dass die Mehrheit der Shitstormteilnehmer sich gegen die „Initiatoren“ des Shitstorms richteten. Dies steht in krassem Gegensatz zu den meisten anderen Shitstorms der jüngeren Vergangenheit. In der Regel unterstützt die große Masse die initiierende Person oder Gruppe, richtete sich also gegen den betroffenen Akteur. Beispiele wären hier etwa der Shitstorm auf der Facebookseite von Vodafone Deutschland oder der Kritik am Lieferservice von H&M im Sommer 2012.

Wieso bricht der „Wurst-Shitstorm“ nun hier mit der Norm? Dies hat wohl verschiedene Gründe:
Zuerst scheint die ING-DiBa über besonders viele zufriedene Kunden zu verfügen. So erreicht sie regelmäßig vordere Platzierungen in verschiedenen Kundenzufriedenheitsstudien. Diese Zufriedenheit machte sich auch auf dem Facebook-Auftritt der Bank bemerkbar. So fanden und finden sich dort nicht wenige Beiträge von Fans im Stile von „DiBaDu die beste Bank!“. Vorhandene Fans der Seite hatten also schon von vorneherein eine sehr gute Meinung von ihrer Bank.
Ein weiterer wichtiger Grund für den Bruch mit der Norm liegt wohl an der ideologischen Ausrichtung der Shitstorm Initiatoren, also den Veganern selbst. Vegane Lebensweise wird, so der Eindruck, kategorisch und absolut betrieben. So machen viele Veganer zum Beispiel keinen Unterschied, ob ein Tierprodukt in Massenhaltung oder ökologisch erzeugt wurde. Außerdem werden andere Ernährungsweisen wie zum Beispiel die Vegetarische genauso abgelehnt, wie die von Fleischkonsumenten. So sind etwa Vegetarier in den Augen von Veganern nicht konsequent genug, da sie „Tierleid“ durch den Konsum anderer tierischer Produkte wie Milch, Käse und Eier fördern. Die absolute und kategorische Haltung erzeugt klare Fronten in der Diskussion. Entweder man ernährt sich strikt vegan oder eben nicht. Dazwischen gibt es für Veganer nichts. Laut eines Berichtes der Deutschen Welle vom Mai 2012 gibt es in Deutschland derzeit ungefähr 600.000 Veganer. Dies seien zwar achtmal mehr als noch vor 3 Jahren, es sind aber bisher trotzdem nur weniger als 1% der deutschen Bevölkerung. Der Anteil in der Bevölkerung aus denen sich die „Gegenspieler“ der Veganer bei der ING-DiBa speisten, ist also rein statistisch bedeutend höher. Menschen mit veganer Lebensweise sind somit natürlich auch auf der Facebook-Seite der ING-Diba in der Minderheit. Nicht-Veganer teilten die Kritik nicht und wurden sogar persönlich in ihrer Lebensweise von den Veganern angegriffen. Vegane Lebensweise ist eben keine über weite Teile der Gesellschaft anerkannte Konvention. Wäre etwa ökologisches Fehlverhalten Grund für die Kritik, hätte der Shitstorm für die Bank sehr wahrscheinlich einen negativeren Ausgang genommen.
Hinzu kommt noch der konkrete Gegenstand der Kritik, also der Werbespot: In vielen Beiträgen zeigte sich, dass der Werbespot die Fans an die eigene Kindheit erinnerte. Das Bild der vom Metzger erhaltenen Scheibe „Extra-Wurst“ ist bei vielen mit stark positiven Emotionen aufgeladen. Die Kritik der Veganer griff also direkt das Wertegefüge oder zumindest positiv besetzte eigene Erlebnisse vieler Teilnehmer an.
Die Folge: Ein Großteil der Seitenbesucher solidarisierte sich mit der ING-DiBa. Sie stellten sich vor die Bank und verteidigten diese. Teilweise konnte man die Zunahme dieses Effektes bei einzelnen Teilnehmern richtig gehend beobachten. Ein derartiges Einstehen von Kunden und potentiellen Kunden für ein Unternehmen zeugt von einem hohen Grad an Kundenbindung.
Onlinediskussionen bei denen eine starke Solidarisierung mit einer Marke stattfindet kennen wir aus anderen Beispielen. Etwa aus Diskussionen im Stile „Apple vs. Samsung“. Hier fechten die Parteien einen emotional stark aufgeladenen Kampf über das Für und Wider der Produkte der beiden Elektronikhersteller aus. Das ganze nimmt oft schon „kultische“ Züge an und entfernt sich von einer sachlichen Debatte. Dabei sind die Teilnehmer in der Diskussion emotional stark involviert. Sie identifizieren sich selbst mit „ihrer“ Marke.
Bei der ING-DiBa wurde diese Solidarisierung noch durch das Verhalten der Social Media-Zuständigen unterstützt. Sie nahmen zunächst sehr wenig Einfluss und ließen die Diskussion über längere Zeit laufen. Die ING-DiBa demonstrierte damit einen guten Umgang mit dem was ich als „Essenz der Sozialen Medien“ bezeichnen möchte: Das Führen eines freien, offenen Dialoges. Für ihr Verhalten im Umgang mit dem Shitstorm erntete die Bank übrigens viel Lob aus dem Bereich Marketing und Kommunikation.
Auch im normalen Geschäftsbetrieb verzeichnete die Bank keine negativen Effekte. So erfuhr ich auf Nachfrage beim Pressesprecher der ING-DiBa André Kauselmann, dass sich im betroffenen Zeitraum keine nennenswerten Veränderungen in der Zahl der Bestands- oder Neukunden zeigte. Der Aufruf der Veganer die Bank zu boykottieren, zeigte offensichtlich keine Wirkung. Dieser Umstand hat neben den bereits erwähnten inhaltlichen Aspekten auch mit der Reichweite, welchen der Shitstorm entfalten konnte, zu tun. Mithilfe des linkfluence Ansatzes lässt sich analysieren in welchen thematischen Segmenten des Internets sich ein spezifisches Thema niederschlägt. Über die Verlinkungsstrukturen lässt sich außerdem feststellen wie stark ein Thema eine Community beherrscht. Für den Einfluss auf eine Community ist weniger die absolute Anzahl an Beiträgen zu einem Thema interessant, sondern vielmehr ist wichtig, dass vor allem Webauftritte mit starkem Einfluss auf ein Segment oder anders gesagt, auf eine Zielgruppe, über das Thema berichten. Obwohl das Echo des „Wurst-Shitstorms“ in den klassischen Medien doch verhältnismäßig groß war, ließ sich dadurch herausfinden, dass eine Inhaltliche Diskussion eigentlich fast ausschließlich in der „Marketing- und Kommunikation“-Community stattfand. Und wie berichtet, war die Tonalität zum Verhalten der Bank dort überwiegend positiv. Die Botschaft der Veganer hat die breite Masse der ING-DiBa Kunden oder der Öffentlichkeit überhaupt nicht erreicht. Der Shitstorm wurde auf der Meta-Ebene als Phänomen der sozialen Medien und in einem sehr eng begrenzten Raum von „echten“ Kunden wahrgenommen und diskutiert.

Ziehen wir ein Fazit: Die Bank erlebte eine Welle der Solidarisierung eines Großteils der Shitstormteilnehmer mit sich und erntete viel Lob aus Fachkreisen für ihren Umgang mit dem Proteststurm. Die große Aufmerksamkeit für den Vorgang vergrößerte die Fanzahlen der Seite erheblich und sorgte für eine verbesserte Reichweite des TV-Spots. Ein negativer Einfluss auf die Geschäftstätigkeit ließ sich nicht feststellen. Es kam auch, wie eigentlich von den Veganern gewünscht, zu keiner Kündigungswelle. Alles in allem handelt es sich doch um einen sehr positiven Ausgang für die Bank.
Wie stelle ich als Unternehmen nun fest, ob auf meinen Social Media Auftritten eine steife „Shit-Brise“ heranwächst und daraus resultierend, ob sie mir positive oder negative Effekte bringt? Die Antwort ist eigentlich simpel: Hinschauen! Die praktische Umsetzung gestaltet sich hingegen schon diffiziler: Wie erhalte ich objektive Daten aus dem Stimmengewirr des Social Web und wie ziehe ich aus ihnen valide Schlussfolgerungen?
Ein Webmonitoring hierfür sicherlich das probate Mittel für eine kontinuierliche Beobachtung der Ereignisse über die eigene Marke, das eigene Unternehmen oder die eigene Institution. Das heißt die Vorgänge im Netz sollten in regelmäßigen Zeitabständen in ein Monitoring Tool eingepflegt werden. Ich spreche hier bewusst von „einpflegen“: Automatisierte Systeme produzieren zwar teilweise schöne, quantitative Statistiken und Diagramme, aber Aussagen wie „2.000 mal wurde XY in den letzten 2 Wochen im Web erwähnt“ helfen meist bei der Bewertung von Ereignissen nicht weiter. Mit Web Monitoring muss sich aktiv beschäftigt werden. Die gewonnen Daten sprechen nicht immer für sich selbst. Nicht das Tool, sondern die Menschen, die das Tool nutzen oder damit die Daten analysieren, geben den Daten Sinn, Bedeutung und somit wertvolle Hinweise für das Social Media Marketing, Kommunikations-Strategien oder das Verhalten in einer Krisensituation.
Sind sie Opfer eines Shitstorms geworden empfiehlt, es sich weitere Analysen zu betreiben. Um abschätzen zu können, wie groß der zu erwartende Schaden oder Nutzen ist, sollte untersucht werden, welche Reichweite der Vorgang abseits des eigenen Social Media Auftritts entfaltet hat. Auch hier ist die rein quantitative Angabe einer Webresonanz nur von beschränktem Nutzen. Ein differenziertes Bild sorgt für die Vermeidung von Streuverlusten. Zudem sorgt es für eine größere Sicherheit bei den Entscheidern und Kommunikationsverantwortlichen. Dazu muss man wissen, in welchen Segmenten und Subsegmenten des Internets der Shitstorm Thema war. Findet beispielsweise ein Shitstorm wegen des Zuckergehalts ihrer neuen Schokoladenkreation nur auf Webangeboten statt, welche sich mit Diabetes beschäftigen, können sie die Kirche getrost im Dorf lassen. Hingegen sollte man die Resonanz im Websegment „Familien“ durchaus ernst nehmen. Mütter könnten befürchten, dass ihre Kinder durch den Verzehr ihrer Schokoladenkreation aufgrund des hohen Zuckergehalts Probleme mit der Zahnhygiene bekommen könnten.
Diese Insights führen zu einem besseren Verständnis eines Shitstorms. Insofern kann ein Unternehmen wie die ING-DiBa die richtigen Schlüsse ziehen und Maßnahmen einleiten. Aber natürlich sind diese Insights auch wichtig, um einen Shitstorm gar nicht erst aufkommen zu lassen, weil man die Befindlichkeiten, Wünsche, Sorgen, Ängste, etc. seiner Fans, Follower, (potenziellen) Kunden und Markenbotschafter kennt.
Für André Kauselmann von der ING-DiBa gilt: „Für uns war der Wurstkrieg auf unserer Facebook-Seite ein Glücksfall, weil sich zahlreiche Kunden spontan mit uns solidarisiert haben. Und es gibt keine glaubwürdigere Unterstützung als Kunden, die ein Unternehmen aus freien Stücken loben.“
Übrigens gab es auch für Claudia Roth ein akzeptables Ende: Bei der Wahl zur Bundesvorsitzenden der Grünen wurde sie mit der Mehrheit von 88,4% gewählt. Minutenlanger Beifall.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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