Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt heterogenes Bild der Nichtwähler in Deutschland

Berlin - Die Wahlbeteiligung in Deutschland sinkt in der Tendenz seit Jahren. Warum Bürgerinnen und Bürger der Wahl fernbleiben und welche soziale Struktur die Gruppe der Nichtwähler aufweist, ist bislang aber kaum bekannt. Diese Wissenslücke soll die Studie „Nichtwähler in Deutschland“ der Friedrich-Ebert-Stiftung zumindest teilweise schließen. Für die Studie hat forsa Nichtwählerinnen und Nichtwähler der vergangenen 15 Jahre nach ihren politischen Einstellungen sowie den Gründen für die Wahlenthaltung befragt. Die Ergebnisse zeigen ein heterogenes Bild der Nichtwähler. Sie zeigen abhängig von der Häufigkeit ihrer Wahlenthaltung durchaus Politik- und Demokratieverdrossenheit, fühlen sich in ihrer Mehrheit allerdings dem politischen Geschehen zugehörig. Als Grund für die Wahlenthaltung werden in erster Linie politische Gründe genannt. Gefordert wird von den Nichtwählern hingegen eine „Politik des Kümmerns“.

Die befragten Nichtwähler haben sich verschieden häufig für die Wahlenthaltung entschieden. Nur rund 14% sind „Dauer-Nichtwähler“, die also über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg nicht gewählt haben. Knapp die Hälfte der Befragten (46%) hat hingegen nur einmal nicht gewählt. Soziodemografisch zeigen sich die Nichtwähler heterogen. Allerdings fällt auf, dass die Gruppe der Dauer-Nichtwähler überproportional stark aus den nichtprivilegierten Schichten der Gesellschaft stammt. Mit diesem Befund weisen die Untersuchungsergebnisse daraufhin, dass eine Schieflage in der sozialen Repräsentanz der Politik eingetreten ist.

Wenig überraschend zeigen Dauer-Nichtwähler eine größere Distanz zur Politik. Diese Gruppe der Nichtwähler zeigt signifikant höhere Unzufriedenheit mit der Politik und stellt auch die Demokratie an sich deutlich stärker in Frage als andere Nichtwähler. Unter den Nichtwählern finden sich insgesamt nur 21% „zufriedene Demokraten“ (unter Wählern sind es 43%, wie eine forsa-Studie von 2008 ergeben hat), aber 9% „Anti-Demokraten“ (Wähler: 4%). Bei den Dauer-Nichtwählern sind es sogar nur 15% „zufriedene“, aber 19% „Anti-Demokraten“.

Die Mehrzahl der Nichtwähler sind jedoch keine Dauer-Nichtwähler, sondern sehen sich selbst nach wie vor als in das politische Geschehen eingebunden und durchaus hohes politisches Interesse äußern: So sind 77% der Nichtwähler der Ansicht, Wahlen seien ein hohes Gut, 61% von ihnen geben an, sich stark für das politische Geschehen auf Bundesebene zu interessieren und nur 32% der Nichtwähler meinen, durch die Stimmabgabe könne man am Gang der Dinge nichts ändern. Angesichts dieser Resultate sei es für Politik und Parteien durchaus möglich, diese „Wähler auf Urlaub“ wieder zur Wahlteilnahme zu motivieren, so Prof. Manfred Güllner, Geschäftsführer von forsa.

Die Befunde der Studie widerlegen die bisweilen vertretene These, dass Nichtwähler aus einem Gefühl der Zufriedenheit mit den politischen und gesellschaftlichen Zuständen heraus nicht zur Wahl gehen. Das Gegenteil zeigt sich: Die Unzufriedenheit mit politischen Akteuren (33%) und politischen Inhalten (16%) wird als Hauptmotiv der Nichtwähler genannt. Persönliche oder formale Gründe, wie das Wahlsystem (5%), die Entfernung zum Wahllokal (1%) oder schlechtes Wetter (1%) werden demgegenüber nur selten als Grund für die Wahlenthaltung genannt.

Auf die Frage, was sie zur Wahlbeteiligung motivieren könnte, nennen Nichtwähler an erster Stelle, dass Politiker und Parteien „wieder ein Ohr für die wirklichen Sorgen und Nöte der Menschen“ haben sollten (87%) und man sich politisch „mehr um die kleinen Leute und die mittleren Schichten kümmert“ (72%). Eng damit verbunden wird die Forderung, die Parteien sollten unnötigen Streit vermeiden und sich im Konsens der Lösung wichtiger Probleme widmen (69%).
Zu dem Wunsch nach einer sich kümmernden Politik passen die von den Nichtwählern genannten politischen Prioritäten: Als besonders wichtig werden von den befragten Nichtwählern ein gutes Schul- und Bildungssystem (83%), ein gutes Gesundheitssystem (68%), die Sicherung der Altersvorsorge (68%) sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen (63%) genannt.

Zur Studie: Über die Gesamtheit der Nichtwähler und deren Zusammensetzung liegen bislang keinerlei Informationen vor. Von forsa befragt wurden 3.501 Wahlberechtigte, die sich selbst als „Nichtwähler“ deklariert hatten: jeweils rund 700 Nichtwähler/innen der letzten vier Bundestagswahlen sowie 700 Wahlberechtigte, die derzeit angeben, nicht bei der Bundestagswahl 2013 wählen zu wollen.

ah

 

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