Stefan Althoff: "Marktforschung ist gerade in Krisenzeiten unentbehrlich und darf nicht dem Rotstift zum Opfer fallen"
Stefan Althoff ist Team Manager Marketing Research bei der Lufthansa Technik AG in Hamburg. Im Interview mit marktforschung.de äußert er sich zur aktuellen Situation in der Marktforschungsbranche, zu neuen Forschungstrends und zur Rolle der Online-Forschung.
marktforschung.de: Herr Althoff, wie viele Marktforschungsprojekte führt Lufthansa Technik ungefähr pro Jahr durch?
Stefan Althoff: Es kommt immer darauf an, was als Projekt bezeichnet wird. Innerhalb eines Jahres kommen wir auf gut 50 Studien unterschiedlichster Tiefe und Größe.
marktforschung.de: Welche Themen spielen dabei eine große Rolle?
Stefan Althoff: Die Lufthansa Technik ist ein weltweit agierender Anbieter flugzeugtechnischer Dienstleistungen, ein so genannter MRO-Supplier, wobei MRO für Maintenance, Repair and Overhaul steht. Daher ist nicht nur der MRO-Markt von Interesse, hinsichtlich Trends, Volumen und Wettbewerb. Ebenso beschäftigen uns Technologietrends, aber auch der Blick auf die Flugzeughersteller. Aber darüber hinaus haben wir unsere Kunden, deren Meinungen und Bedürfnisse, im Blick.
marktforschung.de: Sind die Marktforschungsausgaben bei Lufthansa Technik fest budgetiert oder werden sie eher anhand des aktuellen Informationsbedarfs angepasst?
Stefan Althoff: Natürlich haben wir ein festes Budget, an dem wir uns orientieren müssen und das wir nach Möglichkeit nicht überschreiten sollten. Selbstverständlich gibt es im Laufe des Jahres immer wieder Verschiebungen. Wer kann schon im Januar genau sagen, was im September von Interesse sein wird? Bisher sind wir mit einem gewissen Maß an Variabilität immer ganz gut gefahren.
marktforschung.de: Unsere Erhebung zum "Stimmungsbarometer in der Marktforschung" bei Verantwortlichen deutscher Marktforschungs- und Feldinstitute hat ergeben, dass die aktuelle Wirtschaftskrise unlängst auch die Marktforschungsbranche erreicht hat. Ein großer Teil der befragten Unternehmen will verstärkt auf Produktinnovationen setzen, um der derzeitigen Krisensituation zu begegnen – ein aus Ihrer Sicht richtiger Weg?
Stefan Althoff: Innovationen sind in allen Zeiten – ob Krise oder nicht – wichtig und richtig. Und hier kann die Marktforschung auf eine beachtliche Entwicklung zurückschauen. Aber das wird alleine nicht reichen. Es ist ebenso wichtig darauf hinzuweisen, dass Marktforschung gerade in Krisenzeiten unentbehrlich ist und nicht dem Rotstift zum Opfer fallen darf.
marktforschung.de: Wo sehen Sie den Hebel, um im Rahmen von Marktforschungsprojekten Kosten zu sparen?
Stefan Althoff: Schon heute machen wir vieles mit Bordmitteln, nicht aus der Not heraus, sondern weil dies historisch gewachsen ist und die Kompetenzen vorhanden sind. Daher sind nicht viele Hebel vorhanden. Aber durch die Nutzung von Synergien innerhalb des Lufthansa Konzerns sind Einsparpotentiale vorhanden.
marktforschung.de: Denken Sie, dass die Qualität der Marktforschung unter steigendem Kosten- und Budgetdruck leidet?
Stefan Althoff: Das ist nicht auszuschließen. In der Preisforschung gibt es eine schöne Frage: "Wann ist Ihrer Meinung nach der Preis so niedrig, dass Sie der Qualität misstrauen?". Das Vorgehen vieler Betriebsmarktforscher, bei der ersten Studie einen Schnupperpreis und an der zweiten einen Treuerabatt zu verlangen, ist letztendlich zum Scheitern verurteilt. Gute Arbeit kostet gutes Geld, was aber nicht bedeutet, dass jeder Preis zu akzeptieren ist. Man nennt das ja gerne eine Win-Win-Situation, oder ganz einfach: Leben und Leben lassen.
marktforschung.de: Haben aus Ihrer Sicht die Fusionen großer Marktforschungsinstitute Auswirkungen auf die betriebliche Marktforschung?
Stefan Althoff: Nein. Marktforschung ist zu weiten Teilen ein Geschäft der Spezialisten. Kleine, spezialisierte Institute werden bei vielen Fragestellungen die erste Wahl bleiben, und diese sind von den Fusionen in der Regel unberührt.
marktforschung.de: Was erwarten Sie heute von einem Marktforschungsinstitut?
Stefan Althoff: Neben den Aspekten, die man eigentlich nicht erwähnen muss wie Methoden- und Branchenkompetenz sowie einem guten Preis-Leistungsverhältnis, in erster Linie eins: Ehrlichkeit. Ich habe wenig Verständnis für die Marketingblasen vieler Institute. Bringt man diese zum Platzen, stellt sich häufig heraus, dass so manche innovatives Verfahren entweder schon lange bekannt oder nichts anderes als ein simpler Fragebogen ist.
marktforschung.de: Was sind aus Ihrer Sicht die derzeit wichtigsten Marktforschungstrends?
Stefan Althoff: Man konnte es auf der Marktforschungsmesse in München im November sehen: Die Methoden verschmelzen zunehmend. Gerade die Verbindung von CATI und Online im B2B Bereich finde ich sehr interessant. Ebenso sehe ich in der Arbeit mit mobilen Erfassungsgeräten ein großes Potential. Die Marktforschung wird noch technischer und damit schneller werden.
marktforschung.de: Aktuell setzen viele Unternehmen – sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite – auf Online-Forschung. Liegt die Zukunft der Marktforschung im Internet?
Stefan Althoff: Die Onlineforschung ist etabliert, dass steht außer Frage. Auf der G.O.R.09 in Wien konnte man es sehen: Die Zeiten der Rechtfertigung sind vorbei, wobei ich anmerken möchte, dass die Methodenvergleiche der letzten Jahre der Marktforschung gut getan haben. Es wird in Zukunft mit Sicherheit mehr Marktforschung mit dem Internet und über das Internet stattfinden, alleine schon deshalb, weil das Web aus unser aller Leben praktisch nicht mehr wegzudenken ist. Aber es wird immer Fragestellungen geben, bei denen es sinnvoll ist, Auge in Auge einem echten Menschen gegenüber zu sitzen.
marktforschung.de: Herr Althoff, vielen Dank für das Gespräch!
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