Die Frage zum Sonntag | heute von Rainer Faus, pollytix strategic research Startschuss für die Ampel

Gestern wurde Olaf Scholz im Bundestag zum Bundeskanzler gewählt und übernimmt damit das Zepter von Angela Merkel, die bereits letzte Woche mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet wurde. Scholz übernimmt von seiner Vorgängerin jedoch nicht nur das Amt, sondern auch die Verantwortung in der Coronakrise. Eine Schonfrist erhalten er und die neue Regierung dabei wohl eher nicht, denn die steigenden Infektionszahlen haben den Druck auf die Politik erhöht.
Wenig Bewegung in der Sonntagsfrage
Weniger Bewegung zeigt sich derzeit in den Umfragen seit der Bundestagswahl am 26. September. Der pollytix-Wahltrend (das gewichtete Mittel der veröffentlichten Sonntagsfragen zur Bundestagswahl der verschiedenen Institute) zeigt für den zurückliegenden Zeitraum seit der Bundestagswahl, in den die Koalitionsverhandlungen und die geschäftsführende Bundesregierung als ‚lame duck‘ fielen, nur geringfügige Änderungen. Von den Regierungsparteien der Ampel-Koalition ist es den beiden kleineren Partnern gelungen, weitere Anteile hinzuzugewinnen. Die FDP (+1,1 Prozentpunkte) und die Grünen (+1,5 Prozentpunkte) konnten sich verbessern, während die SPD leicht verliert (-0,5 Prozentpunkte). Die CDU/CSU verliert etwas deutlicher und ist seit ihrem historisch schlechtesten Wahlergebnis von 24,1 Prozent in den Umfragen noch ein weiteres Stück abgerutscht (-2,7 Prozentpunkte). Die Linke verzeichnet minimale Zugewinne (+0,5) und käme damit aktuell wieder knapp über die Fünf-Prozent-Hürde.
Die CDU am Scheideweg
Die CDU/CSU hat sich also offensichtlich noch nicht wieder von der Wahlschlappe erholt. Die jüngsten Trends deuten allerdings an, dass sie mittlerweile ihren Tiefpunkt in den Umfragen erreicht haben dürfte und es für die Partei wieder leicht bergauf gehen könnte. Wie es für die CDU im Speziellen im neuen Jahr weitergeht, wird dabei zu großen Teilen von der Vorsitzfrage abhängen. Nachdem die Mitglieder erstmals in der Geschichte der Partei dazu aufgerufen wurden, den neuen Parteivorsitzenden zu bestimmen, soll dieser an einem digitalen Parteitag am 16. Januar formal bestätigt werden. Mit Norbert Röttgen und Friedrich Merz treten dabei zwei Politiker an, die sich bereits zum zweiten bzw. dritten Mal darum bewerben, die Partei in die Zukunft zu führen, dazu kommt der ehemalige Kanzleramtsminister Helge Braun. Unter CDU/CSU-Wähler*innen liegt Friedrich Merz aktuell deutlich vor der Konkurrenz. Auch in der Bevölkerung wird ihm am ehesten zugetraut, die Partei erfolgreich in die Zukunft zu führen. Nachdem sich die Parteitagsdelegierten bei den letzten zwei Wahlen für die jeweils knapp moderateren Kandidat*innen Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet entschieden haben, bleibt abzuwarten, ob Merz sich beim Mitgliederentscheid tatsächlich als ‚Liebling der Basis‘ durchsetzt, als der er sich sieht.
Startschuss für die Ampel
Wie es in den Umfragen für die Ampel-Parteien in der Sonntagsfrage weitergeht, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, denn die Ampel ist ja auf Bundesebene in vielerlei Weise „Neuland“: Sie ist - wenn man die regional nicht konkurrierenden Schwesterparteien der sogenannten Union ausnimmt - das erste Dreierbündnis auf Bundesebene. Sie ist auch eine Koalition aus drei Parteien, die sich eher auf Augenhöhe begegnen als frühere Koalitionen. Mit gerade mal knapp 26% Wahlanteil ist die SPD der schwächste Wahlsieger der bundesdeutschen Geschichte und hat zwei vergleichsweise starke Koalitionspartner, die kombiniert sogar mehr Wahlanteile auf sich vereinen. Während Angela Merkel ihre Koalitionspartner in den letzten 16 Jahren stets überschattete und die Coronakrise ihr und ihrer Partei klar nutzte, bleibt die Frage offen, ob Olaf Scholz ähnliches gelingt, zumal die Ampel-Parteien und ihre Wähler*innen (im Gegensatz zur GroKo der letzten 2 Corona-Jahre) durchaus divergierende Ansichten vertreten.
Auf der einen Seite liegt in der Corona-Pandemie möglicherweise für die SPD und ihren Kanzler Olaf Scholz eine Chance. Entschiedenes, konsequentes Handeln könnte der Partei, ähnlich wie der CDU/CSU im Frühjahr 2020 einen „Boost(er)“ verpassen. Nachdem zu Beginn der Pandemie die ersten Coronafälle in Deutschland bekannt wurden, schlug die Stunde der Exekutive. Der sogenannte „Rally 'round the flag“-Effekt verlieh der Partei der Kanzlerin einen gehörigen Schub, sodass die CDU/CSU einige Monate vor der Bundestagswahl bei bis zu 39 Prozent stand. Ein Effekt dieser Art könnte auch Olaf Scholz durch die ersten Monate im neuen Amt tragen. Ob nach über anderthalb Jahren Corona-Ermüdung jedoch ein ähnlich starker Effekt zu erwarten ist, scheint fraglich. Dennoch: Aktuell verfügt Scholz über hohe Beliebtheitswerte, ist derzeit gar der zweitbeliebteste Politiker in Deutschland. Damit wird er nur von einer anderen – ehemaligen – Politiker*in geschlagen: Angela Merkel.
Das Thema Corona ist aber in den letzten Wochen wieder deutlich salienter geworden und rund zwei Drittel der Deutschen sind der Ansicht, es werde nicht genug zum Schutz vor Corona getan. Als ein Weg aus der Krise gilt die Impfung. Olaf Scholz selbst hat der neuen Regierung ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: 30 Millionen Impfungen sollen es bis Weihnachten sein. Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, wie auch schärfere Maßnahmen werden in der Politik und der Öffentlichkeit derzeit ebenfalls heftig diskutiert. Mittlerweile befürworten 69 Prozent der Bürger*innen eine Corona-Impfpflicht. Gleichzeitig geht der Riss hier aber quer durch die FDP-Klientel, denn hier findet sich nur eine knappe Mehrheit für eine Impfpflicht. Entsprechend können strengere Corona-Maßnahmen und eine Impfpflicht vor allem für die FDP elektoral für Probleme sorgen, die diese tunlichst vermeiden möchte. Da die Geduld der Geimpften gegenüber den Ungeimpften inzwischen stark strapaziert ist, braucht die Regierung hier aber schnell Erfolge, sonst droht der Ampel schnell der erste Zwist, bei dem es nicht nur Gewinner geben wird.
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