Nachbericht: 6.Start-up Pitch von marktforschung.de und Consulting.de Start-Ziel-Sieg für Tucan.AI beim 6. Start-up Pitch

Florian Polak von Tucan.AI bedankt sich für den ersten Platz beim gestrigen 6. Start-up Pitch.
Zum sechsten Mal seit 2020 fand der Start-up Pitch von marktforschung.de und Consulting.de statt. Wer folgt auf AskBrian, Mumuras, Aimpower, epap und Horizon? Der Wettbewerb wurde dieses Jahr erneut vom Branchenverband ADM, von der Personalberatung BB Recruiting, den Full-Service-Instituten GIM und mindline sowie dem Online-Feldspezialisten Norstat unterstützt. Die Jury war prall gefüllt mit Marktforschungs- und Gründungskompetenz: Sabine Menzel (L’Oréal), Janina Mütze (Civey), Jörg Kunath (mindline), Dr. Stephan Telschow (GIM), Sebastian Sorger (Norstat), Dr. Arndt Schwaiger (Serial Entrepreneur), Birgit Bruns (BB Recruiting), Christian Arndt (Hightech Gründerfonds) und Dr. Roland Abold (ADM).
Tucan.AI machte den Anfang
Es war ein Start-Ziel-Sieg am gestrigen Nachmittag. Tucan.AI war der erste Startplatz zugelost worden. Der Gründer Florian Polak präsentierte ihr KI-System, das das Transkribieren, Zusammenfassen und Analysieren von Audiomaterial, das im Rahmen von qualitativer Forschung gewonnen wird, mit besonderem Fokus auf die Marktforschungsbranche automatisiert. Ziel ist dabei, den Auswertungsprozess von qualitativer Marktforschung deutlich zu beschleunigen. Statt tagelang manuell zu transkribieren, kann durch die Verwendung von Tucan.AI die Durchlaufzeit auf wenige Stunden reduziert werden. Es bleibt nicht bei der Transkription, sondern Tucan.AI hilft auch bei der Codierung und der Zuordnung von Antworten zu Überthemen. Bezahlt wird über ein Subskriptionsmodell, abhängig von der Menge an zu analysierenden Textmengen. Kritisch nachgefragt wurde bei der überzeugenden Präsentation von der Jury aber nach der Konkurrenzsituation, da in immer mehr Software-Paketen, wie zum Beispiel bei Microsoft Office, ähnliche Skills zukünftig bereits enthalten sein werden. Trotz des unsicheren Ausblicks konnte Tucan.AI die meisten Jurymitglieder von sich überzeugen: von neun Juroren setzten sieben Tucan.AI auf den ersten Platz.
Gutfeel - Umfragen für die Generation Z
Im Vergleich zu Tucan.AI steht das Münchner Start-up Gutfeel noch ganz am Anfang der Reise. Das Gründerteam von Gutfeel stammt aus der Generation Z und fokussiert sich mit der von ihnen entwickelten DIY-Umfrageplattform auch genau auf diese Zielgruppe. Umfragen sollen auch junge Menschen Spaß machen, so Dominik Grauer, einer der beiden Gründer von Gutfeel. Man wolle die Fragebögen interaktiver machen, vor allem für Marken arbeiten, die jüngere Generationen begeistern und karitative Incentives sollen dabei helfen, die Sinnhaftigkeit der Teilnahme an Umfragen auch jungen Menschen zu vermitteln. Gutfeel stehen aktuell kurz vorm Start der Beta-Version der Plattform. Als nächste Schritte sollen dieses Jahr noch der Aufbau der Community auf 15.000 Mitglieder erfolgen, danach erste B2B-Projekte und eine Fundraising-Kampagne, um den weiteren Ausbau der Plattform zu finanzieren. Nicht nur auf den ersten Blick scheint der Ansatz von Gutfeel Ähnlichkeiten mit dem Geschäftsmodell zu Appinio zu haben, auch wenn sich, so Dominik Grauer, der Fokus von Gutfeel eben noch stärker auf junge Generationen ausgerichtet wäre. Beim Publikum kam Gutfeel sehr gut an, bei der Jury konnte der Ansatz noch nicht komplett überzeugen.
Die Komplexität der Customer Journey analytisch greifbar machen
Sehr viel weiter als Gutfeel und Tucan.AI in der Entwicklung befindet sich das Unternehmen Objective Platform, die zwar in Deutschland noch am Anfang stehen, aber immerhin schon drei Büros in Amsterdam, Düsseldorf und London mit rund 60 Mitarbeitenden betreiben und 32 Kunden in acht Ländern gefunden haben. Sales-Director Philip-Peter Dietz stellte den Ansatz von Objective Platform vor, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die immer vielfältiger werdenden Customer Journeys analytisch in den Griff zu bekommen. Auf der Plattform können Daten aus unterschiedlichen Kanälen gesammelt und verschmolzen werden. Aufbauend auf komplexen Statistikmodellen ist das Ziel des Start-ups, den Wertbeitrag einzelner Mediakanäle zu bestimmen, um Unternehmen Insights darüber zu verschaffen, wie sie ihre Media-Spendings optimieren können. Der Ansatz wurde immerhin von zwei Jurymitglieder auf Platz 1 gesetzt. In der Gesamtwertung landete Objective Plattform auf einem starken zweiten Platz.
Ein Marktplatz, der Unternehmen und freie Forscher zusammenbringt
Als letzter Teilnehmer präsentierte Julian Dailly sein Start-up Savio. Savio ist ein Online-Marktplatz, der Käufer und Verkäufer von Analysen, Forschung und Erkenntnissen weltweit miteinander verbinden möchte. Das Start-up kooperiert bereits mit dem Forschungsnetzwerk Greenbook und hat bereits zahlreiche Nutzer und Kunden in verschiedenen Märkten gefunden. Julian Dailly bezeichnete den Einsatz als eine Art „Amazon Prime für die Marktforschung“, man wählt die passenden Talente für das jeweilige Forschungsprojekt aus. So dürfte der Ansatz gerade für Häuser, die über kein eigenes Insights-Team mehr verfügen, eine spannende Alternative zur Festanstellung von betrieblichen Marktforschern sein. Von der Jury bekam Savio immerhin vier Mal Punkte, aber das Publikum konnte der Ansatz von Savio nicht überzeugen.
Interview mit Jurymitglied Sebastian Sorger im Nachgang des Start-up Pitch
Die teilnehmenden Start-ups waren ja in sehr unterschiedlichen Stages. Kann man ein Start-up wie Gutfeel, die kurz vor der Beta-Phase stehen, überhaupt fair mit einem Start-up wie Objective Platform vergleichen, das bereits in drei Ländern mit 60 Mitarbeitenden vertreten ist?
Sebastian Sorger: Ja. Grundlegendes sollte in beiden Phasen verständlich sein: Was ist das Geschäftsmodell? Wie wird ein Mehrwert beim Kunden erzeugt und monetarisiert? Wie tickt der Markt, der Wettbewerb, was ist das Alleinstellungsmerkmal?
Mich hat überrascht, dass im Vergleich zu früheren Pitches wenig Financials von den Start-up genannt wurden. Wie bewertest Du das?
Sebastian Sorger: Ging mir auch so! Vielleicht stand der werbende Charakter gegenüber den Zuschauern im Vordergrund?
Spannend ist doch schon: Wie groß ist der an der Lösung realistisch interessierte Markt, wie lange der Vertriebszyklus und wie kann die Bepreisung funktionieren? Ferner wie viele Early Adopter oder – bei entsprechender Unternehmensreife – Kunden aus dem Majority Market anbeißen könnten, um die Umsatzerlöse (und Produktionskosten) einschätzen zu können. Von dieser Marge gehen die Fixkosten weg (Personal, Reisen, Marketing etc) und man kann mit dem EBITDA dann gut in der P&L abschätzen, wie viel Kapital man braucht.
Welche Meilensteine werden für die Investitionsrunden gesetzt? Klar nennt man da nicht alles, aber zum Beispiel durchaus wie hoch das Funding war oder sein sollte, wie viel man nun einsammeln will, wann man den Break-Even erreicht haben will. Gegenüber einer reinen Investorenrunde wären diese Infos sicherlich gekommen, bzw. eingefordert worden.
Auch die Reifegrade der Start-ups in Bezug auf die Pitch-Präsentationen waren sehr unterschiedlich. Wie entscheidend war in Deiner Wahrnehmung, dass Tucan.AI vergleichsweise überzeugend präsentiert hat?
Sebastian Sorger: Florian von Tucan.AI gelang es das Geschäftsmodell sehr einfach rüberzubringen. Was ist das Problem? Wie soll mit der Lösung das Problem abgestellt werden? Das hat jeder verstanden.
Wer Dinge einfach erklären kann, hat einen Vorteil.
Ich hatte den Eindruck, dass die eigentlich großartige Geschäftsidee von Savio nicht jedem klar geworden ist. Wie erklärst Du Dir, dass Savio nicht weiter vorne gelandet ist? War es ein Nachteil, dass Julian auf Englisch präsentiert hat?
Sebastian Sorger: Vielleicht. Nicht jeder spricht und versteht Englisch gleich gut. Ich hatte das Gefühl Julian hat sich auch zu sehr auf den Text der Folien fokussiert. Ich bin sicher, hätte er seiner Leidenschaft freieren Lauf gelassen, hätte das mehr angesteckt. Es war allerdings auch bis zum Ende nicht klar, wer seine Teilnehmer auf diesem „two-sided-marketplace“ eigentlich sind.
Du achtest immer sehr auf das Gründer-Team. Welche Trends siehst Du da über die Jahre? Gibt es verallgemeinerbare Trends?
Sebastian Sorger: Es sind doch oft relativ junge Gründer. Das ist überhaupt nicht schlecht. Oft werden erfahrene Manager zu einem späteren Zeitpunkt dazu geholt, um Strukturen aufzubauen und das Wachstum zu managen.
Ich frage mich aber, wann VCs / Investoren erkennen, dass es viel Sinn ergeben kann, auch Seniors gleich zu Beginn mit ins Boot zu holen. Dann muss sich aber am Vergütungsmodell etwas ändern. „Nur“ mit vielen Anteilen zu locken reicht dann einfach nicht.
Was für Start-ups würden noch gut zur Norstat-Gruppe passen?
Sebastian Sorger: All jene, die uns im Bereich Felddienstleitungen für qualitative und quantitative Forschung sinnvoll ergänzen. Diese haben eine Technologie und wir bringen die Teilnehmer und organisieren das ganze Drumherum. Wichtig ist dabei: Das Start-Up bringt den Kunden mit, wir sind nicht der Sales Channel. Dann sind wir für (fast) jeden Spaß zu haben, solange wir die Standesregeln einhalten. Bezüglich M&A Bestrebungen fokussieren wir uns eher auf etablierte Unternehmen.
Über die Personen
Sebastian Sorger absolvierte sein Studium der Pädagogischen Psychologie in München. Weiterbildungen belegte er u. a. an der Harvard Business School. Vor seiner Rolle als Geschäftsführer Deutschland bei Norstat war er im Management von Dienstleistungs- und IT Unternehmen, z. B. als Vertriebsleiter bei einer börsennotierten IT-Unternehmensberatung tätig und arbeitete als CEO bei einem digitalen Joint Venture zwischen Volkswagen und der Boston Consulting Group.
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