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Nächster Marktforschungsskandal in Österreich SORA leakt aus Versehen Strategiepapier für die SPÖ – dabei hatte die Partei das Papier nie in Auftrag gegeben

Günther Ogris hat sein selbstverfasstes Papier über den falschen Verteiler verschickt und so den nächsten Marktforschungsskandal Österreichs ausgelöst (Bild: picture alliance / HERBERT PFARRHOFER / APA / picturedesk.com | HERBERT PFARRHOFER).
In dem Strategiepapier, das eigentlich ausschließlich für die SPÖ bestimmt sein sollte, geht es laut österreichischen Medien um Bablers Image mit Blick auf die Nationalwahlen in 2024 und dessen mögliche Kanzlerkandidatur. Verschickt wurde das Strategiepapier von Günther Ogris. Er ist Sozialforscher in Österreich und gemeinsam mit Christoph Hofinger leitete er das private Forschungsinstitut SORA. Aber: Nicht die SPÖ erhielt das Papier, sondern rund 800 andere Empfängerinnen und Adressaten. Ogris benutzte anscheinend den falschen Verteiler zum Verschicken des Papiers.
SORA ist das Marktforschungsinstitut, mit dem der ORF, der öffentlich-rechtliche Rundfunk Österreichs, in der Wahlberichterstattung zusammenarbeitet. Konkret geht es um Wahlforschung, Hochrechnungen, Analysen. Zumindest war das bisher so. Am Mittwoch beendete der ORF die Zusammenarbeit mit Sora.
Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung beendet
Wegen des Bekanntwerdens des Strategiepapiers von Ogris für die SPÖ sei für den ORF eine weitere Zusammenarbeit rund um die Wahlberichterstattung nicht mehr möglich „und wird daher mit sofortiger Wirkung beendet", ließ der ORF verlauten. „Insbesondere bei Wahlen sind Glaubwürdigkeit und Objektivität in der ORF-Berichterstattung von essenzieller Bedeutung, auch jeglicher Anschein von Einseitigkeit muss unterbunden werden." Der ORF weist aber auch darauf hin, dass die vergangenen Hochrechnungen von Sora "äußerst präzise waren und niemals irgendein Indiz für eine parteipolitische Einseitigkeit gegeben war".
Papier nicht in Auftrag gegeben
Am gleichen Tag gab SORA zuerst den Rückzug von Geschäftsführer und Gesellschafter Ogris aus der Wahlanalyse bekannt. Gestern trat dann Ogris nach 27 Jahren aus der Geschäftsführung vollständig zurück. Laut der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ sei das Strategiepapier von der SPÖ überhaupt nicht in Auftrag gegeben worden. Vielmehr habe Günther Ogris das Papier eigenhändig verfasst, um damit an die SPÖ heranzutreten.
Heute hat auch der österreichische Verband für Marktforschung (VMÖ) reagiert, der auf Einhaltung ethischer Standards pocht. „Alle Mitglieder des VMÖ verpflichten sich bei der Unterfertigung des Antrags auf Mitgliedschaft, die gültigen Normen und ethischen Standards der Europäischen Vereinigung ESOMAR einzuhalten“, so VMÖ-Vorstand Alice Flamant. „Auftraggeber sollten wissen, wenn es eine Zusammenarbeit mit weiteren relevanten Marktakteuren gibt.“
Eine unwahre Positionierung und Selbstdarstellung eines Instituts sei eine inakzeptable Täuschung, „Insbesondere dann, wenn in der gewünschten Wahrnehmung Neutralität und Unabhängigkeit suggeriert wird, aber versteckt die Interessen einer Partei vertreten werden. Es ist zu prüfen, ob mit der angeblichen Positionierung öffentliche Mittel erlangt wurden, mit denen dann in Wahrheit Parteizwecke verfolgt wurden“, so Flamant weiter.
Seit Herbst 2021 hielt der Prozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin und die Forscherin Sabine Beinschab die österreichischen Medien auf Trab. Auch dabei ging es um Meinungsforschung. Karmasin, ebenfalls in der Marktforschungsbranche tätig, und andere sollen, Meinungsumfragen österreichischen Medien zugespielt haben, um den damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz in einem besseren Licht darzustellen. Kurz nach der Affäre trat dieser zurück.
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