Social Media in der Marktforschung: Weder Hype noch Krise

Sabine Haas (result)

Von Sabine Haas, Geschäftsführerin result

Möchte man die Bedeutung der sozialen Medien für die Marktforschung beschreiben, ist es zunächst wichtig, sich über die Definition von Social Media klar zu werden. Meint man die Technologien, die ein sogenanntes „Mitmachnetz“ erlauben? Meint man die Netzwerke und Nutzermeinungen, die sich dort finden? Unser Institut hat sich dazu entschieden, den Begriff Social Media etwas weiter zu fassen, um den Phänomenen der aktuellen Medienentwicklung besser Rechnung zu tragen. Wir sprechen von einem „digitalen Wandel“ und meinen damit die medienspezifischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die sich durch die Etablierung eines „Mitmachnetzes“ und der damit einhergehenden Möglichkeiten ergeben.

Neue Fragestellungen verlangen nach neuen Antworten

Für die Marktforschung hat der digitale Wandel grundlegende Konsequenzen. Darin nur einen Hype oder eine temporäre Krise zu sehen, wäre hochgradig fahrlässig. Wenn Unternehmen auf ihren Facebook-Seiten Tausende von Fans versammeln und mit ihnen in einen Dialog treten, wenn Kunden jederzeit und überall im Netz über Produkte sprechen und ihre Erfahrungen teilen können, wenn fast jeder Shop mit Kundenbewertungen aufwartet, dann ändert sich die Rolle und Bedeutung der Marktforschung gravierend. Sie verliert mehr und mehr bestimmte Funktionen (z. B. Produkttests im Rahmen von Kunden-Fokusgruppen) und muss auf neue Fragen (z. B. auf diese: „Wie kann ich Kunden zu Botschaftern meiner Marke machen?“) Antworten finden. Es wird eine Reihe von Studien künftig nicht mehr geben, andere dagegen werden notwendig werden (möglicherweise nicht mehr nur anonym durchgeführte Gespräche innerhalb einer Netzgemeinde). Die Marktforschung muss sich für diese Entwicklungen rüsten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Positionierung Befragungs-Panels in Zukunft haben werden, wenn Communities und Nutzergruppen aus dem Boden schießen, die sich für alle möglichen Befragungen oder Aktionen werben lassen, weil beispielsweise eine Verlosung winkt. Wo liegt der Unterschied zwischen Marktforschung und den übrigen Anbietern? Wie lässt sich dieser Unterschied deutlich machen?

Gewinnen kann, wer bei der Methodenwahl zu differenzieren weiß

Jenseits dieser allgemeinen Entwicklungen, die Social Media für die Marktforschung mit sich bringt, ist es spannend zu sehen, inwieweit Social Media neue Methoden für die Forschung bereithält und wie relevant diese Methoden künftig sein werden. Eine Reihe von forschungsnahen „Netzphänomen“ oder Tools lassen sich schon heute identifizieren: Blogdiskurse, Crowdsourcing, Webmonitoring sind einige dieser „Neuheiten“. Keine dieser im social web auftretenden Phänomene eignen sich per se für die Forschung. Sie können von der Branche aufgegriffen und zu Forschungsmethoden weiterentwickelt werden. Ihr Potenzial ist unterschiedlich. Betrachtet man beispielsweise das Monitoring, dann ist man immer in der Nähe einer Inhaltsanalyse. Inhaltsanalysen haben zwar ihren Charme, schließen aber immer eine Exploration des Urhebers aus. Ihr Nutzen ist aus dieser Perspektive scharf begrenzt – was für bestimmte Fragestellungen völlig in Ordnung ist, für andere hingegen wenig dienlich. Man kann also nicht erwarten, dass beispielsweise ein Webmonitoring an die Stelle einer Fokusgruppe tritt. Diese Erwartung würde die Methode niemals erfüllen. Anders ist es bei Crowdsourcing. Hier kommt es zu einem intensiven Austausch mit einer Gruppe von „Befragten“ – allerdings ebenfalls in einem klar umrissenen Kontext. Es geht um Konzeptentwicklung. Für eine Imageanalyse eignet sich ein solches Instrument dagegen sicher nicht. Was ich sagen möchte: Die neuen – an das Social Web angelehnten Methoden – bedürfen dringend der Entzauberung und differenzierten Betrachtung. Sie sind nichts weiter als neue Möglichkeiten im methodischen Portfolio der Marktforschung. Sie eignen sich für manches, für anderes aber auch nicht. Genauso wie jede klassische Forschungsmethode eben auch.

Digitaler Wandel und Marktforschung: Einstellungsänderung tut Not

Zu guter Letzt noch eine dritte Perspektive: Neben dem allgemeinen Brancheneinfluss und der Generierung neuer Methoden ist der digitale Wandel bzw. Social Media sicher auch als Forschungsgegenstand ein Thema. Hier erhoffe ich mir eine deutliche Einstellungsänderung in der Branche. Die Phänomene im sozialen Netz, die geänderten Nutzerverhaltensweisen, der Medienwandel sind Themen, die dringend einer fokussierten und schärferen Analyse durch die Markt- und Sozialforschung bedürfen. Es fehlt aus meiner Sicht sowohl an adäquaten Operationalisierungen als auch an praxisnahen Fragestellungen rund um diese Entwicklungen. Es wird Zeit für unsere Branche, sich diesen Themen deutlich intensiver anzunehmen – bevor es andere tun.

Zur Person: Sabine Haas (Diplom-Psychologin) gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur und im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel". Im WS 2013/14 lehrt sie Kommunikationsmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW).

 

Diskutieren Sie mit!     

Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf marktforschung.de