Social Media-Analysen – so oder so?

Hartmut Scheffler
Von Hartmut Scheffler
Mein Anliegen an dieser Stelle und in regelmäßigen Abständen ist es ja immer wieder, auf interessante Entwicklungen einerseits mit "Ausrufezeichen" hinzuweisen und gleichzeitig vor Fehlentwicklungen, qualitativen Problemen, Fehlinterpretationen zu warnen. Dies immer in wenigen Worten und damit nur anreißend. Das Thema der Social Media-Analysen (oft auch Word of Mouse-Analyse genannt) ist in aller Munde: Wie viele Menschen sagen wann zu welchem Thema, zu welchem Begriff etwas: Und was ergibt die Sentiment-Analyse: Positives, Negatives oder Neutrales? Soweit so gut! Nicht so gut ist es, wenn suggeriert wird, dass solche Analysen mal eben schnell, preiswert und doch aussagestark gemacht werden können. Jede Analyse liefert ein Ergebnis, jedes Ergebnis lässt sich in irgendeinem Kurvenverlauf mit Spitzen und Tälern darstellen und interpretieren. Richtige und gute Untersuchungsanlagen unterscheiden sich von schnell gemachten, billigen Quickies in der Art der Darstellung nicht: umso mehr häufig im Ergebnis, den Interpretationen und Schlussfolgerungen. Zwischen simplen do-it-yourself und wohlüberlegter, anspruchsvoller Analytik liegen Zeit, Geld und am Ende die Sinnhaftigkeit, Richtigkeit und Aussagekraft des Ergebnisses. Einige wenige Beispiele zwischen "gut und schlecht": Wird immer überlegt und bewusst entschieden, von wem da Äußerungen gesammelt werden? Von der gesamten Bevölkerung, von für das Thema nur relevanten oder auch irrelevanten Personen? Jede seriöse Social Media-Analyse verlangt eine entsprechende Definition am Anfang. Jede Interpretation verlangt, für wen diese Aussage getroffen werden kann.
Wird vorab festgelegt, wo gesucht und gefunden wird, welches relevantere und weniger relevante Quellen sind, welche Quellen keine signifikante Rolle spielen bzw. umgekehrt auch: Welche unbedingt einzubeziehen sind? Fragen Sie einmal nach, welche Analysen Ihre Daten aus welchen Quellen beziehen und überlegen Sie dann, ob dies die für Ihre Problematik richtige Auswahl darstellt und warum gerade diese Auswahl vorgenommen wurde (billig und schnell?).
Wonach suchen Sie? Welche Begriffe, welche Begriff-Baumstruktur ist diejenige, die gesucht und deren Umfeld analysiert werden soll. Eine Social Media-Analyse ohne begründete und oft eingeengte Zielgruppe, ohne begründete Quellenstruktur, ohne begründete Suchbegriffe und Begriffsräume ist nicht mehr als ein Stück Information: Sie schafft kein Wissen, keine Insights.
Noch deutlicher wird dies bei den s. g. Sentiment-Analysen. Die einfachste Form ist die Quantifizierung der Nennungen nach positiv, negativ, neutral. Wenn es do-it-yourself und schnell und billig gehen soll, geschieht dies automatisch. Sprache und sprachliche Strukturen sind komplex, automatische Systeme arbeiten nach vereinfachten Spielregeln. Lassen Sie sich einmal erklären, wie diese automatischen Systeme arbeiten und das Begriffsumfeld nach "Spielregeln" in +, -, neutral einteilen. Schauen Sie sich dann die Originaltexte an und Sie werden sehr schnell erkennen, dass eine ernstgemeinte und entscheidungsrelevante Sentiment-Analyse händisch durch erfahrene Personen vorzunehmen ist. Sie werden erkennen, dass es besser ist, 1 % oder 2 % oder 5 % der Nennungen exakt, quasi repräsentativ händisch zu verarbeiten, als 100 % automatisch. Wer wirklich wissen möchte, welche Begriffe wie oft in welcher Kombination und welcher Stimmung/Bewertung auftauchen, um daraus richtige und wichtige Entscheidungen für Kommunikation und Marketing abzuleiten, muss Sprache analysieren und sich nicht allein auf Wenn–Dann-Algorithmen mehr oder weniger anspruchsvoll programmierter Systeme verlassen.
Social Media-Analysen: So oder so? Sie haben die Wahl!
Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden