Jörg Stroisch Social Media als interessante und herausfordernde Datenquelle

Schon lange ist die Integration von Daten aus den sozialen Netzwerken in die Dashboards der Marktforschungsinstitute Standard. Die Erkenntnisse daraus sind enorm - und in der Forschung werden sie immer stärker untersucht.

Wie verhalten sich Käufer von Luxusmarken auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Youtube? Welche Ansprache führt zu einer besseren Markenbindung oder einem Verkauf? Das sind mögliche Fragen, die die Kunden der Marktforschung bewegen. Und für die es schier unermessliche Datenquellen gibt: Nämlich die der entsprechenden Plattformen selbst.

So sind die großen Webtechunternehmen selbst auch schon längst in die klassischen Felder der Markt- und Sozialforschungsunternehmen vorgedrungen, sie aggregieren Unmengen an Daten. Um diese auch ansprechend zu visualisieren, kaufen sie gerade mit Milliardeninvestitionen entsprechende Unternehmen – wie etwa Tableau – auf. Eine neue Konkurrenz, der sich die Marktforschungsbranche stellen muss.

Dr. Roland Abold, Vice President Sales Media Measurement bei der GfK und Vorstandsmitglied beim ADM, sagt dazu: "Für alle Marktforschungsunternehmen spielen Social-Media-Daten eine große Rolle, etwa bei Fragen der Mediennutzung und Werbeeffizienz aber auch bei der Analyse der Customer Journey bspw. über die Bewertung von Produkten." Social Media-Daten seien ein integraler Bestandteil vieler Tools zur Analyse und Optimierung von Marketing-Effizienz von Unternehmen.

Vermittlerrolle der Marktforschungsbranche

Nicht zuletzt bei der Bereitstellung von Daten über die Mediennutzung, bei der die großen Social-Media-Plattformen auch ein eher restriktives Verhalten zeigen, komme die Vermittlerrolle der Marktforschung zur Geltung. Sie vermittle zwischen den Plattformen und den Unternehmenskunden und würden sich so als neutrale Instanz zwischen den Techkonzernen und den Werbetreibenden anbieten, so Abold. "Denn immer wieder stellt sich die Frage nach der Transparenz. Wie sieht die Messung aus? Und wie sehen die Rahmenbedingungen aus, die dabei zugrunde gelegt werden?"

Das Problem dabei: "Es ist in jedem Fall eine große Herausforderung, ohne die großen Techkonzerne umfassende Daten von allen Plattformen und Devices zu erhalten", sagt Abold. Entsprechend würden für alle Marktforschungsunternehmen Daten-Partnerschaften und Kooperationen immer wichtiger. "Hier findet ein regelrechter Wettlauf um Zugänge und auch exklusive Nutzungsrechte statt", so Abold.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien mit vielen Erkenntnissen

Dass sich das auch für die Bereitstellung grundlegender Erkenntnisse lohnt, zeigen zum Beispiel die Veröffentlichungen auf wissenschaftlichen Portalen wie academia.eu oder researchgate.net sind: Bei der Eingabe von "Social Media" in die Suchmasken wird eine Fülle an Studien angeboten. Wie lässt sich zum Beispiel das E-Commerce-Verhalten auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen bewerten? Was sind die Auswertungen von Fake News?

Und nicht zuletzt zeigen auch die Skandale um Cambridge Analytica anschaulich, was sich aus Social-Media-Daten alles herausholen lässt: Die umstrittene Firma wollte mit ihren Datenanalysen und deren Verknüpfung mit Werbung die Brexit-Kampagne und den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl von Donald Trump beeinflussen – und hat dabei psychologische Profile anhand der Nutzung von Facebook erstellt. Die Besonderheit: Grundlage ist hier die wissenschaftliche Forschung. Die Disziplin Psychometrics sortiert die psychologischen Profile von Menschen anhand von fünf Dimensionen: openness, conscientiousness, extroversion, agreeableness, neuroticism - kurz OCEAN. Cambridge Analyticas missbrauchte diese Erkenntnisse, um damit für unterschiedliche Nutzertypen sehr zielgerichtet bestimmte Trigger zu nutzen, um sie in ihrer Wahlentscheidung zu manipulieren. Ein gravierender Eingriff in die Privatsphäre dieser Nutzer.

So sagt auch Marktforscher Dr. Roland Abold: "Neben der technischen Herausforderung spielen auch Fragen des Datenschutzes eine Rolle." Und letztendlich müssten auch ethische Fragestellungen, inwiefern man zum Beispiel das Einkaufsverhalten von Nutzern beeinflussen darf, diskutiert werden.

Social Graphs als interessantes Betätigungsfeld

Darüber hinaus beschäftigt sich auch ein interessanter Forschungszweig mit der Analyse von Social-Media-Verbindungen mithilfe von sogenannten Graphs, so zum Beispiel David Easley und Jon Kleinberg in ihrem sehr interessanten Buch "Networks, Crowds, and Markets: Reasoning about a Highly Connected World": Hier werden die Beziehungen zwischen einzelnen Mitgliedern von Communities aus einem Systemblick heraus analysiert und dabei interessante Hypothesen aufgestellt.

Wer also hier mit den entsprechenden Datenpartnern und einer grundlegenden Analysephilosophie seinen Kunden echte Mehrwerte bieten möchte, kann sich noch ausreichend austoben - weit über die reine Medienwirkungs- oder Werbeanalyse hinaus.

 

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