Interview mit Natacha Dagneaud, Séissmo "Snackable Content" statt Canapés

Sie haben Séissmo gegründet. Jetzt besteht das Unternehmen seit 20 Jahren. Was bedeutet Ihnen das ganz persönlich?
Natacha Dagneaud: Mehr graue Haare und weniger Regenerationsfähigkeit (lacht). Ohne Witz: Wenn ich daran denke, dass ich mit 29 Jahren mein eigenes Unternehmen gegründet habe – und das mit siebenmonatigem Baby auf dem Arm (bzw. in der städtischen Krippe gegenüber) – frage ich mich, wie ich das alles überlebt habe. In Wahrheit nur mit Siesta im Büro-Loft. Trotzdem war es das alles wert!
Was waren Ihre ersten Stationen in der Mafo?
Natacha Dagneaud: Vor genau 25 Jahren habe ich meinen ersten festen Job in Deutschland angetreten und das verdanke ich einem Letter of Intent, mit dem mich Julia Ohde (bis heute meine Mentorin) und Michael Hoppe nach einem erfolgreichen Praktikum in 1994 an das Unternehmen binden wollten. Das fand ich so enorm Klasse von deutschen Unternehmen, dass ich daraufhin direkt Frankreich verlassen habe. Ich kam also im Januar 1995 nach Hamburg, zur WBA (GfM-Getas/WBA, um genauer zu sein – damals zwei Institute aus Bremen und Hamburg, die IPSOS frisch aufgekauft hatte, um in Deutschland Fuß zu fassen). Ich kann mich so lebhaft an die heftige Diskussion rund um die Einführung des Solidaritätszuschlags am Mittagstisch erinnern. Meine Hamburger Kollegen waren wirklich nicht begeistert. Ich konnte nicht realisieren, welche Einbußen das beim Netto bedeutete und hatte das idealisierte Bild der Wiedervereinigung aus Frankreich. Manche Provisorien halten sich aber lange, wie man erst ein Vierteljahrhundert später feststellt!
Danach ging es der Liebe wegen nach Heidelberg und entsprechend war das Sinus-Institut eine wichtige Etappe, um die deutschen Mentalitäten kennenzulernen. Mit Sigma in Mannheim ging es weiter mit den sozialen Milieus und der weltweit agierenden Automobil-Industrie. Dort habe ich in vollem Maße die internationale Forschung praktizieren können und hatte die Freiheit, eine eigene Abteilung zu gründen und zu führen.
Internationalität ist in der Tat ein wichtiges Stichwort und wird bei Séissmo groß geschrieben, stimmt's?
Natacha Dagneaud: Multikulturalität und Mehrsprachigkeit sind Teil der DNA von Séissmo. Kulturen von innen zu kennen ist unser Anspruch. Deshalb werden zum Beispiel am 20.01 drei verschiedene Beiträge in den jeweiligen drei Sprachen auf unserer Website zu sehen sein, die von Menschen in der jeweiligen Kultur verfasst wurden – eben kein übersetzter Content.
Séissmo war schon immer der Partner der französischen und sonstigen ausländischen Institute und Unternehmen, die den deutschen Markt verstehen wollen. Das hat uns unglaublich viel Handwerk und mentale Flexibilität beigebracht, da wir uns immer an die Methoden anderer anpassen mussten. Die Endkunden haben an uns geschätzt, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt befragen und oft direkt selbst moderieren konnten.
Was ist Ihr Erfolgsrezept? Und Ihr größter Fehler?
Natacha Dagneaud: Die Open Space-Kultur, no-door-policy: Alles wird gemeinsam gelebt, erfahren und dadurch wächst das Wissen schneller. Alle fühlen sich in einem Boot (deshalb haben wir auch Segel als Vorhänge!). Wir haben unsere Start-Up Mentalität und Nähe am Kunden beibehalten können.
Fehler mache ich täglich und das sind immer wieder Management-Fehler. Ein weiterer großer Fehler war die Vernachlässigung unserer Bekanntheit in Deutschland, denn der deutsche Binnenmarkt ist schon ziemlich krisensicher.
Sie haben im Rahmen des Jubiläums ein paar Highlights geplant, mit denen Sie quasi das ganze Jahr über Geburtstag feiern. Was erwartet uns da?
Natacha Dagneaud: Corona macht uns insofern einen Strich durch die Rechnung, als dass wir vor genau einem Jahr einen zweitägigen Live-Event in einer tollen Location geplant hatten. Wie bei allem, was man gründlich umdenken muss, ergibt sich nun eine Chance: Statt Canapés gibt es "snackable Content"! Die Kultur des Teilens ist in unserer DNA, weshalb es passt, jeden Monat etwas preiszugeben. Wir werden über den Gründungsmythos berichten, über Unternehmertum, aber auch über Szenariotechniken. Wir wollen ein Training mit Design-Tipps zur optimalen Didaktik teilen. Live-Vorführung von Experimenten (auch mit Pantomime!) sind geplant, darüber hinaus interkulturelle Case-Studies in Sensorik und Semiotik so wie Steckbriefe für erfolgreiche Exploration und Analyse von verbalen und non-verbalen Techniken. KI wird auch nicht fehlen – und genauso wenig unser neuer Séissmograph (so viel möchte ich verraten: es geht um eine mehrsprachige Messenger App aus dem Maschinenbau, mit der wir Verbraucher aus aller Welt verbinden wollen). Aber am spannendsten wird die Compilation der "Alten" sein: Viele unserer Ehemaligen haben so interessante Wege eingeschlagen!
Alles weitere finden Sie auf unserer Jubiläumsseite!
Und in 20 Jahren?
Natacha Dagneaud: Sind auch Sie, Herr Fuß, 20 Jahre älter (lacht)
Zur Person

Das Interview führte Manuel Fuß
/jr
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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