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Single source oder Fusion – von der "Methoden-Konvergenz" in der Marktforschung

Von Michael Pusler
Das Stichwort "Konvergenz" gebraucht der Medienforscher in erster Linie zur Beschreibung des kanalübergreifenden Zusammenwachsens von Medienproduktionen. Moderne Applikationen, sog. Apps erlauben heute eine Minimierung des Medienbruchs ehem. gedruckter vs. Bewegtbild-Medien. Im Bereich der Marktforschung, schon gar nicht der Forschungsmethodik, ist dieser Begriff (zumindest nach meiner Kenntnis) noch nicht so geläufig. Dabei findet dort schon länger ein Konvergieren, also ein Annähern der verschiedenen Forschungsphilosophien statt. War es bis vor wenigen Jahren noch geradezu verpönt, unterschiedliche Primärdatenquellen in großem Stil miteinander zu verknüpfen, so stellt das heute längst nicht nur mehr die Ausnahme dar. Und das ist auch nicht verwunderlich. Die Bereitschaft, sich im Rahmen einer Marktforschungsuntersuchung befragen zu lassen, nimmt leider stetig ab, da viele Menschen misstrauisch sind und dahinter den Versuch einer ungewünschten Verkaufsaktion vermuten. Sicher können aktuelle Branchenaktivitäten wie die Initiative Markt- und Sozialforschung ("Sag Ja zu Deutschlands Markt- und Sozialforschung") hier bedingt erfolgreich gegensteuern und eine gegenüber Befragungen aufgeschlossenere Atmosphäre schaffen, doch dürfte das Rad langfristig nicht mehr zurückzudrehen sein. Getreu dem Prinzip der bewussten Freiwilligkeit ("opt in") werden künftig viele Verbraucherinformationen sicher nur noch auf aktiv erklärter Informationslieferung einer Befragungsperson beruhen, die hierfür entsprechend entlohnt und vertraglich in den Erkenntnisprozess eingegliedert ist. Das entspricht dem Panelprinzip, mit dem z. B. die Branche der Onlinemarktforschung in den letzten Jahren den Marktforschungsmarkt erfolgreich bereichert hat. Große Player auf dem Markt wie die GfK, TGI etc. bauen diesen Bereich nicht ohne Grund schon seit Jahren systematisch aus.
Während die Rechtssprechung der Marktforschung (nach zähem Ringen) im §30a BDSG explizit die repräsentative Befragung (nach sozialwissenschaftlichen Standards und Rückgriff auf das Listenprinzip) zubilligt und eine Abgrenzung gegenüber Werbung vornimmt, ist momentan nicht sicher bestimmbar, ob der Frieden nicht trügerisch ist. Mittlerweile weicht man ja sogar ins Wettbewerbsrecht aus, um der Profession "etwas ans Bein zu hängen". Aber um rechtliche Fragen soll es hier gar nicht gehen. Vielmehr um eine Tendenz, vormals unterschiedliche methodische Standpunkte (Datenfusion vs. single source) nicht zuletzt aber auch vor dem Hintergrund eines schwieriger werdenden Umfeldes die Befragungsbereitschaft betreffend, zu vereinigen bzw. zu kombinieren. Und da bietet die Fusion in der Tat eine spürbare Entlastung und somit eine attraktive Alternative bei erkennbar überfrachteten Fragebögen oder aber für Märkte, in denen der Verbraucher – auch aufgrund der Fülle der Angebote und der Kürze der Produktzyklen – gar nicht mehr so genau weiß, was er denn gekauft oder verwendet hat. Und da stellt sich z. B. bei einer Mehrthemenbefragung die Frage, ob es nicht der Erkenntnis förderlicher ist, die Untersuchung zeitlich deutlich zu kürzen und dafür gerade solche Informationen anzuspielen, die auf anderem Wege valider gewonnen werden können. Dass das nicht per se der Königsweg ist weiß jeder, der mit Fusionen aktiv zu tun hat. Häufig werden durch das Grundprinzip stochastischer Unabhängigkeit logische Zusammenhänge faktisch geleugnet (etwa zwischen Einstellungen zur Marke und Produktkauf) oder aber man konstruiert komplizierte Modelle bedingter Wahrscheinlichkeiten, die nie genau den konkreten Fall widerspiegeln. Immer aber führt die Verknüpfung von Donoren (Spendern) und Rezipienten (Empfängern) zu einer "Verwässerung", einem "Glattbügeln" der Merkmalsvarianz. Von daher muss der Profi auch immer abwägen zwischen dem Malus einer schwierigen Befragbarkeit und den unvermeidbaren Effekten, die den Daten bei einer Fusion angetan werden. Es obliegt letztlich der Prüfung im Einzelfall, was zu präferieren ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die Fusion aber dann von Vorteil, wenn in einer single source ad hoc Befragung die jeweils Befragten in ihrer Erinnerungsfähigkeit überfordert sind, wenn die gewünschten Informationen die Belastungsfähigkeit der Befragten übersteigen (und damit die Güte abnimmt) und wenn Daten zuverlässig – zumindest in Teilen - nur passiv (non- invasiv, also z. B. technisch) generiert werden können.
In jedem Fall sollte sich der Marktforschungs-Praktiker aber nicht (mehr) generell einer so verstandenen Methoden-Konvergenz verschließen, denn häufig ist nicht der methodische Maximalstandard zielführend, sondern eine je nach Aufgabenstellung angemessene Güterabwägung aus methodisch Sinnvollem und empirisch (valide) Möglichem.
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