Dr. Robert Grünwald, Novustat Sentiment-Analyse: Überblick über Nutzerbewertungen behalten

Wer die Meinung seiner Kunden kennt, ist klar im Vorteil. Mit Sentiment Analysen, können Produktbewertungen schnell analysiert werden. Wie diese Analysen funktionieren und wie Sie sie im Unternehmen nutzen, zeigt dieser Überblick.

Produktbewertungen spielen eine wesentliche Rolle bei der Kaufentscheidung. Bewertungen geben Erfahrungen aus Verbrauchersicht unabhängig und transparent wieder, ohne jeglicher Kaufanimation. So geben etwa 2/3 der Online-Käufer über 14 Jahren an, bei ihrer Kaufentscheidung wesentlich durch Online-Produktrezensionen beeinflusst worden zu sein. Bewertete Produkte verkaufen sich wesentlich besser als Unbewertete. Wie kann man dabei als Händler oder Unternehmer den Überblick behalten und gegebenenfalls eingreifen? Hier spielt die Sentiment-Analyse (engl. Sentiment Analysis) als Methode zur Auswertung und Informationsgenerierung aus Text (Natural Language Processing) eine wichtige Rolle.

Was ist Sentiment-Analyse?

Sentiment-Analyse ist eingeordnet in das Umfeld von Natural Language Processing (NLP), einer Disziplin des Data Minings. Man versteht darunter ein Verfahren, bei dem aus einem Text die emotionale Aussage (Polarität) identifiziert und quantifiziert wird. Anschaulich ausgedrückt, werden Texte anhand der verwendeten Wörter oder Ausdrücke als positiv, negativ oder neutral klassifiziert. Für die Quantifizierung dient eine Skala von -1 bis +1, wobei +1 als maximal positiv, -1 als maximal negativ und 0 als neutral bewertet ist. Für viele Wörter existieren bereits Wertzuweisungen. Diese können als eine Art Wörterbuch im Rahmen der Sentiment-Analyse verwendet werden. So wird beispielsweise der Satz: "Die Kamera ist ganz gut. Sie erfüllt ihren Zweck" als positiv bewertet, auf Basis der darin vorkommenden Worte "gut" und "Zweck". Der Satz "Eine tolle Kamera. Jederzeit wieder!" besitzt im Vergleich allerdings ein deutlich positiveres Sentiment.

Was kann untersucht werden?

Prinzipiell können alle Arten von Text untersucht werden. Sind Bewertungen im Fokus, können beispielsweise Facebook- oder Blog-Kommentare sowie Tweets herangezogen werden. Man spricht dann auch von Facebook Sentiment Analysis, Twitter Sentiment Analysis oder allgemeiner Social Media Sentiment Analysis. Auch Chat-Verläufe können untersucht werden.

Bei einer großen Menge von Texten kann es nützlich sein, zunächst mit einer Kontextsuche relevante Nutzerkommentare zu selektieren. Eine weitere Selektion kann anhand der im Text enthaltenen Wörter vorgenommen werden. So können Kommentare zu Produkten beispielsweise dem Kundenservice, Versand, Verpackung, Produkt, etc. zugeordnet werden.

Wie funktioniert eine Sentiment-Analyse?

Die Grundlage einer Sentiment Analysis stellt ein Wörterbuch dar, in dem Worte als negativ oder positiv eingeordnet werden. Für den deutschsprachigen Raum existieren je nach Anwendung bereits standardisierte Listen, die eine valide Anwendung ermöglichen. Je nach Fragestellung können diese Listen um den Fachwortschatz erweitert werden. Alle relevanten Wörter oder allgemein Token eines Textes können mit Hilfe dieser Listen in positives Sentiment oder negatives Sentiment eingeordnet werden. Worte, die nicht in den Listen vorkommen, werden als neutral gewertet. Als zusätzliche Verfeinerung können auch grammatikalische Regeln, wie sie auch im Natural Language Processing angewendet werden, herangezogen werden: Die Verwendung von Superlativen oder z. B. die Stellung eines Wortes im Satz.

Für den Einsatz in Social Media stehen spezielle "Bags of Words", zur Verfügung, die auf die hier benutzte Sprache und Grammatik optimiert sind. Insbesondere stellen die Facebook Sentiment Analysis oder eine Twitter Sentiment Analysis wichtige Anwendungen dar.  
Das Sentiment eines Textes ergibt sich dann aus einer gewichteten Summation aller Sentiments: Überwiegen positiv bewertete Worte, wird der Text als positiv eingestuft, heben sich positive und negative Worte auf, wird der Text als neutral eingestuft.

In neueren Ansätzen der Sentiment-Analyse wird versucht, auf Wörterbücher zu verzichten. Dahinter steckt die Idee des maschinellen Lernens: Ausgehend von vielen bewerteten Texten "erlernt" der Computer, wie positive und negative Texte voneinander zu unterscheiden sind. Dieses Verfahren ist insbesondere bei umgangssprachlichen Texten oder Jugendsprache eine gute Alternative. Dieses Verfahren funktioniert allerdings nur, wenn hinreichend gute Trainingsdaten zur Verfügung stehen.

Wer führt Sentiment-Analysen durch?

Für die Sentiment Analysis stehen einige Softwarelösungen zur Verfügung. Für eine effektive Durchführung ist Fachkompetenz und Erfahrung im Data Mining und der Statistik von großem Vorteil. Ein unabhängiges Institut sorgt für eine neutrale Durchführung der Analysen und hält dem Unternehmer den Rücken frei. Durch eine Auslagerung dieser Aufgabe ist es ferner möglich, Sentiment-Analysen in Echtzeit durchzuführen und so schnell auf Veränderungen in der Tonalität zu reagieren.

Welche Vorteile bietet eine professionelle Sentiment-Analyse?

Beobachtung der Kundenmeinungen

Die Textanalyse kann gezielt für bestimmte Suchbegriffe wie beispielsweise Warenkategorien, Produkte, Ereignisse durchgeführt werden. Durch die Klassifizierung in positiv und negativ können die Rückmeldungen schnell in sehr komprimierter Form erfolgen, ohne dass lange Textnachrichten durchgelesen werden müssen.

Beurteilungen differenzieren

Durch eine Textanalyse können Sentiments für bestimmte Bereiche angegeben werden. Wir führen Sentiment-Analysen für unsere Kunden durch, indem die Meinungen den Bereichen Kosten, Kundenservice, Versand, Produkt etc. zugeordnet werden. So können differenziert Meinungsbilder erfasst werden.


Abb.: Sentiment-Analyse eines Produktes zu sechs Kriterien

Zeitnahe Rückmeldung

Durch die automatisierte Sentiment Analysis können Ergebnisse unmittelbar abgelesen werden. Eine sofortige Reaktion ist möglich z. B.  in Form von Rückmeldung.

Identifizierung zufriedener Kunden

Zufriedene und glückliche Kunden können durch eine Sentiment-Analyse identifiziert werden. Dadurch können Marketing Strategien zielführend eingesetzt werden.

Rückschlüsse über die eigene Positionierung im Mitbewerberfeld
Kommentare oder Chats von Kunden erhalten oft Vergleiche von konkurrierenden Produkten. Im Rahmen eine Facebook Sentiment Analysis oder Twitter Sentiment Analysis können mit einer gezielten Selektion dieser Texte Rückschlüsse hinsichtlich der Positionierung der eigenen Marke oder des Produktes gewonnen werden. Wo liegen die Stärken und die Schwächen?

Veränderungen erkennen

Durch eine regelmäßig oder permanent durchgeführte Sentiment-Analyse können Veränderungen in der Bewertung erkannt werden: Häufen sich schlechte Bewertungen im zeitlichen Verlauf, verändert sich das Sentiment seit einem definierten Zeitpunkt?

Fazit

Mit einer Sentiment-Analyse können Stimmungen, die in Texten ausgedrückt sind, erkannt und bewertet werden. Durch eine professionelle, regelmäßige durchgeführte Analyse können Veränderung erkannt, Schwachstellen identifiziert oder die eigene Positionierung gestärkt werden.

Zum Autor: Dr. Robert Grünwald ist Geschäftsführer der NOVUSTAT Statistik-Beratung und beschäftigt sich mit der Optimierung von Geschäftsprozessen und Marketingstrategien mithilfe modernster Analysetechnologien. Novustat ist eine Statistik-Beratung, welche sich auf die Beratung und Durchführung maßgeschneiderter Marktforschungs-Studien spezialisiert hat.

 

Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

Novustat Statistik-Beratung

Pfäffikon

Novustat Statistik-Beratung

2

Novustat ist eine Statistik-Beratung, welche sich auf die Beratung und Durchführung von Marktforschungs-Studien spezialisiert hat. …

Diskutieren Sie mit!     

  1. Christian Winkler am 30.07.2019
    Hallo,

    eine Sentiment-Analyse mit Wörterbüchern durchzuführen ist nicht mehr ganz zeitgemäß. Insbesondere Worte wie "nicht" oder "kein" können Bedeutungen invertieren und damit funktioniert das Verfahren nicht.

    Die besten Ergebnisse werden heute durch kontextualiserte Embeddings erreicht (ELMo, https://allennlp.org/elmo). Meist werden diese dann mit weiteren Machine Learning-Verfahren kombiniert (siehe z.B. http://www.realworldnlpbook.com/blog/improving-sentiment-analyzer-using-elmo.html), die große Trainingsmengen benötigen. Im Ansatz kann damit sogar Ironie und Sarkasmus mit abgebildet werden!

    All diese Verfahren (inkl. der Wörterbuch-Methoden) sind statistische Verfahren, bei denen immer Fehler (z.B. Precision/Recall) mit angegeben werden sollten.

    Viele Grüße
    Dr. Christian Winkler
  2. Dr. Robert Grünwald am 02.09.2019
    Vielen Dank für Ihren interessanten Kommentar!

    Sie haben recht, natürlich wurden die klassischen Methoden der Sentiment Analyse wie Bag of Words inzwischen durch viele weitere Verfahren (wie z.B. ELMO) ergänzt und verfeinert.

    Dieser Artikel sollte allerdings zunächst eine handliche Übersicht für das Thema Sentiment Analyse darstellen und den allgemeinen Nutzen für die Marktforschung verdeutlichen. Das Für und Wider der jeweiligen speziellen Verfahren darzustellen hätte hier leider den Rahmen gesprengt.

    Wie für alle statistischen Verfahren gilt aber natürlich auch hier: Die verschiedenen Verfahren der Wortanalyse haben letztendlich alle Ihre eigenen Stärken und Schwächen. Welches Verfahren das geeignetste ist, hängt immer vom speziellen Anwendungsfall ab!

    Bag of Words ist beispielsweise sehr geeignet für kleine Datensätze und ist einfach zu implementieren. Wenn es um die semantische Bedeutung geht, hat dieses Verfahren aber tatsächlich wie von Ihnen richtig festgestellt erhebliche Schwächen.

    Verfahren wie ELMO oder BERT sind sicherlich "state-of-the-art" und sind sehr gut darin die semantische Bedeutung von Sätzen zu erfassen. Aber diese Verfahren sind auch äußerst zeitaufwendig und komplex und damit für viele Anwendungsfälle nicht angemessen. Zudem sind diese Verfahren auch nicht generell für jeden Anwendungsfall geeignet (etwa wenn der Kontext nur schwer zu erfassen ist oder die Wortwahl sehr ungewöhnlich ist).

    Was die Angabe von Fehlern (Precision, Modellgüte, etc.) angeht, stimme ich natürlich völlig mit Ihnen überein! Eine Darstellung der Präzision des Modells sollte natürlich immer zwingender Bestandteil der Auswertung sein.

    Viele Grüße
    Dr. Robert Grünwald

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf marktforschung.de