Sein oder Nichtsein? Der Preis des Images

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftsforscher und Publizist
Von Oliver W. Schwarzmann
Image ist alles, das weiß jeder Filmstar, ist in einer Medienwelt das „Sein“ doch direkt gleichzusetzen mit „etwas darstellen“. Das Dasein hat dabei ganz und gar nichts mit der individuellen Existenz an sich zu tun, sondern knüpft sich an die Frage der Aufmerksamkeit. René Descartes (etwas kopflastiger) Grundsatz „Ich denke, also bin ich“ hat sich schon seit längerem verlagert zur Gewissheit: „Werde ich wahrgenommen, dann bin ich also“. Das Ich steht somit nicht für die Manifestation einer sich selbst bewussten Person, einer eigenen Identität. Und es ist auch nicht mehr das Produkt einer vor allem äußeren Wahrnehmung. Da sind wir schon ein Stück weiter als das, was noch für die Aufmerksamkeitsökonomie galt. Das Ich ist zum öffentlichen Potenzial gereift, zur Wertereflexion aus der Gunst des Umfelds. Kurz: Das Ich ist schon lange kein Ich mehr (oder war noch eines), es ist jedenfalls auch nicht mehr nur Wahrnehmung, das Ich ist Anerkennung.
Hier ist ein uralter psychologischer Mechanismus am Werk. Schon immer definierten sich Menschen durch ihre Stellung, ihr Prestige, ihren Namen. Was früher die Formel für Stammes- und Gesellschaftshierarchien war, ist heute reines Kapital. Mehr noch: Prominent zu sein, ist mehr wert als Geld, das belegen Studien.
Und ja, einen Namen zu haben, ist nicht nur ein Muss für Filmschaffende - oder Politiker, denn jede Wahl ist eine Persönlichkeitswahl -, sondern auch für Unternehmen. Gerade in einer Zeit, in der Firmenmarken nicht mehr ausschließlich durch bunte Signets und flotte Werbesprüche gestaltet werden, sondern per kolportierter Meinung im Netz ihren (wohl dann wirklichen Markt-)Wert erhalten.
Denn die Marketingmacht hat die Seiten gewechselt – kaum ein Unternehmen beeinflusst den Markt noch wirklich, und es verhält sich auch nicht nur umgekehrt. Nein, nunmehr hat jeder Kunde Öffentlichkeit. In den Online-Bewertungs- und Empfehlungsportalen werden Marken weggerückt von der üblichen marketingstrategischen Produktverheißung und müssen sich dem Votum der früher unbekannt gebliebenen, tatsächlich erlebten Nutzerrealität stellen. So manches Werbekonzept wird da schnell ad absurdum geführt und zur durchaus (manchmal) unterhaltsamen Alltags-Persiflage – man denke nur an die Spots der Fahrzeugindustrie, in welchen das angepriesene Automobil stets alleine auf den Straßen unterwegs ist. Wo bleibt da die beschworene Authentizität in Form eines reellen Wirklichkeitsbezugs?
Nun ja, das Marketing bietet nichts Geringeres, als die Chance auf Rückkehr ins Paradies. Freilich, die Werbung dient dem Ideal, nicht der Realität. Doch der Kunde lebt in seiner Wirklichkeit, kennt nach über 60 Jahren Marktwirtschaft alle Versprechen. Und hat nun per Netz die Möglichkeit, seine Realitätserfahrungen einer unbegrenzten Menge an Leser im wahrsten Sinne seines Wortes „kund“ zu tun. Der Kunde ist heute also nicht mehr (nur) Konsument von Vorteilsinszenierungen, sondern – im besten Fall ihr - Botschafter.
Und was erwartet Botschafter Kunde nun?
Hier haben die bisherigen Antworten immer noch Gültigkeit. Der Kunde kann Qualität nicht wirklich messen, mittlerweile zudem nicht mehr unterscheiden. Eigentlich folgt der Kunde zwischen allen Slogans nur einer definitiven Botschaft: Es geht immer besser, immer schneller und das immer billiger. Eine Folge des üblichen Wettbewerbsmantras. Zudem wird der Preis ja häufig genug als Lockmedium beschworen, für den Kunden also das offensichtlichste Orientierungsmerkmal. Und wer sich als Unternehmen über die Preishaltung des Kunden aufregt, sollte sich immer wieder vergegenwärtigen: „Geiz-ist-geil“ war eine Erfindung des Marketings, nicht des Marktes.
Zudem muss man sich ja fragen, weshalb Auszeichnungen, Preise und Testurteile einen derart hohen Stellenwert genießen.
Sind Marken so unglaubwürdig geworden, dass sie fremde Hilfe benötigen?
Und da wären noch die vielen Gefällt-mir-Klicks, Fans und Follower – wirkliche Gradmesser für die Attraktivität eines Unternehmens?
Nun da wird sich nach dem Bekanntwerden von gekauften Gefällt-mir-Angaben, Fans- und Follower-Zahlen (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/facebook436.html) sowie dem ADAC-Debakel einiges ändern – Lobpreisungen, wie das „Produkt des Jahres“ und all die „besten, beliebtesten und ausgezeichnetsten“ Varianten davon, werden sich, wenn auch seriös ermittelt, wohl entwerten.
Wie aber stärken Unternehmen dann ihre Marken, ihr Image?
Gerade in Zeiten der Marketingmachtumkehr, der totalen Vergleichbarkeit, der Fülle an Leistungs- und Qualitätsbekundungen und in welchen sich jeder bekanntlich absolut kundenorientiert gibt?
Wem oder was kann man noch trauen?
Eine Marke ist grundsätzlich eine Metapher auf die Philosophie des Unternehmens. Auf seinen Charakter, seine Haltung und Zukunftsvision.
Eine Marke ist aber auch das Bild, das der Kunde mit ihr verbindet.
Deshalb benötigen Marken beziehungsweise ein Image auch klare Botschaften, emotional, ehrlich, authentisch. Dazu ungewöhnlich, anders, besonders.
Unternehmen treten dabei aus ihrer Institutionalisierung und Konzernhaftigkeit heraus, werden zu Persönlichkeiten. Und agieren mit der gleichen zwischenmenschlichen Verantwortung.
Was Persönlichkeiten stark, außergewöhnlich und anziehend macht, ist ihre Souveränität, ihre Integrität, ihr Standpunkt und ihr Verantwortungsbewusstsein. Und die Menschen, die ihnen vertrauen.
Was Unternehmen also letztlich ebenso stark macht, sind dieselben Eigenschaften. Und die Loyalität von Mitarbeitern und Kunden. Gleichermaßen; denn es gibt keinen Unterschied zwischen intern und extern, die Wahrheit der Botschaft muss für alle und jeden gelten.
Wie erreicht man nun die Loyalität von Mitarbeitern und Kunden?
Ich glaube - durch ihre Anerkennung, ihre Bewunderung.
Unternehmen sollten sich also fragen: Was ist an uns bewundernswert?
Die Antwort darauf ist die Botschaft ihrer Marke.
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