Schöpferkraft - 7 Erfolgsfaktoren der richtigen Marktforschung zur Entwicklung und Absicherung von Innovationen
Dauerhaft erfolgreiche Marken brauchen überlegene Substanz und Mehrwert, um das zu erreichen, was am Ende des Tages zählt: Höhere Verkaufspreise bzw. höhere Renditen als die Mitbewerber. Dafür sind kontinuierliche Innovationen im Leistungsangebot, begleitenden Dienstleistungen oder im Marketing unverzichtbar.
Dabei tun sich die Unternehmen offensichtlich schwer: Nach einer aktuellen Studie führt nur jedes 16. Innovationsprojekt in Deutschland zu einem Markterfolg. Hauptgründe dafür sind mangelnde Marktanalysen bzw. fehlende Kundenorientierung. Innovationen gehen offensichtlich häufig im Spannungsfeld zwischen technikgetriebenen Ideen und Ausrichtung am späteren Kundennutzen unter. So verwundert es auch nicht, dass es laut einer aktuellen Studie keinen Zusammenhang zwischen F&E Ausgaben und Gewinn gibt. Ein Beispiel dafür ist die technische Entwicklung der mp3 Technologie im Fraunhofer Institut in Deutschland und deren (geniale) Vermarktung in Form des iPods durch Apple in den USA. Das F&E Investment wurde in diesem Fall in Deutschland getätigt, die Gewinne von Apple in den USA "eingestrichen".
Die richtige Marktforschung kann dabei helfen, dass die richtigen Innovationen entwickelt und dann auch tatsächlich zu Markterfolgen werden. Dabei ist es wenig hilfreich, einen Widerspruch zwischen Kreativität einerseits und Absicherung durch Marktforschung andererseits zu kultivieren. Ideenfabriken wie Procter & Gamble zeigen durch intensiven Einsatz von Marktforschung im Innovationsprozess, dass die Praxis anders aussieht. Marktforschung muss „nur“ richtig eingesetzt werden. So kommt es beispielsweise darauf an, die richtigen (potenziellen) Kunden zu Innovationen zu befragen. Nach allen unseren Erfahrungen lassen sich die Regeln erfolgreicher Marktforschung für Innovationen auf 7 Erfolgsfaktoren verdichten.
1. Geschwindigkeit: Beziehen Sie möglichst frühzeitig Kunden und Marktexperten ein.
Leider machen wir immer wieder die Erfahrung, dass Innovationen (wenn überhaupt) erst dann abgeprüft werden, wenn sie fertig entwickelt sind. Es mangelt offensichtlich an Mut, neue Ideen frühzeitig dem Urteil des Kunden zu stellen. Offensichtlich sind insbesondere die Väter technikgetriebener Innovationen so in ihre Ideen verliebt, dass sie sich diese nicht von Kunden oder Marktexperten „kaputt machen lassen wollen“. Darüber hinaus wissen wir beispielsweise aus vielen Marktforschungsprojekten für Innovationen in der Medizintechnik, dass insbesondere deutsche Techniker zum Overengeneering neigen. Die Aufladung neuer Produkte mit einer Vielzahl an Funktionen ist in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv: Sie kostet Zeit, Geld und schafft negativen Kundennutzen, indem sie Kunden verwirrt bzw. mit Funktionen konfrontiert, die keinen Nutzen bieten.
Um dies zu vermeiden, sollten Innovationen möglichst simultan mit Kunden bzw. Endkunden entwickelt werden. Ideal ist es, zu diesem Zweck ein geeignetes Projektteam aus Mitarbeitern zusammenzustellen, das mit verbindlichem Timing die Entwicklung und Markteinführung einer Innovation begleitet. Dabei sollte immer der Kundennutzen und damit folgende Fragen im Mittelpunkt stehen: Welche Kundenbedürfnisse werden angesprochen? Werden Kundenprobleme gelöst oder Kundenerlebnisse geschaffen? Nur wenn dies der Fall ist, lohnt es sich, in die entsprechenden Richtungen weiterzudenken.
2. Stellen Sie die richtigen Fragen
Bevor Sie mit der Marktforschung im Innovationsprozess beginnen, sollten Sie in Ihrem Projektteam gemeinsam die Fragestellungen abstimmen und präzise formulieren, um die es geht. Nach unserer Erfahrung dreht sich die Marktforschung dabei um die folgenden Fragestellungen:
- Bietet die Innovation einen klaren Kundennutzen? Worin besteht er? Gibt es bereits etwas Ähnliches? Worin besteht der Wettbewerbsvorteil? Sind alle technischen Funktionen sinnvoll? Schafft die Innovation ein besonderes Kundenerlebnis, das in dieser Form bisher nicht geboten wird?
- Passt die Innovation zum jeweiligen Unternehmen? Stärkt sie die Wahrnehmung des jeweiligen Unternehmens? Zahlt sie auf die Marke ein?
Ziel sollte es dabei sein, gemeinsam im Projektteam maximal 10 präzise Fragestellungen zu erarbeiten. Um bei der Beantwortung dieser Fragen alle Möglichkeiten zu nutzen und die Identifikation mit den Ergebnissen zu erhöhen, sollten die verabschiedeten Fragestellungen zum einen intern durch ausgewählte Mitarbeiter beantwortet werden, zum anderen Grundlage des Briefings eines externen Marktforschungsdienstleisters sein.
3. Beziehen Sie eigene Mitarbeiter in die Marktforschung ein
Der übliche Weg bei der Durchführung von Marktforschung besteht darin, die Projekte an einen externen Dienstleiter zu vergeben, der dann Kundenbefragungen organisiert. Wir plädieren für einen "doppelten Weg": Verwenden Sie die formulierten Fragestellungen zum einen als Briefing für ein Marktforschungsinstitut. Zum anderen sollten Sie diese Fragestellungen ausgewählten Mitarbeitern mit der Aufgabenstellung geben, diese aufgrund eigener Erfahrungen, Recherchen und Kundengespräche zu beantworten. Zu diesen "ausgewählten Mitarbeitern" gehört selbstverständlich auch der "Chef". Ohne das Commitment des Managements kriegen Sie eine Innovationsentwicklung, die sich tatsächlich an Kundenanforderungen orientiert, nicht hin.
Die Integration ausgewählter Mitarbeiter in die Marktforschung hat zwei Vorteile:
- Sie sensibilisiert Mitarbeiter für die Themen "Kundenanforderungen, Kundenbedürfnisse, Kundenakzeptanz".
- Sie tragen auf diese Weise wichtige Erkenntnisse und Anregungen zur kundenorientierten Entwicklung und Innovation aus interner Sicht zusammen.
Um die Eigenrecherche effizient zu gestalten, könnten Sie Hinweise auf die Vorgehensweise bei der Beantwortung der gestellten Fragen geben: So können die Mitarbeiter Gespräche mit ausgewählten Kunden führen, im Internet recherchieren oder auch Experten befragen.
Die Zusammenfassung und Strukturierung der Ergebnisse dieser Gespräche können Sie dann entweder selbst durchführen oder einem Marktforschungsinstitut überlassen, das diese Ergebnisse dann in die Ergebnisse der gesamten Marktforschung integriert.
4. Nutzen Sie das Internet
Wirksame Marktforschung darf sich – gerade wenn es um das Thema Innovationen geht – nicht eindimensional auf die Abfrage bzw. den Test der Kundenakzeptanz beschränken. Das Internet bietet beispielsweise die Möglichkeit, potenzielle Innovationen im direkten Dialog von Kunden bewerten zu lassen. Google beispielsweise nutzt die Ideen seiner kreativen User geschickt. Auf der Website Google Labs präsentiert das Unternehmen ausgewählte "Lieblingsideen", die noch nicht für die Markteinführung bereit sind. Auf dieser "Spielwiese für neue Technologien" werden User gebeten, Feedback und Kommentare abzugeben und dadurch dabei zu helfen, die Ideen weiter zu verbessern. Diesem Vorbild folgend könnten Unternehmen eigene Diskussionsforen ("Labs") etablieren, um potenzielle Innovationen und Verbesserungen im direkten Dialog mit Kunden weiter zu entwickeln.
Zusätzlich sollte ein kontinuierliches Monitoring des Internets mit den Keywords erfolgen, die "rund um die geplanten Innovationen" relevant sind. Auch bei der Aufbereitung dieser Informationen kann wiederum ein externer Marktforschungsdienstleister hilfreich sein.
5. Befragen Sie nicht nur Kunden, sondern auch Experten
So ergiebig und aktuell das Internet bei der Bewertung von Innovationen auch sein mag, es ersetzt nicht persönliche Gespräche und Interviews. Hier muss die Marktforschung umdenken: Gerade bei der Absicherung von Innovationen ist es nicht ausreichend, sich auf Interviews, Fokusgruppen oder Tests mit potenziellen Kunden zu beschränken. Vielmehr sollten zusätzlich auch "Experten" konsultiert werden. Mögliche Experten wiederum können in der heutigen Zeit durch das Internet ohne großen Aufwand herausgefunden ("ausgegoogelt") werden. Darüber hinaus ist es ganz entscheidend, auch das eigene Netzwerk einzubeziehen. Neben Kunden, zu denen ein guter Draht besteht, können dies auch ausgewählte Lieferanten oder Vertriebspartner sein.
6. Befragen Sie nur die Kunden, die zu potenziellen Innovationen tatsächlich etwas sagen können und wollen
Bevor wir beim nächsten Punkt auf die sinnvollen Maßnahmen "klassischer" Marktforschung zur Absicherung von Innovationen zu sprechen kommen, muss die Frage geklärt werden, wer befragt werden soll. Dabei gelten zum einen selbstverständlich klassische Filterkriterien wie z.B. Alter, Geschlecht, Produktaffinitäten, Branche (bei gewerblichen Kunden), etc. Darüber hinaus sollten die im ersten Schritt zu befragenden Kunden dadurch gekennzeichnet sein, dass sie zu der geplanten Innovation auch tatsächlich etwas sagen können und wollen. So macht es keinen Sinn, beispielsweise bei der Einführung eines neuen Lichtsystems oder Antriebs bei einem Fahrzeug Personen zu befragen, die mit diesen Themen "nichts am Hut haben" oder zu wenig Zeit und Muße haben, dazu etwas zu sagen. Durch die Befragung besonders involvierter Kunden gelingt es im ersten Schritt in jedem Fall deutlich besser, wichtige Anregungen für potenzielle Innovationen zu gewinnen. In einem zweiten Schritt kann dann selbstverständlich auch (je nach Themenstellung) der gesamte Markt "repräsentativ" befragt werden.
7. Stellen Sie möglichst reale Testsituationen her
Gerade bei der Beurteilung potenzieller Innovationen in verschiedenen Entwicklungsstadien ist es wichtig, potenzielle Kunden tatsächlich in Kontakt mit den Innovationen zu bringen. Als Beispiel lässt sich hier die "Ideenfabrik" Procter & Gamble anführen, die kontinuierlich die folgenden Marktforschungsmethoden zur Inspiration und Bewertung möglicher Innovationen im Einsatz hat:
- Kundenworkshops (Focus groups, Kundenkonferenzen, Brainstorming-Workshops)
- Test User Panel
- Aufbau eigener Test Center bzw. Home Labs
Auch dazu kann selbstverständlich ein externer Marktforschungsdienstleister herangezogen werden.
Ausblick
Unternehmen mit starken Marken wie Procter & Gamble, Audi oder auch Apple zeigen, dass Innovationen eine kontinuierliche Herausforderung sind, um die Substanz und Strahlkraft von Marken zu erhalten. Voraussetzungen dazu sind die 7 ausgeführten Regeln "innovativer Marktforschung" und "schöpferische Chefs" wie beispielsweise Richard Branson von Virgin, die innovatives Denken und Handeln vorleben.
Der Autor:
Dr. Konrad Weßner, Dipl. Kaufmann und Spezialist für Marktforschung und damit verbundene Strategie- und Marketingberatung. Studierte an der Universität Erlangen-Nürnberg Betriebswirtschaft, promovierte am Lehrstuhl für Marketing der Universität Bamberg zum Thema Strategische Marktforschung. Baute dann bei einer international tätigenUnternehmensberatung den Bereich Strategieberatung auf. Seit 1991 ist er Geschäftsführer und Inhaber der puls Marktforschung GmbH in Schwaig bei Nürnberg. puls hat sich auf Marktforschung und Beratungsleistungen in denBereichen Markenstrategie und Vertrieb spezialisiert.
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