Wahlforschung Saarland - die erste Herausforderung im Wahljahr 2022

Für Tobias Hans (CDU) verlief die Wahl deutlich schlechter als für die beteiligten Demoskopen. Die Forschungsgruppe Wahlen liefert eine hervorragende Wahlvorhersage (Bildnachweis: picture alliance/dpa | Uwe Anspach).
Ein Sextett oder Duett?
Eine der größten Herausforderungen bei Vorwahl-Umfragen ist die Vorhersage, ob eine Partei überhaupt in das Parlament einzieht. Schafft die Partei die Fünf-Prozent-Hürde oder scheitert sie daran? Als Institut legt man sich im Vorfeld fest, auch wenn man sich dabei relativ unsicher ist.
Im Saarland gab es im Vorfeld nur zwei Parteien, von denen die Demoskopen sicher sein konnten, dass sie im Landtag vertreten sein werden: Die SPD und die CDU. Alle anderen Parteien lagen in Vorwahlumfragen nahe der Fünf-Prozent-Hürde, wobei die Linke mit vier Prozent noch am weitesten von ihr entfernt rangierte. Bei AfD, Grünen und FDP gingen die vier beteiligten Institute von einem knappen Einzug in den Landtag aus. Die möglichen Auswirkungen einer solchen Situation auf das Wahlverhalten beschrieb Jana Faus am Freitag noch in ihrer Kolumne: "Duett oder Sextett – wie viele Stimmen singen das Saarlandlied?".
Saarländer sind vergleichsweise selten anzutreffen
Um so größer die Stichprobe, desto kleiner das Konfidenzintervall, d. h. um so zuverlässiger das Ergebnis. Eine Aufstockung der Stichprobe kostet aber Geld.
In einem Bundesland wie Nordrhein-Westfalen kann eine Stichprobe relativ einfach und günstig aufgestockt werden, weil dort sehr viele Menschen leben. In Online-Access-Panels sind Saarländer aber genauso wie Bremer und Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern relativ rar gesät. 1,18 Prozent der Deutschen leben im Saarland, darunter befinden sich ungefähr 800.000 Wahlberechtigte.
Hat ein Institut also ein Panel mit 100.000 aktiven Mitgliedern zur Verfügung, dann kann es gerade einmal 1.180 im Saarland Wohnende befragen - eine Teilnahmequote von 100 Prozent vorausgesetzt. Dies ist jedoch selbst bei sehr guten Panels unrealistisch. Bei einer immer noch hohen Teilnahmequote von 50 Prozent im Panel blieben 590 Personen übrig. Zieht man die 20-30 Prozent Unentschlossenen im Vorfeld ab, wird das verbleibende Sample immer kleiner. Eine ähnliche Rechnung ließe sich leicht für die Teilnahme an telefonischen Interviews ausmachen.
Die Forschungsgruppe mit der besten Vorhersage, dicht dahinter Civey
Vor diesem Hintergrund befindet sich die Vorhersagequalität der vier Vorwahl-Umfragen insgesamt erfreulich nahe dran am Wahlausgang. Alle Institute haben die SPD deutlich vor der CDU gesehen. Alle waren sich einig, dass die vier anderen Parteien es schwer haben werden, in den Landtag einzuziehen.
Die Forschungsgruppe Wahlen erzielt mit einer quadrierten Abweichungssumme kleiner als 10 die beste Vorhersage. Das ist auch im Vergleich zu anderen Landtagswahlen eine sehr gute Leistung. Wermutstropfen bleibt lediglich, dass das Institut sowohl die Grünen als auch die FDP im Landtag gesehen hat. Das ist bei der Prognose von Civey nicht viel anders, bei der die Grünen sogar noch etwas stärker abschnitten, aber die Differenz zwischen CDU und SPD kleiner war.
INSA und Infratest Dimap liegen dagegen etwas schlechter mit ihren Prognosen. Vermutlicher Grund: Ihre Vorhersagen waren elf beziehungsweise zwölf Tage vor der Wahl aus dem Feld, sodass beide Häuser die Wählerbewegungen im Schlussspurt nicht mehr genau erfasst haben dürften.
Fazit: Auch die Herausforderung Saarland hat die Demoskopie professionell gemeistert. Insgesamt war die Saarland-Wahl ein guter Start ins Wahljahr 2022.
Hinweis der Redaktion:
1) In einer früheren Version stand, dass die Konfidenzintervalle bei kleinen Anteilswerten breiter sind als bei größeren Anteilswerten. Dies ist nicht richtig und wurde geändert.
2) Die Civey-Umfrage wurde im Rahmen eines Spiegel-Plus Artikels "Angst vor dem Saar-Sog" vom 24. März erwähnt. Die genauen Zahlen lagen der Redaktion am 25. März vor.
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