Rolle der Marktforschung bei der Prozessoptimierung in Versicherungsunternehmen

Köln - Das Thema Prozessoptimierung ist für Versicherungsgesellschaften eine ständige Herausforderung. Erfolgreich und zukunftsfähig bleibt unter intensiven Wettbewerbsbedingungen nur, wer seine Geschäftsprozesse über die gesamte Kette der Leistungserstellung effizient gestaltet, regelmäßig überprüft und konsequent optimiert. Einher geht dies mit der Erfordernis ständiger organisationaler Veränderungsprozesse, die ein professionelles Prozess- und Veränderungsmanagement erfordern. Doch was sind die zentralen Themen, Konzepte und Stellschrauben für die Prozessoptimierung in der Assekuranz? Welche Reifegrade und welche Erfolgstreiber zeigen sich im Prozessmanagement? Und welche Rolle spielt in diesem Kontext die Marktforschung?

Solche und weitere Fragen untersucht die Expertenstudie „Prozessoptimierung in der Assekuranz 2014“ von Heute und Morgen, den Versicherungsforen Leipzig sowie der Unternehmensberatung consultingpartner. Über 30 leitende Unternehmensvertreter aus den Bereichen Unternehmenssteuerung, Betriebsorganisation, Marktforschung, Vertrieb und Personal (80% Marktabdeckung; Mischung unterschiedlicher Unternehmensgrößen und Geschäftsformen) sowie Wissenschaftler und Berater wurden in einem mehrstufigen Befragungsprozess zu insgesamt 18 Kernthemen der Prozessoptimierung und des Prozessmanagements befragt.

Als ein übergreifendes Ergebnis zeigt die Studie, dass das Prozessmanagement in den Versicherungsunternehmen derzeit sehr unterschiedliche „Reifegrade“ aufweist; sowohl hinsichtlich der Kernprozesse und des Ablaufs von Prozessoptimierungen, teils aber auch bezogen auf die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Beteiligten bzw. der verschiedenen Abteilungen. Das Gesamturteil der Experten für die Branche lautet „ordentlich“ bis „gut“. Luft nach oben gibt es also ausreichend, so dass es sich lohnt, die Prozessoptimierungsprojekte in der Assekuranz selbst weiter zu hinterfragen und zu verbessern.

Mit Blick auf die spezielle Bedeutung der Marktforschung für die Prozessoptimierung in der Assekuranz wurden drei Kernfragen aus Expertensicht beleuchtet: 1. Wie kann Kundenzufriedenheit als Ziel der Prozessoptimierung instrumentalisiert werden? 2. Welche Rolle sollte die Marktforschung bei der Festlegung und Überprüfung von Prozesszielen einnehmen? Und 3. Wie viel an Marktforschung bedürfen und erfordern Produktentwicklungsprozesse? 

Generell messen die Experten der Verbesserung der Kundenzufriedenheit als Ziel der Prozessoptimierung in der Assekuranz wachsende Bedeutung zu. Befürwortet wird daher auch die gehaltsrelevante Verzielung von Kundenzufriedenheit auf oberster Managementebene, da erst eine solche die Kundenorientierung in der Prozessoptimierung der gesamten Organisation fördert. Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Bedeutung globaler und unmittelbar anlass- bzw. prozessbezogener Kundenbefragungen. Während nur erstere übergreifende Erfolgstreiber identifizieren können und die Bedeutung der Kundenorientierung im Gesamtunternehmen verankern, vermögen erst letztere die für Prozessoptimierungen erforderlichen detaillierten und feingliedrigen Informationen zu liefern. Beide Ansätze sollten aus Expertensicht in Zukunft noch besser integriert werden. Zudem bedürfen die Ergebnisse aus Kundenbefragungen häufig einer noch stärkeren Aufmerksamkeit des Managements, um nachhaltig umgesetzt zu werden und nicht in der Organisation zu „versickern“.

Grundsätzlich können Kunden- und Vertriebspartner-Befragungen aus Expertensicht wichtige Erkenntnisse über die Stärken und Schwächen der Versicherungsunternehmen und relevante Optimierungspotenziale und Stellschrauben aufzeigen. Da diese allerdings häufig im Widerspruch zu wichtigen anderen Zielen, wie z. B. „Kosteneffzienz“, stehen können, wird bei der Prozessoptimierung in der Assekuranz bisweilen noch ganz auf Marktforschung verzichtet, oder es werden ausschließlich Ergebnisse kommuniziert, die im Einklang mit aus der reinen Innenperspektive betrachtet wichtigeren Prozesszielen stehen („Alibi-Marktforschung“). 

So aber bleiben wichtige Teile der Unternehmensrealität ausgeblendet, widersprechende Zielsysteme bleiben unvermittelt und das wichtige Feedback der Kunden und Vertriebspartner zur Qualität der Kunden- und Kernprozesse und für die Erarbeitung adäquater Service Level Agreements bleibt unberücksichtigt.

Im Ganzen zeigt sich die Marktforschung bei Prozessoptimierungen in der Assekuranz oft noch als wenig eigenständig institutionalisiert und abhängig von einzelnen prozessbeteiligten Personen. Lediglich einzelne Versicherungsunternehmen beziehen ihre Marktforschung bzw. die Marktsicht bereits obligatorisch in jedes kunden-/kernprozessbezogene Optimierungsprojekt mit ein. Dies sollte aus Expertensicht jedoch keine Ausnahme bleiben, zumal der Kundenfokus bei Prozessoptimierungen in der Assekuranz zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Obwohl unter den befragten Experten große Einigkeit über die wichtige Rolle der Marktforschung in der Produktentwicklung herrscht, sieht die Realität in der Assekuranz vielerorts anders aus. Erstaunlicherweise kommt die Marktforschung bei der Ideengenerierung als Ausgangspunkt von Produktentwicklungsprozessen – und eigentlich einem klassischen Feld der Marktforschung – bisher kaum zum Zuge. Produktideen kommen meist aus internen Fachbereichen des Unternehmens oder entstehen aufgrund neuer gesetzlicher Anforderungen. Der Innovationsgrad neuer Versicherungsprodukte bleibt so oft überschaubar. Die Experten plädieren hier für einen stärkeren Blick über den eigenen Tellerrand.

Verwiesen wird z. B. auf die Konsumgüterbranche, in der die Endkunden über „Crowd Sourcing“ sehr erfolgreich in die Ideenentwicklung eingebunden werden. Aber auch in der Phase des Produktlaunchs wird noch zu selten auf Marktforschung zurückgegriffen. Beispielsweise in Form von Akzeptanz- und Potenzialtests, um frühzeitig Akzeptanzhürden bei den Kunden oder Bekanntheits- und Verständnisprobleme im Vertrieb zu erkennen. Mitarbeiter aus dem Bereich Marktforschung sollten daher von Anfang an als „Sparringspartner“ und Berater in die Produktentwicklung eingebunden werden. Zugleich stehen auch die betrieblichen Marktforscher in der Pflicht, sich im Bereich Produktentwicklung zu positionieren und die Mehrwerte der zahlreichen, manchmal aber kaum bekannten methodischen Möglichkeiten der Produktmarktforschung im Hause zu etablieren.

Insgesamt zeigt die Expertenstudie: nachhaltige Prozessoptimierung in der Assekuranz kann nur über eine integrierte Innen- und Außensicht, bzw. über den Weg der systematischen Verknüpfung der Perspektiven von Unternehmen, Vertrieb und Markt und den zugeordneten Abteilungen gelingen. Hier besteht oft Nachholbedarf. Grundlegend sind nicht zuletzt eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen und der regelmäßige Blick über Unternehmens- und Abteilungsgrenzen hinaus.

Zur Studie: Der an der „Delphi-Methodik“ orientierte Analyseansatz der Expertenstudie „Prozessoptimierung in der Assekuranz 2014“ umfasst mehrere Befragungs- und Analysestufen und erstreckte sich über einen Gesamtzeitraum von mehr als einem Jahr. Im ersten Schritt wurden Anfang Juli 2013 persönliche Experteninterviews mit Unternehmensvertretern vor Ort durchgeführt, um grundlegende Perspektiven zu erfassen und zentrale Aussagen zu verdichten. In der anschließenden Phase wurde eine Diskussionsplattform in Form einer Online-Community gebildet und gemeinsam mit den Experten erste Kernthesen diskutiert. Daraufhin folgte eine Schärfung über eine quantitative Online-Befragung. Anschließend erfolgten zusätzliche Interviews mit Experten aus Wissenschaft und Fachmedien. Ende 2013 fand ein abschließender Experten-Workshop bei den Versicherungsforen Leipzig statt, bevor die Ergebnisse im Ganzen gegliedert, verdichtet und zum ausführlichen Studienreport aufbereitet wurden.

ah

 

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