Hartmut Scheffler, Berater für Marktforschung und Markenführung ROI der Marktforschung? - Mehr Selbstbewusstsein!

RoI – Zahlen sich CX, UX und Marktforschung aus? Das war der Titel des letzten Dossiers im vergangenen Jahr. Und nun der Versuch von Hartmut Scheffler, dieses Dossier und die dazu gelieferten Artikel zusammenzufassen und zu kommentieren. Es zeigt sich: Selbstbewusstsein statt Selbstzweifel wäre angebracht. Häufig ist ein RoI der Marktforschung direkt messbar, fast immer aber ein relevanter Impact.

Die Marktforschung sollte eigentlich selbstbewusst in Auseinandersetzungen um den RoI gehen, schreibt Hartmut Scheffler (Bild: picture alliance / Zoonar | Svyatoslav Lypynskyy).

Eine erste Positionsbestimmung

Wer die Artikel liest, wird einen Eindruck nicht los: Sorry. So richtig klappt das mit dem exakt berechenbaren RoI nicht. Und das scheint schlimm zu sein! Vielleicht gab es deshalb auch so wenige Beiträge wie selten bei einem Dossier? Trauen wir uns keine klaren Statements und Aussagen zu?

Meine Meinung: mehr Selbstbewusstsein! Nicht selten liefert Marktforschung sogar einen exakt berechenbaren ROI. Und wenn nicht, dann hat es gute Gründe. Und vor allem:

Gründe, den Wert von Marktforschung, nennen wir es: den IMPACT von Marktforschung nicht infrage zu stellen.

Warum glaube ich das?

Nehmen wir einmal an, der RoI lässt sich häufig wirklich nicht exakt berechnen. Wäre das so ungewöhnlich? Die Marktforschung ist in bester Gesellschaft:

  • Lässt sich der RoI von Unternehmensberatung exakt berechnen?
  • Lässt sich der RoI der Kreativleistung der Kreativagenturen exakt berechnen?
  • Und wie ist es beim RoI der Mediaagenturen und deren Mediaplanung?

Hand aufs Herz: wir alle und vor allem auch die Auftraggeber wissen doch, warum dies so ist und nicht anders sein kann (zu Ausnahmen komme ich später). Weil Empfehlungen gut oder schlecht umgesetzt werden können. Weil Konkurrenten so oder so agieren oder reagieren können. Weil Ceteris Paribus - Annahmen etwas für die Theorie, selten für die Praxis sind.  Weil es viele kontrollierbare und noch mehr nicht kontrollierbare Einflussfaktoren und Interkorrelationen gibt. Weil es komplex ist. Holger Geißler hat dies in seinem Editorial klargemacht.

Gute Beispiele für den Wert von Marktforschung

Was ist der Wert von neuen Erkenntnissen und erweitertem Wissen? Was ist der ROI eines zusätzlichen Data Analysten? Was hätte Nichtwissen, eine ausbleibende Optimierung gekostet (negativer RoI)?

Wir wissen, dass wir dies nicht wissen. Aber wir wissen auch, dass gut gemachte Marktforschung Erkenntnisse zu Zusammenhängen liefert, bessere von schlechteren Lösungen unterscheiden hilft und vieles mehr - sich rechnet.

Dazu liefert das Dossier eine kleine Auswahl von Beispielen:

Der ROI von Marktforschung – es gibt ihn

Alles Beispiele, die den Wert der Marktforschung begründen und einen positiven Impact unterstreichen.

Mehr Selbstbewusstsein? Stellen wir doch die Frage des Dossier etwas weiter.

Zahlen sich Markenforschung (Positionierung, Segmentierung, Personas), Kommunikationswirkungsforschung (Pretesting, Tracking, Touchpoint Management, Allokationsoptimierung), Produktforschung (Packung, Geschmack) oder Innovationsforschung (neue Ideen, neue Produkte) aus? Zahlt sich Marktforschung zu operativen Fragestellungen, zahlt sich Marktforschung zu strategischen Fragestellungen des Marketings und der Markenführung aus?

Wenn wir so breit nachdenken, dann stellen wir fest, dass bei der Beantwortung operative Fragestellungen und strategische Fragestellungen zu unterscheiden sind. Bei den oft einfachen, oft mit A/B - Testing oder experimentellen Ansätzen gelösten – Fragestellungen aus dem operativen Bereich gibt es zahlreiche Beispiele eines berechenbaren ROI. Surprise, Surprise!

  • Da wird ein Text für Direkt-Marketing optimiert, und der CpC oder CpO (Cost per Contact, Cost per Order) sinkt in einer berechenbaren Weise. Kosten und Nutzen der Marktforschung sind exakt berechenbar.
  • Da wird eine Verpackung optimiert, und alle anderen Variablen (zum Beispiel Preis) bleiben unverändert. In der Regel steigt der Absatz, der ROI ist berechenbar.
  • Da werden Preisschwellen- und Preisakzeptanzstudien gemacht, Preisabsatz - Funktionen berechnet… und in der Realität durch das geänderte Kaufverhalten und die höheren Erlöse messbar.
  • Da werden Abo-Modelle optimiert (zum Beispiel von Einzelkosten zu Bundling Angeboten) und der Erfolg ist direkt messbar.
  • Da gibt es immer mehr Modelle zur Optimierung der Kommunikations-Touchpoints und zur Allokationsoptimierung: also die gleiche Leistung für weniger Geld oder mehr Leistung für das gleiche Geld. ROI: berechenbar!

Weitere Beispiele sind willkommen!

Impact statt ROI

Ein erstes Argument für mehr Selbstbewusstsein ist damit der Hinweis, dass es sehr wohl eine Menge von Forschungsansätzen mit berechenbarem ROI gibt.

Schaut man dann in Richtung der strategischen Fragestellungen, ist dies anders.  Das ist (Gründe siehe oben) allein durch die Komplexität nachvollziehbar.

Aber haben denn wirklich nennenswert viele und relevante Player im Markt Zweifel, dass sich optimierte Markenführung auf Basis von Marktforschungserkenntnissen rechnet?

Dass Customer Centricity Umfragedaten benötigt?

Dass Marktforschungsstudien eine deutliche Unterstützung in Richtung Positionierung und Marken-Differenzierung liefern?

Kurz: dass Marktforschung Impact liefert?

Besser: dass qualitativ gut gemachte Marktforschung Impact liefert?

Ich habe den Eindruck, dass wir uns das Problem manchmal selbst einreden. Und uns dann, wenn es uns entgegenschallt, über die Selbsterfüllende Prophezeiung wundern.

Die Mär vom Bauchgefühl

Eine Gruppe gibt es, die nicht zu verschwinden scheint: die bauchgetriebenen Besserwisser. Deren Argument: Ich brauche keine Daten, ich habe schließlich Erfahrung, gesunden Menschenverstand und Bauchgefühl. Herzlichen Glückwunsch!

Das stimmt, aber nur manchmal - bei neuen Produktideen, kreativen Problemlösungen. Wenn es dann aber um die Hausaufgaben der Markenführung und des Marketings geht, um Kommunikation, UX und CX: dann kenne ich viele Beispiele gut gemachter marktforschungsbasierter Lösungen. Wo sind die Beispiele der rein erfahrungs- und bauchgetriebenen Erfolgsmarken? Und vor allem: wie oft war Beratungsresistenz die Ursache für Flops und Pleiten!

Voraussetzung: Qualität

Alle Überlegungen unterstellen eines: qualitativ hochwertige Marktforschung, geeignete und valide Lösungsansätze für die Problemstellungen. Keine nicht-validen Daten, keine ungeeigneten oder falschen Stichproben, keine methodischen Fehler.

Schlechte Marktforschung kann zu falschen Entscheidungen führen und dann ist ein ROI weit weg. Aber das wussten wir auch vorher und das gilt im Zusammenhang mit immer neuen Methoden und KI-getriebenen Versprechen mehr denn je. (Ist aber übrigens bei Kreativagenturen, Mediaagenturen, Unternehmensberatern genauso).

Eine optimistische Zusammenfassung

Die Frage und Suche nach dem ROI sind natürlich legitim.

Die Frage und Suche nach dem ROI sind hilfreich, weil sie die Ausrichtung von Forschung zumindest am Impact fordert und fördert.

Die Frage und Suche nach dem ROI sind hilfreich, weil nur so viele gute Argumente gefunden und bewusst gemacht werden können.

Die Frage und Suche nach dem ROI sind hilfreich, weil sie mit Blick auf die Marktforschungspraxis eine Menge Selbstbewusstsein erlaubt.

Manchmal können wir den ROI wirklich berechnen. Manchmal gibt es (marktforschungsgefütterte) KPIs zur Erfolgsmessung (Werbewirkung, CX). Oft müssen wir uns vom RoI-Gedanken entfernen. Vor allen, dass wenn das zu lösende Problem vielschichtig ist. Ersetzen wir den RoI dann bitte durch „Relevanz“ und „Impact“.

Wir haben viele gute Argumente, bei operativen wie bei strategischen Fragestellungen von einem eindeutigen Nutzen auszugehen.

Gute Forschung liefert einen ROI – wir wissen nur oft nicht genau, wie hoch er ist.

Selbstbewusstsein ist erlaubt.

 

Über die Person

Hartmut Scheffler ist Diplom-Soziologe und Stadt –, Raum – und Regionalplaner. Von 1980 an in der Marktforschung tätig, seit 1990 bis 2020 Geschäftsführer des Emnid Institutes Bielefeld, später TNS Emnid, dann TNS Infratest, Kantar TNS, Kantar Deutschland. Mitglied in verschiedenen Beiräten und Branchenverbänden, unter anderem ADM (12 Jahre Vorstandsvorsitzender, seit 2021 Ehrenmitglied), BVM (dort 2009 als Forscherpersönlichkeit des Jahres geehrt). Seit Juli 2020 im Ruhestand, seit Januar 2021... mehr

Diskutieren Sie mit!     

  1. Stephan Teuber am 26.01.2023
    Eine glänzende Re- und Dekonstruktion eines Branchendiskurses, den wir - wie Herr Scheffler schreibt - selbstbewusst endlich hinter uns lassen sollten. Vielen Dank!
  2. Jan Strasser am 26.01.2023
    Vielleicht ist die Frage nach dem ROI bereits im Ansatz falsch. Marktforschung benötigt ein Unternehmen überall dort, wo Kundenwissen erforderlich ist, um eine bestimmte Arbeit in der nötigen Qualität auszuführen. Sei dies ein Produktkonzept, eine Markenstrategie, eine Werbekommunikation oder irgend eine andere Arbeit.
    Niemand würde auf die Idee kommen, einen Marketingmanager nach dem ROI seiner Datenanalyse zu fragen, die er ja ganz selbstverständlich vornimmt, bevor er eine neue Kampagne entwickelt.

    Marktforschung dient der Arbeitsqualität einer Firma und nicht deren Anlagerendite.

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