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Richard Hilmer: "Die Institute müssen proaktiv Vertrauen durch mehr Information und ein Maximum an Transparenz schaffen"
Die Frage, welches Image die Marktforschung in der Bevölkerung hat, beschäftigt die Branche stets aufs Neue. So hat sich Infratest dimap erst kürzlich in einer Umfrage mit der öffentlichen Wahrnehmung der Meinungsforschung beschäftigt und kam dabei zu einem durchaus positiven Ergebnis. Im Interview mit marktforschung.de äußert sich Richard Hilmer, Geschäftsführer von Infratest dimap, zu der besonderen Rolle der Wahlforschung und zur Notwendigkeit, die Ziele und Vorgehensweisen von Markt- und Meinungsforschung immer wieder öffentlich zu kommunizieren.
marktforschung.de: Herr Hilmer, Sie haben jüngst eine Umfrage zur Wahrnehmung der Meinungsforschung in der Bevölkerung durchgeführt. Neun von zehn der befragten Bundesbürger äußerten ihre Zustimmung zu der Aussage, dass "Meinungsumfragen wichtig sind, damit man sich ein Bild machen kann, wie die Bevölkerung zu verschiedenen Themen steht". Ein überraschendes Ergebnis?
Richard Hilmer: Für uns weniger, denn wir haben dieselben Fragen bereits vor knapp drei Jahren im Auftrag des WDR gestellt, und kamen zu vergleichbaren Befunden. Aber vor dem Hintergrund einer messbar zunehmenden Verärgerung vieler Bürger über unerbetene Werbeanrufe mag es schon überraschen, dass das Image der Meinungsforschung darunter nicht gelitten hat.
Im Gegenteil: die Antworten fielen diesmal sogar noch etwas positiver aus als vor drei Jahren. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass gerade in Wahlzeiten stärker als sonst die Meinungsforschung dem Bürger Gehör verschafft.
marktforschung.de: Im Rahmen unserer quartalsweisen Erhebung zum "Stimmungsbarometer in der Marktforschung" haben wir im Dezember 2008 Geschäftsführer und Vorstände deutscher Marktforschungs- und Feldinstitute auch um ihre Einschätzung hinsichtlich des Images der Marktforschungsbranche in der Öffentlichkeit gebeten. Über 20 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass diese in der Öffentlichkeit überwiegend negativ wahrgenommen wird, mehr als 30 Prozent rechnen sogar mit einer weiteren Imageverschlechterung. Wie korreliert diese Einschätzung Ihrer Meinung nach mit den Ergebnissen Ihrer Umfrage?
Richard Hilmer: Fakt ist, dass sich das Umfeld, in dem Markt- und Meinungsforschung stattfindet, durch die schon erwähnte deutliche Zunahme unerbetener werblicher Kontakte deutlich verschlechtert hat. Dies führt vielfach dazu, dass Interviewer gar nicht mehr die Chance haben, ihr Begehr vorzutragen, was steigende Ausfälle zur Folge haben kann.
Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass dies nicht am Image der Meinungsforschung liegt. Unser Anliegen, im Auftrag gewerblicher und öffentlicher Kunden Daten in anonymisierter Form zu erheben, wird mehrheitlich als legitim erachtet und auch gutgeheißen. Es wird deshalb eine der zentralen Aufgaben für die gesamte Branche sein, Ziele und Vorgehensweise der Markt- und Meinungsforschung noch deutlicher zu machen und sich gleichzeitig abzugrenzen von werblichen Telefonanrufen oder sonstigen Kontakten.
marktforschung.de: Wie wichtig ist das Image der Markt- und Meinungsforschungsbranche aus Ihrer Sicht für die Durchführung von Forschungsprojekten?
Richard Hilmer: Das Image der Institute und der gesamten Branche ist von ebenso entscheidender Bedeutung für die Durchführbarkeit von Projekten wie die Einsicht der Probanden in die Sinnhaftigkeit unseres Tuns. Diese Einsicht wird dadurch verbessert, indem man Informationen bereit stellt über Sinn und Zweck der Befragungen, über Erhebungs- und Stichprobenverfahren, über die Verarbeitung der Daten und deren Verwendung.
Infratest dimap legt immer schon sehr großen Wert auf Information und Transparenz. So werden zu allen veröffentlichten Umfragen nicht nur die Ergebnisse, sondern auch alle wesentlichen Informationen zur Studie einschließlich der Frageformulierung dokumentiert. Darüber hinaus findet jeder Interessent grundlegende Informationen über die Meinungs- und Wahlforschung. Dieser Weg maximaler Transparenz, den wir auch bei der Durchführung unserer Exit Polls gehen, zahlt sich am Wahltag aus: dort liegt die Ausschöpfungsrate bei bis zu 80 %.
marktforschung.de: WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn hat im Zusammenhang mit Ihrer Umfrage gesagt, die Ergebnisse machten deutlich, dass "die Bürger einen klaren Unterschied machen zwischen lästigem Telefonmarketing und solchen Meinungsumfragen, die einen journalistischen und wissenschaftlichen Wert haben" – eine zu optimistische Einschätzung vor dem Hintergrund, dass die deutschen Branchenverbände immer wieder die Unkenntnis seitens der Bevölkerung darüber, was Markt- und Meinungsforschung wirklich ist und wie sie funktioniert, monieren?
Richard Hilmer: Der Optimismus von Herrn Schönenborn dürfte sich aus den Erfahrungen speisen, die ich gerade beschrieben habe. Nun ist es in der Wahlforschung vielleicht leichter, den Sinn und Zweck von Umfragen zu vermitteln, als in anderen Erhebungsfeldern. Bei unseren Umfragen können die Befragten sozusagen am Bildschirm verfolgen, wie Meinungsforschung funktioniert und auch, wozu sie gut ist. Vielleicht sollte man sich diesen Vorteil der Wahlforschung nutzbar machen und auf die prinzipielle Vergleichbarkeit der Vorgehensweisen von Wahl- und Marktforschung verweisen.
marktforschung.de: Wie kann der Bevölkerung aus Ihrer Sicht der journalistische und wissenschaftliche Wert von Markt- und Meinungsforschung vermittelt werden?
Richard Hilmer: Wir Wahlforscher tun uns da – wie bereits erwähnt – etwas leichter, weil sowohl die Befragten als auch die Öffentlichkeit beispielsweise die Befunde des DeutschlandTrends in den Tagesthemen sehen und auf den Websites der ARD bzw. von Infratest dimap nachlesen können. Diese Form der medialen Vermittlung ist ja bereits ein Stück weit Ausdruck der Wertschätzung von derlei Befragungen seitens des Publikums resp. der Bürger - die Einschaltquoten und das Feedback, das die Medien hierzu erhalten, ist sehr ermutigend.
Wir haben hier nicht zuletzt die Funktion eines selbstreflexiven Korrektivs, oder - wie dies der Doyen der Wahlforscher, Professor Max Kaase, einmal ausdrückte - als "Element der Befassung der Gesellschaft mit sich selbst". Vor allem in modernen, komplexen und demokratisch verfassten Gesellschaften ist die Verfügbarkeit von Informationen über sich selbst von erheblicher Bedeutung.
Es gibt Themen, die auf größeres Verständnis bei den Befragten treffen, andere dagegen auf ein geringeres, was maßgeblich zu höheren oder niedrigeren Ausschöpfungen beiträgt. Wahlforschung gehört sicherlich aus Befragtensicht zu den "einsichtigeren" Themen mit entsprechend höherer Antwortbereitschaft– dazu zählen aber im Übrigen aber auch Erhebungen zur Kundenzufriedenheit, die sich ebenfalls in der Regel durch eine hohe Ausschöpfung auszeichnen. Generell liegt es auch an uns Marktforschern, den Bürgern zu vermitteln, dass Erhebungen zu Themen, die auf den ersten Blick nicht ganz so reizvoll erscheinen, letztlich ebenfalls auch im Interesse der Befragten sind.
marktforschung.de: Was kann oder muss in der Markt- und Meinungsforschung aus Ihrer Sicht getan werden, um das Image in der Öffentlichkeit nachhaltig zu stärken und damit auch die Bereitschaft seitens der Bevölkerung, an Umfragen teilzunehmen, zu erhalten?
Die Markt- und Meinungsforschung sollte sich klar abgrenzen gegenüber all jenen Trittbrettfahrern, die sich im Mäntelchen der Marktforschung Eintritt in Haushalte verschaffen, um zum Beispiel irgendein Produkt zu verkaufen. Die Institute müssen aber auch proaktiv Vertrauen durch mehr Information und ein Maximum an Transparenz schaffen.
marktforschung.de: Herr Hilmer, vielen Dank für das Interview!
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