"ReThink"-Kongress: Spannendes aus New York zu Werbewirkung und Werbeforschung

Nachfolgend die Aufzeichnung des Gesprächs:
Beate von Keitz: Horst, ich bin ja total begeistert, was die ARF hier auf die Beine stellt: drei Tage volles Programm zum Thema "Wie wirkt Werbung heute?" und jede Menge handfester Erkenntnisse zur Werbewirkung.
Horst Stipp: Ziel der Konferenz war es, neue Erkenntnisse zur Werbewirkung in der Welt von heute aufzuzeigen - Erkenntnisse, die die Werbetreibenden in ihrer Arbeit direkt umsetzen können und die die Werbetreibenden erfolgreicher machen! Wir haben dazu 5000 Kampagnen mit Spendings von 375 Billionen Dollar analysiert.
Beate von Keitz: Ich habe überlegt, welche Erkenntnisse ich am wichtigsten finde. Zunächst einmal – da sind ja bei uns manche Marketer unsicher: Klassische Medien wie TV sind nach wie vor die wichtigste Mediabasis, um einen hohen Return on Investment zu erzielen. Viele Kampagnen, die primär auf digitale Medien setzen, erleiden Einbußen in ihrem ROI. Das gilt selbst bei jungen Leuten in den USA.
Online kann als Zusatzmedium den ROI deutlich erhöhen. Das gilt allerdings nur, wenn die Spendings dafür on top kommen. Wenn man einfach nur die TV-Spendings in Digital umshiftet und TV damit reduziert, dann sind oft Einbußen im ROI die Folge.
Generell gilt, dass ein zweites und ein drittes Medium den ROI steigern. Eure Daten zeigen aber eine klare Erfolgsbedingung: Die Werbung muss über die verschiedenen Medien hinweg eine gemeinsame kreative Strategie verfolgen, sonst gibt es keinen Zuwachs. Eure Ergebnisse bestätigen damit ein Thema, das in Deutschland seit Jahrzehnten auf der Agenda steht, aber immer wieder vergessen wird: die integrierte Kommunikation. Und Ihr zeigt auf, dass die Kommunikation in einem zweiten Schritt auf die Möglichkeiten der verschiedenen Medien hin optimiert werden muss, sonst gibt es ebenfalls Einbußen!
Horst, was würdest Du aus Deiner Sicht hinzufügen, was war für Dich noch bahnbrechend oder besonders relevant?
Horst Stipp: Für mich war besonders frappierend, wie wichtig die Werbequalität ist: Wenn ein Spot nicht wirksam ist, dann helfen das beste Planning und das größte Budget nicht.
Werbequalität: entscheidender als Mediastrategie und Budget
Beate von Keitz: Ja, das ist für auch für mich als Werbeforscherin sehr spannend – ich bin ja eine klare Verfechterin von Pretests. Die Inhalte der Werbung, anders gesagt: die Werbequalität, sind entscheidender als Mediastrategie und Budget. Zahlen, die in New York genannt wurden: etwa 75% Prozent der Werbewirkung sind durch die Werbequalität bestimmt! Inhalt der Werbung, Kreativität und Exekution sind also die zentralen Erfolgsfaktoren für den Return on Investment.
Horst Stipp: Wir sehen, dass man durch Pretesting den Werbeerfolg entscheidend erhöhen kann und damit auch die Werbe-Effizienz und den ROI. Und speziell die neurowissenschaftlichen Methoden und die apparativen Tests stärken die Leistungsfähigkeit der Werbung. Diese Methoden erhöhen damit den ROI.
Beate von Keitz: Dass die Forschung der ARF die neurowissenschaftlichen Methoden und die apparativen Verfahren voll bestätigt, finde ich natürlich toll. Ich arbeite in meinem Institut ja jetzt schon rund 30 Jahre mit apparativen Verfahren, und Eure Studien sind eine schöne Bestätigung. Die Forschung der ARF zeigt, dass die Neuro-Methoden gegenüber dem traditionellen Interview Überlegenheiten zeigen. Was leisten gerade die Neuro-Methoden rund um Biometrics, EEG oder Eye Trackings? Was sind aus Deiner Sicht die Hauptvorteile dieser Methoden?
Neuro-Methoden zur Identifikation erfolgreicher Werbung
Horst Stipp: Die Neuro-Methoden identifizieren erfolgreiche Werbung besser als die traditionellen Verfahren, weil sie auch emotionelle Prozesse messen. Und die sind wichtig: "Brands are built in the brain". Daher helfen die Neuro-Methoden Werbewirkung besser zu verstehen und zu optimieren.
Beate von Keitz: Beim Werbeerfolg geht es ja meist letztendlich um ökonomische Zielgrößen. Bei der ARF sind der ROI der Werbung bzw. die Abverkäufe oft die Basis der Analysen. Selbst bei Mediaentscheidungen kommen die Abverkaufswirkungen in den Fokus statt der klassischen Reichweiten. Gibt es da einen Paradigmenwechsel?
Horst Stipp: Die Unternehmen verlangen immer häufiger den Nachweis, dass die Werbe-Investitionen einen positiven Return on Investment erbringen. Das bedeutet: Wenn wir als Forscher unsere Position behalten wollen, dann müssen wir Antworten liefern und die Nachweise erbringen. Ich glaube, wir haben das mit unserer neuen Studie geschafft. Die Resonanz war so groß, dass wir diese Erkenntnisse bei unserer nächsten Konferenz – "Audience Measurement" am 13./14. Juni in New York – noch ausführlicher vorstellen werden.
Beate von Keitz: Was mir hier in New York wirklich aufgefallen ist, das ist die positive und konstruktive Art, wie hier die Herausforderungen angegangen werden und wie die Erkenntnisse präsentiert werden. Was man als Gefahr sehen könnte, wird stattdessen eine "Opportunity". Dass auch die amerikanische Marktforschungslandschaft ihre Probleme hat, das war nur zwischen den Zeilen zu lesen. Wie siehst Du das als Deutscher, der schon sehr lange in den USA in der Werbeforschung arbeitet – was können wir da von den Amerikanern lernen?
Horst Stipp: Man könnte sagen: In den USA ist Optimismus Bürgerpflicht, und in Deutschland ist Optimismus eher ein 'Ausnahmezustand' – wenn nicht gerade Karneval ist...
Beate von Keitz: Ich danke Euch bei der Advertising Research Foundation und speziell Dir, Horst, für viele inspirierende Einsichten!
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