Olaf Lassalle, Geschäftsführer Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. Repräsentativität ist die Grundlage der Währung

Olaf Lassalle (Bild: agma)
Rund 32 Milliarden Euro werden die Unternehmen in Deutschland dieses Jahr für Werbung in den Massenmedien ausgeben. Das sind Investitionen in Markenwahrnehmung, Image-Aufbau, Absatzunterstützung und Kundenbindung. Damit die Marketingverantwortlichen wissen, dass ihr Geld richtig eingesetzt wird, benötigen sie und ihre Agenturen verlässliche Daten für die Reichweiten der Werbeträger. Diese liefert die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. (agma) und stellt sie ihren über 200 Mitgliedern zur Verfügung – Werbungtreibenden, Agenturen und Medien. Die Zahlen der Media-Analyse (ma) zu Reichweiten und Strukturen der Nutzerschaft ist die Basis für die Mediaplanung in Deutschland. Gleichzeitig bestimmen die Werbevermarkter der Medien ihre Preise für Anzeigen, Werbezeiten und Werbeplatzierungen anhand der ma-Daten. Die wirtschaftliche Bedeutung der Media-Analyse kann man deshalb kaum unterschätzen. Sie erfordert ein höchstes methodisches Niveau. Der Grundpfeiler dieser Qualität ist die Repräsentativität.
Währung erfordert Repräsentativität
Die Zahlen der agma werden oft als Währung bezeichnet. Das bedeutet: Alle Marktpartner erkennen die Daten an, vertrauen der Methode und stellen die Ergebnisse nicht in Frage. Sie liefern Transparenz und Vergleichbarkeit. Für Mediaplaner ermöglichen sie den Vergleich der Leistung verschiedener Werbeträger. Die Medien werben mit den Zahlen der ma. Dass sie diese Währungsfunktion erfüllen kann, hängt von zwei Faktoren ab: Von der Zusammenarbeit aller Marktpartner und von einer möglichst genauen Methode, welche die Medienrealität der Bevölkerung so genau wie möglich misst. Repräsentativität ist kein überkommendes Ideal früherer Zeiten, kein Luxus und kein überzogenes "German Engineering", sondern eine schlichte Notwendigkeit. Wenn alle Werbeträger in der Media-Analyse fair und zuverlässig abgebildet werden sollen, ist ein Höchstmaß an Repräsentativität notwendig, da auch die Zahlen für kleine und kleinste Untergruppen der Grundgesamtheit noch aussagekräftig sein müssen. Man denke nur an regionale Tageszeitungen, Special-Interest-Zeitschriften oder bestimmte Online-Belegungseinheiten. Um hier eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, benötigen wir nicht nur eine große Interviewzahl, sondern ebenso eine präzise Stichprobenziehung. Im Wettbewerb um die Werbegelder der Unternehmen geht es um die Stellen hinter dem Komma. Die agma und die Media-Micro-Census (MMC), ihre Tochtergesellschaft für das operative Geschäft, müssen zusammen mit den dienstleistenden Marktforschungsinstituten im Alltag gewährleisten, dass alle Qualitätsstandards eingehalten werden.
Maßnahmen zur Stichproben-Qualität
Wie können wir die Repräsentativität in einer sich verändernden Marktforschungslandschaft sichern? Erst einmal hat die agma aus der jahrzehntelangen Erfahrung eigene Standards für Stichprobenziehung und Feldarbeit aufgestellt, die oft höher sind als bei anderen herkömmlichen Marktforschungsstudien. Einige davon seien hier exemplarisch erwähnt:
- Für alle ma-Studien werden lange Feldzeiten eingeplant, damit schwierig zu erreichende Personen eine Chance haben, interviewt zu werden.
- Die Stichprobenziehung für die ma Radio/Audio, die per CATI erhoben wird, folgt dem komplexen ADM-Verfahren. Es wird darauf geachtet, dass die generierten Telefonnummern über die Zeit und die Gebiete gleichmäßig bearbeitet werden. Es passiert nicht, dass zum Beispiel alle Nummern aus einem bestimmten Bundesland in der ersten Woche der Feldzeit abtelefoniert werden, sondern diese werden über die gesamte Befragungsperiode verteilt.
- Die Feldinstitute müssen eine Telefonnummer aus der Stichprobe 15-mal an zehn verschiedenen Tagen und zu unterschiedlichen Uhrzeiten anrufen, bevor die Nummer als Ausfall gilt.
- Bei den Face-to-Face-Interviews, zum Beispiel für die ma Pressemedien, gehen wir zweistufig vor: Erst müssen die Interviewer der Feldinstitute eine Begehung vornehmen und Adressen aufschreiben. Danach zieht das Institut eine Zufallsauswahl aus diesen Adressen. Mit diesen Listen gehen die Interviewer dann los und führen die Interviews durch.
Sicherlich stellen diese Anforderungen durchaus eine Herausforderung für die Marktforschungspartner der agma dar. Sie sind für sie, aber auch für die MMC mit hohem Aufwand verbunden. Die Feldarbeit ist nur ein Teil des Prozesses. Die Media-Analyse besteht aus verschiedenen Tranchen, die zum Teil mehrmals im Jahr erscheinen, so dass quasi fast jeden Monat eine neue Studie veröffentlicht wird. Die Daten müssen geprüft, die Datensätze für die Auswertungsprogramme der Anwender produziert werden.
Neues muss geprüft werden
Ein anderer wichtiger Punkt zur Sicherung der Repräsentativität liegt in der Organisationsform der agma als Joint Industry Committee begründet. Dadurch, dass alle Marktpartner zusammenarbeiten und im Konsens über die Methoden beschießen, wird ein leichtfertiger Umgang mit den Standards verhindert. Jede methodische Veränderung wird zuvor auf ihre Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit diskutiert und geprüft. Die Mitglieder investieren hohe Summen in Methodentests und Evaluationsmaßnahmen. Hinzu kommt die fachmännische Diskussion in den Gremien, allen voran der Technischen Kommission (TK), welche die Hoheit über alle methodischen Fragen besitzt. In der TK sitzen fachlich ausgewiesene Experten, die von ihren Mitgliedsgruppen gewählt werden. Hier ist eine konzentrierte Kompetenz versammelt, die jeden methodischen Vorschlag oft leidenschaftlich diskutiert und auf Herz und Nieren prüft. So wird sichergestellt, dass keine Änderung an der Methode vorgenommen wird, bei der nicht zuvor Brauchbarkeit und Nützlichkeit nachgewiesen wurde.
Die hohen Standards der ma einzuhalten ist nicht immer einfach. Nach dem Rückzug der GfK aus dem Bereich Medienforschung ist die Zahl möglicher Feldinstitute, die in der Lage sind, die anspruchsvolle Feldarbeit zu bewältigen, kleiner geworden. Die in der Bevölkerung abnehmende Bereitschaft an Befragungen teilzunehmen, erschwert die Arbeit. Die agma muss nach neuen und innovativen Methoden Ausschau halten. Wie bereits erwähnt: Eingesetzt werden neue Verfahren erst, wenn sie sorgfältig geprüft und von der Technischen Kommission als geeignet angesehen werden. Ein Aufweichen der Standards und damit Abstriche in der Repräsentativität kommen nicht in Frage, dagegen spricht der Währungs-Charakter der ma-Daten.
Gemeinsame Verantwortung
Als Institution der Werbebranche sehen wir bei der agma eine klare Verantwortung, die Messlatte für repräsentative Forschung hoch zu halten. Deshalb engagieren wir uns zusammen mit dem ZAW und dem ADM bei der Etablierung des neuen Transparenz-Siegels im Zusammenhang mit der Neuformulierung des ZAW-Rahmenschemas. Transparenz und Qualität sind notwendige Voraussetzungen für einen funktionierenden Werbemarkt. Dies ist eine kontinuierliche Aufgabe, die niemals abgeschlossen ist: Neue Medien, Werbeformen und Planungsroutinen tauchen auf und müssen über kurz oder lang in die bestehenden Studien integriert werden. Eine Herausforderung besteht darin, solche Marktpartner ins Boot zu holen, die sich lange Zeit auf Grund ihrer internationalen Firmenpolitik einer gemeinsamen Mediaforschung verweigert haben – hier gibt es zunehmend Fortschritte. Das Aufrechterhalten einer Währung, wie wir sie in Deutschland mit agma, IVW, agof und AGF Videoforschung haben, erfordert viel Zeit und Kraft – und manchmal das langsame Bohren dicker Bretter. Doch darf die Repräsentativität dabei nicht geopfert werden.
Zum Autor
Olaf Lassalle ist seit 2013 sowohl die Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. (agma) als auch ihrer kommerziellen Tochter, der Media-Micro-Census GmbH (MMC). Der Diplom-Betriebswirt begann seine Karriere bei Coca-Cola, war anschließend bei Radio NRW und zuletzt Geschäftsführer der Newcast GmbH, Entwicklungsagentur für digitale und medienübergreifende Markenkommunikation, die zur Publicis Group gehört.
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