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Frauen in der Marktforschung "Relevant sind die individuellen Potenziale einer Führungskraft– egal ob Mann oder Frau"

Patricia Blau © GIM
marktforschung.de: Welche Eigenschaften braucht man als Frau, um es in der Marktforschung ins Management zu schaffen?
Patricia Blau: An sich sind das zwei Fragen: Was braucht es als Frau, um als Marktforscherin erfolgreich zu sein? Und was für den Sprung ins Management? Der Erfolg als Forscherin ist meist Grundlage für den Sprung ins Management. Davon ausgehend braucht es relevante Interessen, Gestaltungswillen, Businessorientierung und Einsatz neben dem Projektgeschäft. Es geht um den Drang, Dinge voran zu treiben, für sie einzustehen und zu kommunizieren.
marktforschung.de: Bevor Sie in die Marktforschung gingen – gab es einen Plan B?
Patricia Blau: Hier schließt sich ein Kreis. Ich bin Psychologin und hatte meinen Schwerpunkt auf Arbeits- und Organisationspsychologie gesetzt. Ich dachte eigentlich, dass ich in die Personalentwicklung gehe. Allerdings ist das Studium auch hervorragend für Marktforscher geeignet. Über Praktika und erste berufliche Erfahrungen kam ich somit in die Werbe- und Marktforschungsbranche. Hier habe ich schon früh neben dem Projektgeschäft mein Interesse an Weiterbildung und Trainings eingebracht. Ich gebe interne Trainings, Kundentrainings und auch Seminare an Hochschulen, meist zu Moderation, Präsentation oder Concept-Writing. In meiner jetzigen Position kann ich als Leiterin des HR–Ressorts über das Thema Trainings hinaus an mein originäres Studien-Interesse anschließen.
marktforschung.de: Wie haben Sie sich auf Ihre Führungsrolle vorbereitet?
Patricia Blau: Ich habe lokale Projekt-Teams ebenso geführt wie große, internationale Projekt-Teams, habe Kolleg*innen ausgebildet, kleinere Kolleg*innen Teams geleitet usw… Zudem habe ich über meine Trainingstätigkeiten immer einen Bezug zu Wissensvermittlung und junioralen Kolleg*innen gehabt. Die Aussage: "Man wächst mit seinen Aufgaben" trifft es in meinem Fall tatsächlich, auch wenn ich diese Redewendung nicht sonderlich mag. Ich denke nämlich nicht, dass das alleine ausreicht oder immer funktioniert. Vor diesem Hintergrund hole ich nun die theoretische Vorbereitung nach: ich lese verstärkt Texte zum Thema Personal & Führung und mache zudem ein Coaching.
marktforschung.de: Was denken Sie, zeichnet weibliche Führung aus?
Patricia Blau: Emotionale Intelligenz, soziale Intelligenz, Kommunikationsstärke, Empathie, Kümmern und "es gut machen wollen" sind Punkte die mir dazu direkt in den Sinn kommen. Allerdings ist es mit Geschlechter-Stereotypen so, wie mit allen Stereotypen: sie haben eine gewisse Berechtigung und einen psychologischen Zweck – aber sind eben nicht allgemeingültig. Mit anderen Worten: Das oben beschriebene ist EIN Potential weiblicher Führung – aber weder ist jede weibliche Führungskraft damit ausgestattet noch sind dies die einzigen Potentiale weiblicher Führung. Am Ende sind es die individuellen Potenziale einer Führungskraft – egal ob Mann oder Frau – die relevant sind.
marktforschung.de: Frauensolidarität versus Stutenbissigkeit: Womit sind Sie auf Ihrem Weg öfter in Berührung gekommen?
Patricia Blau: Mein erster Impuls war: Eher mit der Stutenbissigkeit. Allerdings denke ich, dass diese einfacher zu identifizieren oder auch in Handlungen hineinzuinterpretieren ist. Explizite Frauensolidarität ist im Alltag schwieriger von einer guten Kollegialität und Teamgeist abzugrenzen. Ich kann aber sagen, dass Frauensolidarität teils völlig automatisch entsteht und ich sie immer wieder als sehr wertvoll erlebe.
marktforschung.de: Setzen Sie sich als Leiterin des HR-Ressorts für die Förderung weiblicher Mitarbeiterinnen ein?
Patricia Blau: Das klingt, als müssten wir Frauen besonders gefördert werden, weil wir es sonst nicht schaffen. Das ist ein Bild, hinter dem ich nicht stehe. Das soll umgekehrt nicht heißen, dass ich nicht sehe, dass in der Realität zum Beispiel immer noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen besonders schwer ist. Daher plädiere ich zum Beispiel für recht flexible Teilzeit. Zudem gibt es in der GIM für jedes Kind ein separates Kontingent an bezahlter Freistellung bei Krankheit des Kindes. Aber all dies können und sollten Väter genauso in Anspruch nehmen wie Mütter. Nur dann wird sich auf lange Sicht wirkliche Gleichberechtigung etablieren.
marktforschung.de: Wir leben in Zeiten ständiger Erreichbarkeit. Wie gehen Sie damit um?
Patricia Blau: Ich versuche, für mich klare Grenzen und Freiräume zu etablieren. Das Wort "versuchen" lässt ahnen, dass das nicht immer leicht ist. Zu sehr ist der Griff zum Smartphone und auf meine Mails eine Routinehandlung. Am Abend, wenn ich frei habe oder im Urlaub bin, rufe ich meine Mails möglichst nicht mehr auf. Push-Nachrichten für neue Mails habe ich ausgeschaltet, um mir das zu erleichtern. Und ansonsten sage ich mir, dass ich eine Abwesenheitsnotiz geschaltet habe und dass Person X sicher anruft, wenn es wirklich wichtig ist. Tatsächlich klappt das immer besser, was gerade für einen Urlaub mit Partner extrem wichtig ist.
marktforschung.de: Was ist Ihnen neben der Arbeit besonders wichtig?
Patricia Blau: Zuerst einmal ganz klassisch Zeit mit Familie und Freunden. Das kommt leider immer wieder zu kurz, ebenso wie der Sport, der für mich als Ausgleich essentiell ist. Darüber hinaus kann ich meine Freizeit grob in zwei Richtungen einteilen: Gestalten und Erkunden. Das Gestalten bezieht sich – frei interpretiert– auf meine Lust am Backen, Fotografieren und an Keramik...ja, teils klassisch weibliche Interessen. Das Erkunden darauf, dass ich gerne in Frankfurt, Offenbach oder sonst wo neue Orte finde oder mich im Urlaub ohne festen Plan von A nach B bewege. Jetzt wo ich darüber nachdenke gibt es da durchaus Parallelen: Mein Antrieb in Freizeit und Job: Gestalten und Erkunden.
marktforschung.de: Sind Frauen durch die oft vorhandene Doppel- oder sogar Dreifachbelastung (Familie, Job, Haushalt) besonders gefährdet? Sehen Sie Auswege?
Patricia Blau: Ich habe einige Beispiele vor Augen, bei denen ich sagen würde: hier ist die Frau nicht mehr oder weniger gefährdet als ihr Partner. Die Paar-Beispiele, die ich im Kopf habe, zeichnen sich aus durch: sehr egalitäre Rollen – die dennoch traditionell weibliche oder männliche Aspekte haben können – klare Organisation & Kommunikation, Respekt und vor allem eine gewisse Entspanntheit: es muss nicht alles perfekt sein.
marktforschung.de: Vielen Dank für das nette Gespräch, Frau Blau!
Zur Person: Patricia Blau hat an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt Psychologie studiert. Nach einer Station im Brand-Planning ist sie seit 15 Jahren für die GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung in Heidelberg tätig. Patricia Blau ist Mitglied des Management Boards, leitet das HR-Ressort und hat zudem Kundenverantwortung für Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen.
Das Interview führte Ulrike Schäfer.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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