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Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung: Rüge für Maritz Research
Fankfurt am Main - Der Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung e.V. hat der Maritz Research GmbH und der Maritz Marketing Services GmbH auf eine Beschwerde hin eine öffentliche Rüge erteilt. In der Erörterung der Entscheidungsgründe heißt es, Maritz Research und Maritz Marketing Services hätten im Rahmen einer Kundenzufriedenheitsstudie für VOLVO CAR GERMANY bzw. für das Autohaus FIEGL in Nürnberg gegen Artikel 4 und 5 der "Erklärung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum ICC/ESOMAR-Kodex" (Anonymisierungsgebot bzw. Gebot der Abgrenzung zu forschungsfremden Tätigkeiten) verstoßen.
Beschwerdeführer ist PSYMA-CEO Bernd Wachter, der der Erklärung zufolge seine Beschwerde bereits am 07. Januar dieses Jahres einreichte. Wie es heißt, erstreckt sich seine Beanstandung nicht allein auf "die irreführende Gestaltung des Anfrageschreibens, mit dem er per E-Mail als Auskunftsperson angefragt worden war, sondern auch auf die Namensgebung und den Webauftritt beider beschwerter Parteien bis hin zum gemeinsamen Logo und Layout". Der Gesamtauftritt schaffe nicht die standesrechtlich gebotene klare Trennung und Transparenz, im Zweifel könne man aufgrund der Anfrage bzw. der Tätigkeitsbeschreibung der Fehlannahme unterliegen, es handle sich um Marktforschung, so die Erklärung im Wortlaut.
Laut Beschwerderat haben Maritz Research und Maritz Marketing Services bereits mehrfach Stellung genommen und die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die fragliche Studie sei nicht vom Geschäftsbereich Maritz Research durchgeführt worden, sondern Maritz Marketing Services, der für verkaufsförderndes Marketing zuständig sei. Hierzu betonte Stephan Thun, Managing Director Europe und in dieser Funktion Vertreter der beiden beschwerten Parteien, innerhalb des Unternehmens seien beide Bereiche organisatorisch getrennt. Man gehe davon aus, so zitiert der Rat die Stellungname des Unternehmens, "dass extern verschieden Maßnahmen gegenüber den Zielpersonen für die erforderliche Klarheit sorgen, um welche Art von Projekt es sich jeweils handelt". Weiter heißt es: "Schon aufgrund des Umstands, dass man als Kunde im Auftrag von VOLVO kontaktiert werde, sei den Befragten unmittelbar klar, dass es sich um eine Marketingmaßnahmen handle." Hierzu hätten die Kunden auch eine Einwilligung erteilt.
Wie der Erklärung des Beschwerderates weiter zu entnehmen ist, verwendet Maritz bereits eine überarbeitete Fassung der Ansprachemail, in der unter anderem das Stichwort "Kundenbindungsmaßnahme" vor Irreführung der Empfänger schützen soll. Auch sei in den via Link aus der Mail zugänglichen Informationen zu Maritz Marketing Services explizit der Hinweis "Wir machen keine Marktforschung" zu entnehmen.
Auf Antrag der Beschwerdegegner fand im Juli bereits eine mündliche Verhandlung am Sitz des Beschwerderats in Frankfurt statt, in der die beschwerten Partei ihren schriftlich vorgetragenen Standpunkt wiederholt und vertieft haben.
Der Rat geht jedoch davon aus, dass angesprochene Zielpersonen im Unklaren über Ursprung, Zweck und Ziel der Ansprache gelassen werden und der Gesamtauftritt nicht ausreichend klar und transparent gestaltet ist. So heißt es in der Erörterung der Entscheidungsgründe für die Rüge wörtlich: "Der eigentliche Absender der Einladung-E-Mail vom 06. Februar 2013, MARITZ MARKETING SERVICES, wird in der Mail nicht genannt und ist auch anhand der vorhandenen Angaben "durch Maritz versendet", "Von: VolvoSurvey@maritz.com" oder "www.maritzsurvey.de/vcs_helpdesk" für Zielpersonen nicht erkennbar." Auch würden Stichworte wie "Umfrage", "(Kunden)Meinung(en)" sowie "survey" implizieren, es handele sich um Marktforschung. Die zwischenzeitlich veränderte Version des Anschreibens sei weiterhin irreführend, so der Rat. "Kundenbindungsmaßnahme" sei ein schwammiger Begriff, der den Aspekt der Verkaufsförderung nicht ausreichend verdeutliche. Ferner sei weiterhin nicht ausreichend deutlich, wer Absender der E-Mail sei. Um Irreführungen wirksam zu verhindern, sei auch der Satz "Wir machen keine Marktforschung" auf der Website von Maritz Marketing Services ungenügend.
Der Beschwerderat kritisierte außerdem den gemeinsamen Webauftritt beider Geschäftsbereiche unter der Domain "maritz.de". Gemeinsames Logo und Layout sowie gemeinsame Geschäftsführung und Postanschrift würden nicht die Trennung, sondern die Zusammengehörigkeit betonen.
In der abschließenden Beurteilung des Beschwerderates heißt es, "dass eine unbefangene Zielperson aufgrund des Gesamteindrucks aus der Gestaltung der Anschreiben, der unklaren Absenderangerangabe "MARITZ", bei näherer Erkundigung im Internet auch aufgrund der parallelen Namensgebung der beiden MARITZ Geschäftsbereiche mit gemeinsamer Adresse und demselben Geschäftsführer und aufgrund des gemeinsamen Webauftritts davon ausgehen wird, dass es sich um eine Marktforschungsanfrage handle [...]“. Und weiter: "MARITZ RESEARCH hätte die unklare Ansprachepraxis des anderen Geschäftsbereichs nicht dulden, sondern aktiv auf das Abstellen der Unklarheiten hinwirken müssen."
Der Beschwerderat erklärte, für die Erteilung einer Rüge habe auch gesprochen, dass nach einer bereits 2011 zu einem gleich gelagerten Sachverhalt erteilten Ermahnung seitens Maritz keine geeigneten Maßnahmen zur Abgrenzung von Marketingaktivitäten und Marktforschung ergriffen worden seien.
Unmittelbar nach Veröffentlichung der Rüge durch den Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung reagierte Maritz mit einer öffentlichen Stellungnahme. Darin erklärt Unternehmenschef Stephan Thun: "Als weltweit größter Anbieter von Dienstleistungen im Bereich Customer Experience Management ist Maritz mit seinen unterschiedlichen Konzerngesellschaften Vordenker bei Kundenloyalitätsprogrammen und dem Markt einen Schritt voraus." Modernes Kundenzufriedenheitsmanagement bediene sich neuesten Analyseverfahren der Marktforschung, sei aber längst nicht mehr Teil der traditionellen Branche. "Innovationen in diesem Bereich finden heute im nicht-anonymen Kundendialog statt", so Thun weiter. Es würden nur solche Verbraucher um Feedback gebeten, die diesen Dialog explizit gewünscht haben. Thun kritisiert, der Rat drücke mit seiner Rüge eine Betrachtung von Kundenzufriedenheitsmanagement als reines Messinstrument aus. Dies träfe heute aber weder die Bedürfnisse der Verbraucher noch die der Unternehmen.
Maritz erklärt in der Stellungnahme weiter, im vorliegenden Fall handele es sich um eine Kundenbindungsmaßnahme von Maritz Marketing Services im Auftrag eines Automobilherstellers, bei der Anforderungen des Verbraucher- und Datenschutzes in allen Punkten entsprochen würde und wies abschließend explizit darauf hin, die Beschwerde beim Rat sei durch einen Marktforscher eingereicht worden.
Anm. d. Redaktion vom 06.09.2013, 15:30 Uhr: Zwischenzeitlich hat Bernd Wachter mit einer persönlichen Stellungnahme reagiert. Seine Erklärung lesen Sie hier.
cl
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