Interview zum WdM Web-Seminar von GIM "Wir möchten zeigen, dass 'Quali Hybrid' keine pandemiebedingten Forschungsnotnägel sind"

Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf die qualitative Forschung? Was erwartet sie in Zukunft und worauf kann man sich freuen? Stephan Telschow, Geschäftsführer der GIM, beantwortet diese und weitere Fragen im Interview zu seinem Web-Seminar bei der Woche der Marktforschung im Oktober 2021.

„Enjoy Smart Creative: Die Quali-Zukunft wird Spaß machen!“ lautet der Titel Ihres WdM Web-Seminars am 06.10.2021 um 11 Uhr. 

Wie sieht die Zukunft der qualitativen Forschung für Sie aus? Was genau wird in der Zukunft „Spaß machen“? Worauf genau freuen Sie sich denn? 

Dr. Stephan Telschow: Online ist nicht nur eine Corona-Notlösung, sondern eröffnet neue Möglichkeiten, die Stärken qualitativer Forschung auszuspielen – Menschen in ihrem Alltag zu begleiten. Gerade für ethnografische Forschung und für Themen, die besonders nah an der Alltagspraxis von Menschen liegen sind Studio-Settings doch sehr klinisch und artifiziell. Für bestimmte Themen, Zielgruppen und Research-Konzepte ist das sehr sinnvoll, aber eben nicht immer. Hier mehr Wahlfreiheit zu haben und überlegen zu können, welches Setting besser geeignet ist, scheint ein klarer Vorteil.

Mit welchen Herausforderungen sieht sich die qualitative Forschung (zukünftig) konfrontiert? 

Dr. Stephan Telschow: Konsumenten und Konsumentinnen kennenlernen kann man mittlerweile auf vielen unterschiedlichen Wegen – in Foren und Kommentaren in Online-Shops, in sozialen Medien, mit schnellen, auch qualitativen Umfragen. Qualitative Forschung wird sich daher noch mehr methodisch begründen müssen und erklären, genau welche methodischen Konzepte es braucht, welche Tools des Erhebens, Verstehens und Analysierens eingesetzt werden und wie gute Stichproben gewährleistet werden.

Wenn Sie mal auf die letzten anderthalb Corona-Jahre zurückblicken, welche neuen Möglichkeiten haben sich für Sie/Ihr Institut eröffnet? Welche neuen Technologien haben Sie währenddessen implementiert?

Dr. Stephan Telschow: Für uns ging es nicht nur darum, nicht nur die gewohnte Studio-Situation möglichst 1:1 in eine Zoom-Konferenz zu transportieren. Interessant war zunächst einmal, welche Gesprächstechniken online funktionieren und wie sich Gruppendynamiken steuern lassen. Relativ schnell gab es auch viele Experimente mit digitalen Tools, die man im Studio oft nicht eingesetzt hat – quick votings in der Gruppe, kollaboratives Arbeiten an Konzepten. Und besonders interessant war schließlich, die Situation zu nutzen, bei Interviewgebern zu Hause zu sein. Hier mal einen Blick in den Badezimmerschrank werfen zu können, sich die vorhandenen Gartengeräte anzuschauen oder auch mal den Lebenspartner zu Wort kommen zu lassen, ergibt vielfach ganz neue Optionen.

Die Offenheit vieler Gesprächspartner und -parterinnen sich auf Digitales einzulassen, hat uns begeistert. Diese Offenheit war auch ein Grund, ein neues Tool zu launchen. GIM Mitmaker ist unsere Online-Community für qualitative Forschung. Hier stehen wir im permanenten Dialog mit Konsumenten und können so kleine Fragestellungen unserer Kunden schnell und sehr effizient beantworten.

Durch die Pandemie waren viele Unternehmen gezwungen, technische Veränderungen, die sonst vielleicht erst Jahre später getroffen worden wären, vorzunehmen. Hatte die Pandemie also wenigstens einen positiven Nebeneffekt?

Dr. Stephan Telschow: Interessant ist ja, dass es viele der jetzt eingesetzten technischen Möglichkeiten auch vor fünf Jahren gab. Online-Gruppen haben wir auch schon Mitte der 2000er durchgeführt, sie waren jedoch kaum bei den Kunden akzeptiert. Insofern haben Lockdown und Distanz-Gebote dazu geführt, sich ernsthaft mit den Potentialen von Online zu beschäftigen und das mit insgesamt gutem Ergebnis.

Dr. Telschow, Sie sind bereits seit 2000 bei der GIM. Wie hat sich die qualitative Forschung bei der GIM seither verändert und weiterentwickelt? Blicken Sie der Zukunft aufgeregter entgegen als jemals zuvor? 

Dr. Stephan Telschow: Als ich vor 25 Jahren mit qualitativer Forschung begonnen habe, musste man vielfach noch erklären, wie mehrstündige Plauderrunden mit wenigen Teilnehmenden denn ernsthaft Forschung sein könnten. Das hat sich spätestens Anfang der 2000er sehr relativiert. Zugleich ist qualitative Forschung in den letzten Jahren auch etwas langweilig geworden und selbst dort, wo sie kreativ werden wollte, stand doch manchmal etwas viel Bemühtheit dahinter. Das, was wir in den letzten 1,5 Jahren erlebt haben, hat viele Gewissheiten durcheinander geworfen. Für mich war es wirklich eine Überraschung, das Moderieren in Teilen wieder neu lernen zu müssen. Insofern freue ich mich, dass das Methodenspektrum nun breiter geworden ist und wir die Settings unserer Forschung noch besser aussteuern können. Denn ganz klar: Wir werden auch in Zukunft für jedes Projekt überlegen, ob es digital oder physisch umgesetzt werden wird.

Was möchten Sie mit Ihrem Event erreichen? Was sind Ihre Ziele?

Dr. Stephan Telschow: Wir möchten zeigen, dass „QualI Online“ bzw. nun „Quali Hybrid“ keine pandemiebedingten Forschungsnotnägel sind. Und wir möchten anhand verschiedener Beispiele Lust auf die nähere Quali-Zukunft machen: „Smart Creative“ ist dabei unser GIM Framework bestehend aus den entsprechenden relevanten Methoden und dem Mindset, das es braucht, um für Kunden relevante Ergebnisse zu generieren.     

Über den Interviewpartner

Dr. Stephan Telschow ist seit 20 Jahren in der Marktforschung tätig. Als Geschäftsführer der GIM vertritt er die Bereiche Operations- und Business-Development. In der Forschungspraxis beschäftigt Stephan Telschow sich vor allem mit Shopper Forschung und berät dazu Handelsunternehmen und Markenartikler. Hier stehen Fragen zum Shopperverhalten, zur Gestaltung von Einkaufssettings und zur Optimierung von Retail-Medien im Mittelpunkt. Weitere Schwerpunkte bilden die Bereiche Nachhaltigkeit, Verpackung und Kosmetik. Vor der Tätigkeit bei GIM arbeitete Stephan Telschow in der universitären Forschung. Er promovierte über ein soziologisches Thema an der Universität Potsdam.

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