Pitch: Best-of "Pricing und Preisforschung" am 24.02.2021 um 11 Uhr "Psychologie, Profit, Prestige"

Am 24. Februar wird es um das "P" Preis gehen. Ist dieser Hebel Chefsache, ist es Zufall, dass alle drei Unternehmen einen Teil ihrer Geschäftsführung dafür entsenden oder liegt das an der anvisierten Außenwirkung?
Michaela Brocke: Es zeigt auf jeden Fall, dass die Preisforschung ein wichtiger Bereich ist.
Sören Scholz: Wir haben bei Interrogare sehr flache Hierarchien und sind auch nicht dafür bekannt, dass Inhalte immer von denselben "Großkopferten" präsentiert werden müssen. In diesem Fall wurde mir aber von unseren Mitarbeitern noch einmal umfassend bestätigt: Ich scheine die Person im Unternehmen zu sein, welche über die größte Schnittmenge hinsichtlich Pricing-Expertise und Sendungsbewusstsein verfügt.
Thomas Rodenhausen: Außenwirkung und Chef- bzw. Chefinnensache gilt auf jeden Fall für viele Kunden - denn der Preis hat bekanntermaßen einen direkten Einfluss auf den Gewinn und er formt auch das Ansehen eines Unternehmens. Hohe Preise muss man sich erlauben können, niedrige Preise auch.
Wie sind Sie selbst zur Preisforschung gekommen? Was fasziniert Sie persönlich daran?
Sören Scholz: Das Thema Preis hat mich sehr schnell in meiner wissenschaftlichen Arbeit am Lehrstuhl für Marketing an der Universität Bielefeld erreicht. Bereits mein erster wissenschaftlicher Artikel aus dem Jahr 2003 handelt über die Unterschiede in der Preiswahrnehmung für OTC-Produkte in verschiedenen Einkaufsstätten. Aus meiner Sicht sollte für jeden Marktforscher das Thema Preis aus drei Gründen faszinierend sein:
- Kein anderes Thema hat einen ähnlichen Impact auf den Unternehmenserfolg.
- Pricing bietet eine einmalige Gelegenheit Konsumentenpsychologie und (statistische) Modellierungen zu verknüpfen. Das Spielfeld ist in diesem Bereich riesengroß, so dass man durch smarte, innovative Ansätze echte Mehrwerte erzielen kann.
- Marktforschungsergebnisse sind in diesem Bereich nicht nur nettes Beiwerk. D.h. sie haben nicht einfach eine Kontroll- und Monitoringfunktion, die ex-post getroffene Entscheidungen evaluiert, sondern einen - wenn nicht sogar den - wichtig(st)en Input für die Preisgestaltung.
Thomas Rodenhausen: Preisverhandlungen sind faszinierend, aber sie kosten Zeit und Nerven. Die Psychologie der Verhandlungspartner spielt eine Rolle. Im Konsumentenalltag spielt das Verhandeln keine große Rolle mehr. Deshalb ist gute Marktforschung, besonders bei Innovationen, notwendig. Denn der erste Schuss muss sitzen: ein falsch gesetzter Preis heißt immer Gewinnverlust und man steht in der Außenwirkung auch noch dumm da. Daneben ist die Preisforschung für methodisch interessierte Marktforscherinnen und Marktforscher spannend.
Michaela Brocke: Die Preisforschung vereint verschiedene Themenfelder in sehr enger Weise: betriebswirtschaftliche und motivations-/marken-/entscheidungspsychologische Perspektiven, den unmittelbaren Anwendungsbezug der Marktforschung und tiefgreifende methodische Fragestellungen. Darin liegt ein ganz besonderer Reiz.
Der Preis - samt vorausgehender, dynamischer Prozesse der Preisfindung - steht nun mal im Mittelpunkt allen Verkaufens und Kaufens. Preise ergeben sich durch Angebot und Nachfrage; haben zugleich wichtige orientierende und kommunikative Funktionen. Im Markt insgesamt, ebenso wie gegenüber einzelnen Käufergruppen.
Ebenso vielfältig und spannend wie Preisstrategien und Preisgestaltungen ist auch die Preisforschung. Letztlich geht es um Werte, um Wertschätzung, um Qualität, Zugänglichkeit etc. - und damit verbundene Vermittlungsprozesse wie Marketing- und Kommunikationsstrategien. Preise sind keineswegs etwas Banales; und Preisforschung ist hochspannend und komplex zugleich.
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Wenn Sie "Pricing und Preisforschung" hören: Welche Assoziationen kommen als erstes in Ihnen auf?
Thomas Rodenhausen: Psychologie, Profit, Prestige. Um einmal ein paar andere Ps zu nennen...
Sören Scholz: Ich denke, dass eine ausführliche Antwort ganze Bücher füllen könnte, da ich mich schon über 20 Jahre mit diesem Thema beschäftige. Deshalb nur eine sehr kurze, persönliche Antwort: Preisforschung ist für mich eine echte Passion mit immer neuen Herausforderungen und großer Wirkung.
Michaela Brocke: Wichtige Fragestellungen von Pricing und Preisforschung sollten nicht vorschnell allein auf den Preis reduziert werden. Pricing sollte unter verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Marktpsychologisch, betriebswirtschaftlich und methodisch handelt es sich um eine anspruchsvolle Thematik. Preisforschung braucht in der Praxis ganzheitliches Gespür, tiefergehendes Kundenverständnis und ein sehr fundiertes methodisches Rüstzeug und Denken. Und ja: Preisstrategien sollten in Unternehmen in der Tat auch Chefsache sein.
Gibt es im Bereich Preisforschung eigentlich noch Innovationen? Oder werden im Kern immer wieder die gleichen Verfahren eingesetzt?
Sören Scholz: Beides. Viele Preisforschungsverfahren, wie z.B. die Conjoint Analyse, sind "tried & tested" und haben sich über Jahrzehnte bewährt. Innerhalb einer entsprechenden Methodenklasse gibt es aber - nach wie vor - zahlreiche Innovationen und Weiterentwicklungen. Darüber hinaus ändern sich die Rahmenbedingungen wie Kaufkanäle, Preiskontaktpunkte und -mechanismen, Einstellung der Konsumenten, finanzielle Budgets etc. fortlaufend. Entsprechend kann ich keinen Mangel an Innovationen feststellen. Ob diese aber auch in ähnlichem Umfang Eingang in die Marktforschungspraxis erhalten, ist allerdings ein anderes Thema. Hier mahlen die Mühlen manchmal doch recht langsam.
Michaela Brocke: Größere Veränderungen zeigen sich auf Ebene der Preisstrategien und im Preismanagement. Stichworte sind hier beispielsweise Behavioral Pricing und auch Dynamic Pricing.
Ursprünglich "rein preisorientierte" oder statistische Fragestellungen wurden um psychologische Komponenten erweitert. Das beeinflusst natürlich auch die Fragestellungen, Perspektiven und Aufgabenfelder der Preisforschung. Grundlegende Methoden wie die Conjoint-Analyse entwickeln sich - wenn auch vergleichsweise langsam - ebenfalls beständig weiter.
So hat sich Choice Based Conjoint über die ACBC und die MBC weiter ausdifferenziert und an neuen Möglichkeiten gewonnen. Methodische Grundideen sind dabei freilich gleich geblieben. Generell werden in der praktischen Preisforschung überwiegend etablierte und validierte Verfahren einsetzt. Wir beschäftigen uns aber auch mit neuen Arten der Preisabfrage. Diese zu validieren ist allerdings kein trivialer Vorgang; sie können bestehende Verfahren aber gezielt bereichern. Kurz: Preisforschung ist ein Bereich steter, im Ganzen aber nicht vorschneller oder rasanter Entwicklungen.
Thomas Rodenhausen: Ja klar gibt es Innovationen. Bei Harris Interactive haben wir mit dem Price Condenser ein Verfahren entwickelt, das die Vorzüge der Conjointanalyse und des Van-Westendorp-PSM verbindet. Der Price Condenser ist psychologisch fundiert und erschwert taktisches Antworten, insbesondere im b2b ein großes Problem. Außerdem erheben wir mit dem komplementären Price Calibrator die Motivation, am POS Preisinformationen überhaupt wahrzunehmen und diese in die Kaufentscheidung einfließen zu lassen. So können wir die Ergebnisse klassischer Preisforschungsverfahren, die die Teilnehmer dazu zwingen, sich mit Preisen auseinanderzusetzen, deutlich besser einschätzen.
Aber wie mit allen Innovationen gilt auch hier: Wer weitverbreitete Verfahren durch neue ersetzen will, braucht einen langen Atem. Also nochmals ja, altbewährte Verfahren - PSM und wahlbasierte Conjoints - sind die Basis der Preisforschung.
Welches Unternehmen bewundern Sie aufgrund seiner Pricing-Strategie?
Sören Scholz: Natürlich fallen einem hier sofort die üblichen Premium-Hersteller, wie z.B. Apple ein, die es schaffen ein Preisimage aufzubauen, bei dem der Preis weniger als "Schmerz" sondern als Konsequenz eines echten Premiumprodukts wahrgenommen wird. Aber auch am anderen Ende des Spektrums gibt es spannende Entwicklungen. Wer hätte z.B. gedacht, dass auch im Bereich der Handelsmarken echte Preisdifferenzierungen entstehen werden? Auch die Umstellung vieler Preismodelle von einem Besitz zu einem Subscription-Modell haben viele Firmen sehr erfolgreich gelöst - insb. in der Software- und Entertainment-Branche.
Michaela Brocke: Hier könnte ich jetzt Unternehmen nennen, mit denen wir erfolgreich im Bereich der Preisforschung zusammenarbeiten. Und die wir bei der Suche nach optimalen Pricing-Strategien unterstützen. Das werde ich aber nicht tun... ;)
Verallgemeinert gilt: Beim Pricing führen verschiedene Wege nach Rom. Strategien anderer einfach zu kopieren, macht in der Regel eher wenig Sinn. Insofern möchte ich hier auch kein Unternehmen als Vorbild nennen. Verschiedene Strategien haben je eine eigene Berechtigung. Wichtig ist aber, dass man im Pricing überhaupt eine Strategie entwickelt und verfolgt.
Thomas Rodenhausen: Mehrere: Aldi und Apple, Ford und Porsche. Aus unterschiedlichen Gründen, zu unterschiedlichen Zeiten.
Hand aufs Herz: Wurden Ihre Methoden zur Ermittlung von optimalen Preisen auch mal auf Ihre unternehmenseigenen Services angewandt? Oder gelten hier andere Gesetzmäßigkeiten?
Michaela Brocke: Da wir sehr maßgeschneidert forschen und beraten - und die Projektinhalte im gemeinsamen Dialog mit den Kunden inhaltlich auf spezifische Kundenanforderungen zuschneiden und wenn nötig auch auf bestimmte Budgetanforderungen ausrichten - stellt sich diese Frage im klassischen Sinne wie bei standardisierten Angeboten für uns nicht. Aber selbstverständlich wissen wir aus langjähriger Erfahrung, was einzelne Leistungsbausteine unserer Arbeit und die individuelle Qualität unseres Kundenservice wert sind.
Sören Scholz: Wir müssen ehrlich sein: Unsere Forschungsprojekte sind bei weitem nicht so strukturiert und standardisiert wie die Produkte und Dienstleistungen vieler unserer Kunden. In der Regel verkaufen wir individuelle Marktforschungsprojekte, die in der Stückzahl 1 hergestellt werden, so dass eine empirische Überprüfung mit unseren Methoden keinen Sinn ergeben würde.
Aber: Unsere Services enden nicht bei einer bloßen Lieferung von Studienergebnissen, sondern auch einer Analyse und Beratung hinsichtlich erfolgversprechender Preisstrategien. Und dieses Wissen kommt uns auch bei unserem eigenen Pricing zugute.
Thomas Rodenhausen: Die Gesetzmäßigkeiten sind gleich - aber es gilt das zum taktischen Antworten Gesagte. Wer Profi-Einkäufer zu Ihrer Zahlungsbereitschaft fragt, sollte nicht das Van Westendorp-PSM einsetzen. Ich habe noch nicht viele Kunden erlebt, die bereit sind, mit ihren Antworten zu Preiserhöhungen zum eigenen Nachteil beizutragen.
Achtet man als PreisforscherIn beim Einkaufen eigentlich in besonderer Art und Weise auf den Preis?
Michaela Brocke: Um ehrlich zu sein: Manchmal ja, manchmal nein ;). Das kommt ganz auf das Produkt an. Und das Kaufen/Einkaufen hängt ja auch noch von weiteren Faktoren als nur vom Preis ab.
Bestimmte Preissetzungen, Preismodelle, Preisentwicklungen oder Preisstrategien betrachtet man auch im normalen Alltag durchaus mit größerer Achtsamkeit und beruflicher Neugierde; was ja als Erfahrungsbackground auch sehr wichtig ist. Aber es ist nicht so, dass dies beim eigenen Kaufen ein ständiger Begleiter ist.
Thomas Rodenhausen: Ja sicher, bloß wie genau? Im Museum lohnt es sich, die Kunst ohne erklärende Schildchen anzusehen, ein bisschen naiv und rein von fremden Vorstellungen. Sich die eigene Wahrnehmung von etwas, ohne die eigene Vorerfahrung vorzustellen, fällt aber schwer.
Sören Scholz: Diese "professionelle" Brille kann ich tatsächlich nicht absetzen und bin ständig im Analysemodus. Ich bin aber sehr vorsichtig mit Verallgemeinerungen, ob mir dieses hilft, beim Einkaufen tatsächlich bessere Entscheidungen zu fällen. Schließlich bin auch ich ein Mensch der im Zweifelsfall zu Ex-post-Rationalisierungen neigt und der keine Probleme hat, auch wenig rationale Entscheidungen zu rechtfertigen. Es ist immer wieder lustig, wenn man die eigene Freude über einen kleinen Rabatt bei Softdrinks im Supermarkt bemerkt und dann beim nächsten Stopp an der Tankstelle überhaupt keine Probleme hat, für ein kleines Gebinde ebenjener Flüssigkeit das 3-5fache auszugeben, obwohl wohlmöglich sogar noch eine volle Flasche Wasser im Auto liegt. Von diesen Inkonsistenzen kann auch ich mich nicht freisprechen.
Wieso sollte ich mir als Produktmanager oder betrieblicher Marktforscher das Best-of "Pricing und Preisforschung" nicht entgehen lassen?
Thomas Rodenhausen: ROI! - es gibt kaum einen Bereich, bei dem man mehr für's Geld bekommt: Profit und Prestige eben.
Sören Scholz: Uns wurde schon häufig entgegengebracht, dass unsere Workshops einen guten Überblick über den State of the Art von Marktforschungsmethoden liefern und zumeist spannend und lehrreich sind. Aus diesem Grund: Sollte eine Person Preisforschung betreiben oder betreiben wollen, dann kann ich uneingeschränkt versichern, dass die aufgewendete Zeit für die Teilnahme gut investiert ist.
Michaela Brocke: Weil es sich lohnt, wichtige Implikationen und verschiedene Kontexte und Facetten von Pricing und Preisforschung zu verstehen und dazu ständig im Austausch zu bleiben. Mit einem spannenden Mix aus inhaltlichen und methodischen Aspekten wollen wir aktiv dazu beitragen, bisherige Blickwinkel gezielt zu erweitern und zu bereichern; zugleich praktische Anregungen für die eigene Arbeit auf den Weg mitzugeben. Die Teilnehmer*innen können dabei auch ihre ganz persönlichen Fragen mit einbringen.
Wir freuen uns auf ihre Teilnahme!
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Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

Harris Interactive AG

HEUTE UND MORGEN GmbH

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