Moritz Nüchtern, sobr GmbH Profund und auf den Punkt: Preisforschung mit dem adaptive pricr

Klassische Methoden der Preisforschung gehen oft von rationalen Entscheidern aus: Es wird eine hohe Preisbedeutung, -beachtung und -bekanntheit unterstellt. Die Personen verfügen über präzise Vorstellungen der eigenen Preisbereitschaft und äußern diese wahrheitsgemäß. Andere Methoden wenden iterative Techniken an und unterstellen damit, dass Befragte auch bei der zehnten Kaufentscheidungsfrage noch genauso realitätsnah antworten wie bei der ersten.

Nüchtern: Profund und auf den Punkt. (Bild: SNFV GmbH)

Unser adaptive pricr ist anders: Hier basieren die Ergebnisse letztlich nur auf einer einzigen Kaufaufgabe. Damit werden die Anforderungen an die Befragten auf ein realistisches Niveau reduziert. Der Preis kann die Rolle einnehmen, die er auch sonst für die Kaufentscheider hat. Er kann sehr wichtig sein oder weitgehend ignoriert werden. Diese Nähe an der realen Kaufsituation führt zu besonders validen Ergebnissen, wie wir in einer Vergleichsstudie zeigen konnten.

Wie ist es möglich, trotz dieser Einschränkung zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen?

Der adaptive pricr wählt den Testpreis für die Kaufaufgabe nicht zufällig aus, sondern konzentriert sich während der Feldphase immer mehr auf die Preise, die sich als besonders gut herauskristallisieren, die also beispielweise zu einem hohen Umsatz führen. Dazu werden für jeden neuen Befragten die Antworten aller vorangegangenen Befragten analysiert. Auf diese ART ("Adaptive Research Technique®) erfolgt im Laufe der Feldphase eine immer stärkere Fokussierung auf die wichtigsten Preispunkte.

Ein Beispiel:

Für ein Produkt sind Preise zwischen 0,59 Euro und 1,49 Euro denkbar, relevante Wettbewerber werden zu Preisen von 0,79 Euro, 1,09 Euro und 1,29 Euro angeboten.

Bei den ersten Befragten werden in der Kaufaufgabe zufällige Preise verwendet. Je klarer sich manche Preise als zu hoch und andere als zu niedrig herausstellen, desto seltener werden diese neuen Befragten vorgelegt. Für den Prozess der Fokussierung wird nicht nur die Kaufaufgabe verwendet, sondern es werden auch die Antworten auf verschiedene Nachfragen miteinbezogen. Am Ende ergibt sich eine Preis-Absatz-Kurve, deren Werte für die entscheidendsten Preispunkte am genauesten sind - in Abbildung 1 dargestellt an dem schmalen Konfidenzbereich bei 0,89 Euro / 0,99 Euro.

Aus den Kaufabsichten lassen sich durch Multiplikation mit dem jeweiligen Preis die Umsatzpotenziale berechnen. Das höchste Umsatzpotenzial wird in diesem Fall bei 0,89 Euro erreicht:

Wie erklärt sich dieses Ergebnis?

Die meisten Befragten haben sich bei der Kaufaufgabe an der Marke und eigenen Produkterfahrungen orientiert. Erst danach spielte auch der Preis eine Rolle.

Die Rolle des Preises war aber sehr unterschiedlich, je nachdem welcher Preis für das Test-Produkt präsentiert wurde. Für Personen, die sich bei einem Preis von 0,59 Euro bis 0,79 Euro für das Produkt entschieden haben, war der Preis entscheidend. Auch bei einem Preis von 0,89 Euro war er noch wichtig. Bei teureren Preisen haben sich die Käufer nur noch sehr selten aufgrund des Preises für das Produkt entschieden:

Ein Preis, der nicht über 0,89 Euro liegt, stellt also einen zusätzlichen Anreiz dar, das Produkt zu kaufen. Bei einem Preis von 0,99 Euro oder höher wird das Produkt dagegen nur selten aufgrund des Preises gekauft.

Eine weitere Erklärung liefern die Preisurteile. In Abbildung 4 werden die Bewertungen der verschiedenen Preise durch alle Befragten dargestellt. Die unterschiedlichen Fallzahlen werden durch die Breite der Übergänge zwischen den Urteilen verdeutlicht. Die Preisbewertungen gehören zu den Nachfragen im Anschluss an die Kaufaufgabe. Sie sind also auch weder durch Wiederholungen der Kaufaufgabe beeinflusst noch durch gerundete Angaben offener Selbsteinschätzungen verzerrt.

Die Preise 0,89 Euro und 0,99 Euro sind aus Sicht der Befragten die normalsten Preise, wobei bei 0,89 Euro die Günstigkeit leicht überwiegt, während 0,99 Euro etwas eher als teuer wahrgenommen wird. Preise darüber sind eindeutig (eher) teuer, Preise darunter (eher) günstig.

Welcher Preis letztlich gewählt werden sollte, hängt natürlich auch von der angestrebten Preis-Positionierung ab. In diesem Fall ging es lediglich um eine Umsatz-Optimierung. Der Preis von 0,89 Euro hat deshalb zu einem hohen Umsatz geführt, weil er von den Befragten gerade noch als eher günstig wahrgenommen wurde. Es werden also zusätzliche Käufer angesprochen. Gleichzeitig ist er nicht zu niedrig, so dass größere Umsatzverluste vermieden werden können.

Es wird auch erkennbar, wie abgeflacht Preisschwellen in der Realität oft sind: Das Preisurteil ändert sich nicht schlagartig an einer Preisstufe (z. B. der naheliegenden 1-Euro-Grenze), sein Verlauf erinnert eher an eine Welle zwischen dem günstigen und dem teuren Niveau. Das geringe Preiswissen mancher Befragter zeigt sich auch in den "Normal"-Einstufungen von - objektiv betrachtet - geringen und hohen Preisen.

Fazit

Der Einsatz des adaptive pricrs macht vor allem dort Sinn, wo die Annahmen klassischer Methoden angezweifelt werden können, wenn also zum Beispiel der exakte Preis nicht für alle Entscheider ein entscheidendes Merkmal ist oder die Befragten möglicherweise nur vage Vorstellungen ihres akzeptablen Preisbereiches haben. Dies ist beispielsweise im FMCG-Bereich sehr häufig der Fall.

Der adaptive pricr ist auch geeignet zur Integration in andere Befragungen. Thematisch passend wären beispielsweise Shopper-Insights-Studien zum Kaufentscheidungs-Verhalten oder Neuprodukt-Tests.

Die Frage des richtigen Preises ist zu wichtig für den Unternehmenserfolg, um dabei auf Marktforschung ganz zu verzichten oder Methoden mit eingeschränkter Validität einzusetzen.

Über den Autor

Moritz Nüchtern, sobr gmbh (Bild: SNFV GmbH)
Moritz Nüchtern war nach erfolgreichem BWL-Studium mit Schwerpunkt Marktforschung zunächst als angestellter POS-Marktforscher tätig, 2011 gründete er sein eigenes Institut, das seit 2019 unter dem Namen sobr gmbh firmiert. Im gleichen Jahr folgte die Nominierung für den BVM-Innovationspreis. sobr nutzt eine eigene Befragungssoftware sowie zahlreiche Analyse-Tools und ist spezialisiert auf neue Methoden der Online-Marktforschung.

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