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Prof. Dr. Robert Schweizer zur BDSG-Novelle: "Die Gefahren für die Branche sind noch längst nicht alle abgewendet"
Im Rahmen einer Sitzung des Bundesrates zum Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) am 13. Februar 2009 konnten die Marktforschungsverbände in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Prof. Schweizer erwirken, dass der Bundesrat "bittet", in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Tätigkeit der Markt- und Meinungsforschungsinstitute durch klarstellende Regelungen besser abgesichert werden kann. Hierzu hat sich der Jurist Prof. Dr. Robert Schweizer gegenüber marktforschung.de in einem Interview geäußert:
marktforschung.de: Was bedeutet der Beschluss des Bundesrates für die Markt- und Sozialforschung?
Robert Schweizer: Der Beschluss und seine Begründung stoppen - was die Markt- und Meinungsforschung betrifft - eine durch die Novellierungsentwürfe der Bundesregierung eingeleitete negative Entwicklung. Optimistisch betrachtet, können wir sogar von einer gewissen Wende sprechen. Für das weitere Gesetzgebungsverfahren ist nämlich aufgrund des Bundesratsbeschlusses klar, dass die Bedeutung der Markt- und Meinungsforschung besonders gewürdigt werden muss. Es wird sogar ein Zeichen gesetzt: Begründet wird der Beschluss sachkundig vor allem damit, dass es im Hinblick auf die Bedeutung der Markt- und Meinungsforschung und die Anonymisierung der Forschungsergebnisse möglich sein soll, im Rahmen des Forschungsprozesses personenbezogene Daten heranzuziehen. Das heißt vor allem: Grundsätzlich sollen Stichproben gezogen werden dürfen.
Der Bundesrat hat zudem für andere Professionen teilweise empfohlen, noch schärfer zu novellieren. Umso höher muss der Beschluss des Bundesrarts eingeschätzt werden.
Die Markt- und Sozialforschung wird dafür belohnt, dass sie jahrzehntelang strikt am Anonymisierungsgebot festgehalten hat. Der Bundesrat ließ sich, wie teilweise erwähnt, ausdrücklich davon leiten, dass die Markt- und Sozialforschung "nur" von der Einzelperson unabhängige Aussagen gewinnt.
So verheißungsvoll diese Entwicklung auch ist, gesetzgeberisch hat der Bundesrat nur eine "Bitte" geäußert. Wir befinden uns erst im Anhörungsverfahren.
marktforschung.de: Sind jetzt alle Gefahren für die Branche abgewendet oder bestehen noch Risiken? Wenn ja, welche sehen Sie?
Robert Schweizer: Die Gefahren für die Branche sind noch längst nicht alle abgewendet. Wir müssen nun überhaupt erst die Bundesregierung und den Bundestag dafür gewinnen, diese Bitte zu erfüllen. Als nächstes wird die Bundesregierung - die sich in den ersten Entwürfen ungünstiger zur Markt- und Sozialforschung geäußert hatte - zu den Empfehlungen des Bundesrats Stellung nehmen. Wir werden nach wie vor keine offenen Türen einrennen. Die Tendenz der Novellierung zielt bekanntlich grundsätzlich darauf, dass weit, weit weniger mit personenbezogenen Daten gearbeitet werden darf.
Darüber hinaus muss es uns erst gelingen, dass für alle Fallgruppen der Gesetzeswortlaut punktgenau im Sinne der Markt- und Meinungsforschung gefasst wird. Forscherische Anforderungen in juristische Regelungen umzusetzen, ist weit schwieriger als man annehmen möchte. Die Markt- und Sozialforscher haben zwar längst ausgearbeitet, wie formuliert werden müsste. Aber - so heißt es immer wieder - die "Juristen haben ihren eigenen Kopf".
marktforschung.de: Wie ist Ihre Einschätzung in Bezug auf die anderen betroffenen Branchen wie Verlage und Direktmarketingunternehmen? Da sieht es doch derzeit nicht so positiv aus?
Robert Schweizer: Für die anderen Branchen sieht es in der Tat noch ganz und gar nicht positiv aus. Ich habe erwähnt, dass der Bundesrat teilweise noch schärfer novellieren will, als es bislang die Bundesregierung vorgesehen hatte. So sollen das Koppelungsverbot und der Arbeitnehmerdatenschutz weiter ausgedehnt werden. Aber die Markt- und Sozialforschung kann verfassungsrechtlich einen Weg weisen:
Zugunsten der Markt- und Meinungsforschung hat der Bundesrat incidenter berücksichtigt, dass die Forschungsfreiheit, das Demokratieprinzip, die Presse- und Informationsfreiheit für Politik- und Marktumfragen sowie darüber hinaus auch noch die Berufsfreiheit beachtet werden müssen. Der FOCUS hat am Montag vor der entscheidenden Bundesratssitzung in einem Artikel beschrieben, dass es doch nach diesen Werten unvorstellbar ist, so etwas wie die Sonntagsfrage und die MA abzuschaffen.
Die anderen Branchen werden im Sinne dieser Verfassungsargumente versuchen müssen, zusätzlich zu den vielen bereits vorgetragenen und meines Erachtens überzeugenden Argumenten noch stärker auf das Grundgesetz und die unverhältnismäßigen Konsequenzen einzugehen. Ich denke da vor allem auch an den im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
marktforschung.de: Herr Prof. Dr. Schwiezer, vielen Dank für das Gespräch!
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