Prof. Dr. Detlef Fetchenhauer: "Marktforscher sollten mehr als bislang die Bedeutung des Unbewussten bei Kaufentscheidungen berücksichtigen."

Prof. Dr. Detlef Fetchenhauer

Prof. Dr. Detlef Fetchenhauer

Prof. Dr. Detlef Fetchenhauer ist Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Universität zu Köln. Seine Webinare bei marktforschung.de erfreuen sich großer Beliebtheit. Die nächste Reihe zum Thema "Erleben und Verhalten von Menschen - Wie trifft man eine gute Entscheidung?" startet im Oktober. Im Interview mit marktforschung.de berichtet er über Gründe von Kaufentscheiden und Labeling-Effekte.

marktforschung.de: Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist das menschliche Entscheidungsverhalten. Wie treffen Menschen ihre Kaufentscheidungen?

Detlef Fetchenhauer: Ganz unterschiedlich. Manchmal wohl abgewogen und vernünftig, dann wieder spontan und unüberlegt. Was mir auffällt: Marktforscher sollten mehr als bislang die Bedeutung des Unbewussten bei Kaufentscheidungen berücksichtigen. Wenn man Konsumenten nach den Gründen für eine Kaufentscheidung fragt, wird man immer eine Antwort erhalten. Die muss aber mit den eigentlichen Kaufmotiven nichts zu tun haben. Dabei geht es nicht darum, dass Konsumenten nicht die Wahrheit sagen wollen, sondern diese oftmals selber nicht wissen. 

marktforschung.de: Manchmal hört man, dass Leute Dinge kaufen, die sie gar nicht brauchen. Wie kann einem vernünftigen Menschen so etwas passieren?

Detlef Fetchenhauer: Einem vernünftigen Menschen passiert so etwas vermutlich nur selten. Aber Menschen, alle Menschen, sind eben nicht nur von ihrer Vernunft gesteuert. Und so kommt es, dass wir uns von spontanen Kaufimpulsen leiten lassen. Zudem kaufen Menschen manchmal eben auch, um ihre Stimmung zu verbessern, um sich für irgendetwas zu belohnen oder sich von einem Problem abzulenken. Und so kaufen z.B. Frauen auch dann Schuhe, wenn dies eigentlich nicht notwendig ist.

marktforschung.de: Würden Sie sagen, dass ein guter Verkäufer fast alles verkaufen kann?

Detlef Fetchenhauer: Ich würde vor allem sagen, dass ein guter Verkäufer nicht alles verkaufen will. In der Verkaufspsychologie wird ja zwischen "Hard-Selling" und "Soft-Selling" unterschieden. Beim Hard-Selling geht es darum, einem Kunden möglichst viele Produkte anzudrehen. Durch die geschickte Anwendung psychologischer Tricks ist hier tatsächlich viel möglich. Aber der Kunde spürt zumeist, dass er manipuliert wird, selbst wenn er sich nicht dagegen wehren kann. Und beim nächsten Mal wird er lieber woanders hingegen. Ein wirklich guter Verkäufer ist für mich jemand, der gute Produkte so verkauft, dass der Kunde auch langfristig damit zufrieden ist.



marktforschung.de: Treffen Frauen ihre Entscheidungen anders als Männer?

Detlef Fetchenhauer: Eigentlich nicht, auch wenn man immer wieder hört, Frauen seien intuitiver als Männer oder dass Männer ihre Entscheidungen rationaler treffen. Was sich allerdings manchmal unterscheidet sind die Ziele des Entscheidens. Für Männer ist ein hoher sozialer Status immer noch wichtiger als für Frauen. Für Frauen hingegen ein gutes Aussehen. Und dann macht Einkaufen Frauen schlicht mehr Spaß als Männern. Männer entscheiden oftmals schon vor dem Einkaufen, was sie haben wollen und suchen dann konkret danach. Frauen hingegen lassen sich beim Einkaufen gerne von den aktuellen Angeboten inspirieren – was Männer oftmals nicht nachvollziehen können.

marktforschung.de: Als Sozialpsychologe sehen Sie den Menschen immer auch in seinem sozialen Umfeld. Orientieren wir unser Verhalten an dem was andere tun?

Detlef Fetchenhauer: Ja, natürlich tun wir dies. Was ich spannend finde: Auf der einen Seite wird unser Leben immer individualistischer, auf der anderen Seite aber werden wir immer abhängiger von der Anerkennung Anderer. Ich wundere mich z.B. immer wieder, wie wichtig Menschen die Zahl ihrer Facebook-Freunde ist. Dabei wissen wir aus der Forschung, dass es gar nicht möglich ist, mehr als vier bis fünf echte Freunde zu haben.

marktforschung.de: Welche Rolle spielen Ehrlichkeit und Lüge für das soziale Miteinander?

Detlef Fetchenhauer: Eine ganz große Rolle. Wobei – und das finde ich sehr spannend – die meisten Menschen zwar wissen, dass sie nicht immer die Wahrheit sagen, aber sich trotzdem nicht vorstellen können, wie häufig sie selber angelogen werden. Für unsere eigenen Lügen finden wir übrigens viel leichter eine Entschuldigung als für die Lügen Anderer (z.B., wenn wir unserem Partner untreu sind). Grundsätzlich rate ich Menschen dazu, möglichst ehrlich mit ihrer Umwelt zu sein, vor allem aber zu sich selbst. Dies spart auf Dauer viel Kraft und Nerven.

marktforschung.de: Jüngst haben Sie sich in einem Forschungsprojekt mit Labeling-Effekten in der Produktwahrnehmung beschäftigt . Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen?

Detlef Fetchenhauer: Mit dem Thema Labeling-Effekte haben wir uns an meinem Institut in den letzten Jahren sehr intensiv auseinandergesetzt und dabei spannende Ergebnisse erzielt. So sind die meisten Menschen nicht in der Lage, teures Mineralwasser von Leitungswasser zu unterscheiden – sind aber trotzdem bereit, sehr viel mehr Geld dafür zu bezahlen. Ein anderes Ergebnis: Die meisten Menschen sagen, dass ihnen fair gehandelter Kaffee besser schmeckt als konventionell gehandelter Kaffee – obwohl sie den Unterschied gar nicht schmecken können. Womit sich die Forschung in den letzten Jahren sehr intensiv beschäftigt: Wie sehr die Wahrnehmung und moralische Bewertung physikalischer Objekte auch körperlich vermittelt ist. So liegen uns "unmoralische" Produkte buchstäblich schwerer auf den Schultern als moralisch gute Produkte – oder hat Kaffee einen "bitteren Beigeschmack", wenn die Kaffeebauern nicht fair dafür bezahlt wurden.

marktforschung.de: Herr Prof. Fetchenhauer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

Kommende Webinare mit Prof. Fetchenhauer:

  • Oktober-November 2012 | 5 Termine
    Wie trifft man eine gute Entscheidung?
    Themenblock 1 | Details und Anmeldung
  • November-Dezember 2012 | 5 Termine
    Wir und die Anderen - der Mensch in seiner sozialen Umwelt
    Themenblock 2 | Details und Anmeldung
 

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