Internationaler Tag der Pressefreiheit Pressefreiheit: 2022 gab es in Deutschland weniger Angriffe auf Journalisten

Empörungsbewegungen wie die der Querdenker oder früher Pegida sind laut ECPMF Katalysatoren der Pressefeindlichkeit.(Bild: picture alliance / | -)
Nach zwei Negativrekorden in Folge ist die Zahl der Angriffe auf Medienschaffende in Deutschland im Jahr 2022 gesunken. Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) registrierte im gesamten Jahr 56 Übergriffe, 27 weniger als 2021.
Nach der Analyse der Forschenden ist der Rückgang der Angriffe vor allem auf die Marginalisierung der Proteste der Querdenkerbewegung zurückzuführen. Im Vorjahr hatte der größte Teil der Übergriffe (77 Prozent) im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen COVID-19-Maßnahmen stattgefunden. Im Jahr 2022 sank dieser Anteil auf 48 Prozent. Der Rückgang kann jedoch nicht als Hinweis auf eine Entspannung der Sicherheitslage gewertet werden. Mit 56 verifizierten Angriffen sind die Angriffe viermal so hoch wie vor der Pandemie im Jahr 2019, als es 14 Angriffe gab.
Meisten Übergriffe in Sachsen
"Empörungsbewegungen wie die der Querdenker oder früher Pegida sind Katalysatoren der Pressefeindlichkeit. Wie hoch die Zahl der angegriffenen Journalisten in Deutschland ist, hängt maßgeblich von der Mobilisierungsfähigkeit dieser Demonstranten ab. Der Hass auf die Presse dient ihnen als ideologische Klammer, um ihre heterogene Anhängerschaft zusammenzuhalten", sagt Martin Hoffmann, Mitautor der Studie.
Im Vergleich der Bundesländer verzeichnete Sachsen mit elf Fällen die meisten Übergriffe.
Damit gab es im Freistaat seit 2015 bereits zum fünften Mal die meisten Übergriffe pro Jahr. Im Jahr 2022 folgte Berlin mit neun registrierten Übergriffen. In Bayern und Thüringen waren es jeweils acht. Eine verstärkte Ausbreitung der Übergriffe auf die westlichen Bundesländer, die erstmals im Jahr 2021 zu beobachten war, hat sich laut der ECPMF-Analyse im vergangenen Jahr nicht fortgesetzt.
Lokaljournalismus: Wenn Nähe zum Sicherheitsproblem wird
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der physischen Angriffe auf Lokaljournalisten verdreifacht. Insgesamt wurden zwölf tätliche Angriffe nachgewiesen; im Vorjahr waren vier lokale Medienschaffende betroffen. Der Analyse zufolge sind lokale Medienschaffende einer besonderen Bedrohung ausgesetzt, da sie nicht wie ihre Kolleginnen und Kollegen in größeren Städten in der Anonymität verschwinden können. In einigen Fällen demonstrierten pressefeindliche Bürger direkt vor Redaktionsräumen oder versuchten, Journalisten vor ihren Privathäusern einzuschüchtern.
"Die seit Jahren anhaltenden Vorwürfe der 'Lügenpresse' haben zu dem aktuellen Ausmaß der Bedrohungen geführt. Wir haben in vielen Interviews gehört, dass Medienschaffende bei der Berichterstattung über Demos Sicherheitsvorkehrungen treffen oder potenziell gefährliche Situationen ganz meiden", sagt Annkathrin Pohl, Mitautorin der Studie.
Erschreckend ist jedoch, dass die Anfeindungen bei einigen nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch die eigene Einstellung zum Beruf verändert haben: vom einstigen Traumjob zum 'Scheißjob'."
Fokus auf Gegenmaßnahmen
Journalisten, Verbände und Medienunternehmen, aber auch viele staatliche Institutionen haben inzwischen Gegenmaßnahmen entwickelt. Positiv zu bewerten ist die Initiative einiger Innenministerien. In Sachsen und einigen anderen Bundesländern werden zunehmend umfassende Medienschutzkonzepte umgesetzt, um Medienschaffende besser vor Angriffen auf Versammlungen zu schützen. Darüber hinaus haben insbesondere die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aber auch größere private Medienunternehmen, eine ganze Reihe von Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter ergriffen, wie zum Beispiel Begleitpersonen, Deeskalationsseminare oder juristische Unterstützung. Jessica Jana Dutz, Mitautorin der Studie, sieht jedoch noch viele Lücken:
Vor allem freie Journalisten sind in Deutschland noch nicht ausreichend geschützt. Für sie gibt es zu wenige niedrigschwellige und kostengünstige Schutzangebote. Journalistenverbände und Initiativen versuchen, diese Lücke zu schließen, aber auch sie haben nur begrenzte Ressourcen und können nicht alle erreichen."
Immer mehr inhaftierte Journalisten weltweit
Laut Reporter ohne Grenzen hat die Zahl inhaftierter Journalisten weltweit zugenommen. In immer mehr Ländern würden Mitarbeitende der Presse verfolgt, wenn sie Korruption oder Gewalt aufdecken – sei es durch kriminelle Vereinigungen oder die Machthabenden selbst. Derzeit würden sich in Osteuropa viele Bürger Sorgen um die Pressefreiheit in ihren Ländern machen.
Neben der Ukraine gelte Mexiko als das gefährlichste Land für Medienschaffende. Auch in vielen afrikanischen Ländern sei es schlecht um die Pressefreiheit bestellt: In Äthiopien würden Reporter staatsfeindlicher Umtriebe beschuldigt, in Mosambik sei die Presse mit einschränkenden Gesetzen konfrontiert und in Tunesien würden sich Medienschaffende Sorgen um die Zukunft machen, um nur drei Beispiele zu nennen.
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