Optimale Preisgestaltung durch Conjoint-Analysen

Michaela Brocke (HEUTE UND MORGEN)

Von Dr. Michaela Brocke, Geschäftsführerin von HEUTE UND MORGEN

Zur Bestimmung des optimalen Preises von Produkten oder Dienstleistungen ist eine präzise und zuverlässige Abschätzung der Zahlungsbereitschaft der Kunden unabdingbar. Neben der offenen Abfrage durch die Van Westendorp-Methode (auch: Price Sensitivity Measurement) sowie dem Garbor-Granger-Verfahren, bei dem die Kaufbereitschaft für eine Reihe von definierten Preispunkten abgefragt wird, zählt die Conjoint-Analyse zu den am stärksten etablierten Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft.

Nicht ohne Grund erfreut sich die Conjoint-Analyse größter Beliebtheit und wird vielfach bereits als „State of the Art“-Verfahren der Preisermittlung angesehen. Denn:

  • Die Methode weist den Vorteil auf, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht direkt abgefragt wird. Vielmehr müssen sich die Befragten – analog zur realen Entscheidungssituation – zwischen verschieden ausgestalteten Produkten zu unterschiedlichen Preisen entscheiden.
  • Da die „Testkunden“ konkrete und realistische Entscheidungen zwischen mehreren Produkten treffen – und somit auch die „Wettbewerbssituation“, der ein Produkt stets ausgesetzt ist, bereits bei der Abfrage berücksichtigt wird – liefert die Methode zuverlässige Ergebnisse zur Zahlungsbereitschaft. Zudem werden im Vergleich zu einer direkten Abfrage Verzerrungen und strategische Antworten vermieden.
  • Weiterhin lässt sich durch die Methode nicht nur die Zahlungsbereitschaft der Kunden zuverlässig abschätzen, sondern gleichzeitig auch die optimale Produktausgestaltung festlegen.

Im Folgenden werden zunächst das Vorgehen im Rahmen der Befragung sowie die Analysemöglichkeiten bei Conjoint-Analysen näher beschrieben. Abschließend wird auf Aspekte hingewiesen, die bei der Umsetzung zu beachten sind, um möglichst zuverlässige und valide Preisschätzungen zu erhalten.

Realitätsnahe Entscheidungen als Basis für zuverlässige Preisschätzungen

Grundsätzlich bewerten die Kunden im Rahmen conjoint-analytischer Befragungen stets „ganze“ Produktkonzepte, die aus mehreren Merkmalen bestehen. Die einzelnen Merkmale können zum Beispiel einzelne Produktleistungen oder Services sowie der Preis sein.

Durch die Darbietung ganzheitlicher Produktkonzepte zwingt man den Befragten, wie in einer tatsächlichen Entscheidungssituation, die Vor- und Nachteile bzw. das „Preis-Leistungs-Verhältnis“ verschiedener Produktvarianten gegeneinander abzuwägen.

Die konkrete Aufgabenstellung kann unterschiedlich sein:

  • Beim Einsatz der Methode zu Zwecken der Preisforschung werden den Befragten zumeist mehrere Produktkonzepte (Choice Sets) vorgelegt und es wird eine Wahlentscheidung verlangt (sog. Choice-Based Conjoint oder Discrete Choice-Verfahren). Oftmals wird den Befragten dabei auch die Möglichkeit eingeräumt, keines der angebotenen Produkte zu wählen (sog. No-Choice-Option).
  • Eine alternative, zur Messung der Zahlungsbereitschaft seltener eingesetzte Aufgabenstellung liegt darin, den Befragten zwei Produktkonzepte vorzugeben, die auf einer abgestuften Skala miteinander zu vergleichen sind (sog. Adaptive oder paarvergleichsbasierte Conjoint-Analyse).

Jeder Befragte bearbeitet in einer conjoint-analytischen Befragung mehrere solcher Aufgaben. Die in den einzelnen Aufgaben dargebotenen Produktkonzepte werden dabei hinsichtlich der einzelnen Produktmerkmale (Leistungen, Services, Preise) systematisch variiert, so dass vielfältige „Preis-Leistungs-Konstellationen“ beurteilt werden.

Vielfältige Analysemöglichkeiten zu Produktpräferenzen und Zahlungsbereitschaften

Im Rahmen der Datenanalyse wird die Zahlungsbereitschaft der Kunden aus den Antworten der Befragten indirekt mittels statistischer Verfahren abgeleitet. Die Produktbeurteilungen der Kunden werden hierzu in sog. „Nutzenwerte“ zerlegt, die den subjektiven Wert widerspiegeln, den die einzelnen in der Conjoint-Analyse variierten Merkmale für die Befragten haben (s. Abbildung 1).


Abb. 1

Die Nutzenwerte geben zum einen Aufschluss über die Präferenzen der Befragten indem sie zeigen,

  • ob einzelne Leistungen und Services für den Kunden tatsächlich einen Nutzen stiften,
  • wie groß dieser Nutzen ist und
  • wie wichtig die einzelnen Leistungen und Services für einen Kauf bzw. Produktabschluss sind.

Zum anderen lassen sich aus den Nutzenwerten auch Informationen über die Zahlungsbereitschaft ableiten. Anhand der Nutzenwerte für die Preise im Vergleich zu den Nutzenwerten für die weiteren Produktmerkmale wird erkennbar,

  • welche Zahlungsbereitschaft für die einzelnen Produktleistungen und -services besteht,
  • wie wichtig der Preis im Vergleich zu den weiteren Produktmerkmalen ist und
  • welches „Preis-Leistungs-Bündel“ für den Kunden optimal ist.

Das optimale „Preis-Leistungs-Bündel“ lässt sich dabei auf Basis der Nutzenwerte ermitteln, indem nach dem „Baukasten-Prinzip“ unterschiedliche Produktpakete zusammengestellt und hinsichtlich ihres Gesamtnutzens verglichen werden (vgl. Abbildung 1).

In sog. „What-if-Szenarien“ kann für einzelne Produktpakete zudem berechnet werden, welchen Marktanteil diese in einer spezifischen Marktsituation zu einem bestimmten Preisniveau erreichen. Hierzu wird ein Marktszenario erstellt, das neben dem eigenen Produkt die wichtigsten Wettbewerber-Produkte enthält.

Sollen im Rahmen der Preisfindung auch Substitutionseffekte zu weiteren eigenen Produkten beachtet werden, so können diese ebenfalls in das Marktszenario einbezogen werden. Im Rahmen der What-If-Analyse wird auf Basis der conjoint-analytischen Ergebnisse – die für diesen Zweck auch Informationen über den Wert der eigenen Marke und der Marken der Wettbewerber enthalten sollten (vgl. z.B. Brocke & Holling, 2007) – errechnet, welche Wahlanteile in dem jeweils vorgegebenen Marktszenario auf die einzelnen darin enthaltenen Produkte entfallen.  

  • Hierdurch lassen sich die Marktanteile abschätzen, die unterschiedlich ausgestaltete Produktkonzepte bei einem bestimmten Preis erreichen (s. Abbildung 2).
  • Zur Prüfung der Erfolgschancen zielgruppenspezifischer Produktvarianten lassen sich in den What-if-Analysen auch mehrere Produktvarianten betrachten (z.B. Basis- und Premiumprodukt).
  • Bei Produktlinienerweiterungen lässt sich darüber hinaus abschätzen und bei der Preisfindung berücksichtigen, wie groß mögliche „Kannibalisierungseffekte“ zu bereits bestehenden Produkten ausfallen.
  • Variiert man in der What-if-Analyse nur den Preis des geplanten Produkts und hält alle weiteren „Marktbedingungen“ konstant, so lassen sich Preis-Absatz-Funktionen ableiten, die zeigen, wie sich unterschiedliche Preise in einer bestimmten Wettbewerbssituation auf den Absatz auswirken (vgl. Abbildung 3).


Abb. 2


Abb. 3 

Umsetzungsempfehlungen für Pricing-Studien

Um im Rahmen der Preisforschung von den vielfältigen Vorteilen der Conjoint-Analyse in puncto Ergebnisqualität sowie Ergebnistiefe zu profitieren, ist bei der Umsetzung der Methode eine Reihe von Punkten zu beachten. Als zentral haben sich bei der Konzeption neben der richtigen Setzung der Preispunkte, die in die Conjoint-Analyse eingehen, unter anderem die Aufgabenkomplexität und -ausgestaltung sowie das Conjoint-Design erwiesen:

Die Komplexität der dargebotenen Aufgaben darf nicht zu hoch ausfallen, um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten. Zahlreiche Studien zeigen, dass eine zu hohe Informationsmenge – d.h. eine zu hohe Anzahl an Merkmalen und Alternativen in den Choice Sets – zu einem „Information Overload“ führt, der sich in verzerrten Schätzungen der Präferenzen und Zahlungsbereitschaften niederschlägt (vgl. z.B. Brocke, 2006). Diese Grundvoraussetzung für zuverlässige Ergebnisse wird in zahlreichen praktischen Anwendungen missachtet und kann sowohl zu einer deutlichen Über- als auch Unterschätzung der Zahlungsbereitschaft führen.

Bei der zur Messung der Zahlungsbereitschaft zumeist verwendeten Methode der Choice-Based Conjoint-Analyse sollte zudem eine bewusste Entscheidung für oder gegen die Aufnahme der No-Choice-Option in die Wahlaufgaben getroffen werden. Grundsätzlich ist die Aufnahme dieser Option von Vorteil, da sie zu valideren Ergebnissen für das Marktpotenzial und die Zahlungsbereitschaft führt. Die Option birgt jedoch insbesondere bei kleinen Stichproben die Gefahr, dass die Datenbasis für die Nutzenwertschätzungen zu gering ausfällt, sobald ein hoher Anteil der Befragten sich für diese Option entscheidet und keines der dargebotenen Produkte wählt. Ist dies zu befürchten oder die Stichprobenbasis grundsätzlich gering, ist eine Abschätzung des Anteils der „Nicht-Wähler“ durch ergänzende Wahlaufgaben außerhalb der Conjoint-Analyse vorzuziehen.

Da allgemein bekannt ist, dass die Zahlungsbereitschaft oft nicht unabhängig von der Anbieter-Marke ist (z.B. Johnson & Olberts, 1996), ist das Conjoint-Design – d.h. das gesamte Set an Aufgaben, das in der Befragung präsentiert wird – zudem so zu wählen, dass die Präferenzen der Befragten ausreichend zuverlässig geschätzt werden und auch Interaktionseffekte zwischen Marken und Preisen geprüft werden können.

Bei der Datenerhebung und -auswertung sollte die Conjoint-Analyse zudem um weitere Befragungs- und Analysemethoden ergänzt werden, um eine optimale Preissetzung sicherzustellen:

Je nach zu untersuchendem Produkt kann sich der flankierende Einsatz weiterer Pricing-Methoden anbieten, um ein umfassendes Bild über die Preisvorstellung bzw. das Preiswissen zu erhalten. Insbesondere bei Neuprodukten empfiehlt es sich, weitere Informationen über die Preisvorstellung der Befragten, bspw. durch eine der Conjoint-Analyse vorgeschalteten Van-Westendorp-Abfrage, zu gewinnen.

Um zu ermitteln, von welchen weiteren Faktoren die Zahlungsbereitschaft abhängt (z.B. Anbieterbindung, Produkt-Involvement, etc.) ist die Conjoint-Analyse darüber hinaus durch weitere vor- und nachgeschaltete inhaltliche Fragen zu ergänzen und sind potenziell zusätzlich relevante Aspekte im Rahmen der Datenanalyse auf ihren Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft zu prüfen.

Empfehlenswert ist es schließlich auch, eine Conjoint-Analyse durch qualitative Untersuchungen zu begleiten, zum Beispiel durch eine vorgeschaltete Gruppendiskussion oder Online-Community zur Bestimmung der relevanten Produktmerkmale, Ermittlung von Preiswissen und Preisschwellen sowie zur Identifizierung einzelner, die Zahlungsbereitschaft grundsätzlich beeinflussender Aspekte.

Fazit

Richtig angewandt, bietet die Conjoint-Analyse ein enormes Potenzial für die optimale Preisfindung. Die Kombination mit den genannten weiteren Marktforschungsmethoden ergibt im Ganzen ein überaus leistungsstarkes Instrumentarium, das eine fundierte Preissetzung gewährleistet, die Entwicklung und Markteinführung von Produkten umfassend begleiten und deren Erfolgsquote deutlich steigern kann.

 

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