Oliver Weyergraf: "Angesichts der Zunahme so genannter 'Fun-Studien' im Web 2.0 stellt sich die Frage, was überhaupt noch als Marktforschung zu betrachten ist"

Oliver Weyergraf, panelbiz GmbH

Oliver Weyergraf, panelbiz GmbH

Oliver Weyergraf ist seit 2007 Geschäftsführer der panelbiz GmbH in Berlin. Im Interview mit marktforschung.de äußert er sich zu Trends und Entwicklungen in der Online-Marktforschung sowie zu den Vorteilen der Vernetzung seines Unternehmens mit großen Medienhäusern.

marktforschung.de: Herr Weyergraf, panelbiz wurde 2005 gegründet, seit 2007 sind Sie Geschäftsführer im Unternehmen. Was waren seit Ihrem Einstieg die aus Ihrer Sicht signifikantesten Veränderungen im Bereich der Online-Marktforschung?

Oliver Weyergraf: Die Veränderungen, die wir in den letzten Jahren registriert haben, sind positiver Natur. Das Ansehen der Online-Marktforschung ist stark gestiegen, was sich bei uns unter anderem durch eine stetig steigende Auftragslage bemerkbar machte. Selbst konservative Marktforschungsinstitute erkennen zunehmend die Qualitäten von Online-Methoden. Wir können beispielsweise spezielle Zielgruppen ansprechen, die zuvor gar nicht oder nur mit großem Kostenaufwand erreichbar waren.

Ein eher bedenklicher Trend ist allerdings, dass mancher Marktteilnehmer die "Preis-Qualitätsschere" immer weiter auseinander gehen lässt. Denn bei der Auswahl der richtigen Panels sollte niemals nur auf den Preis, sondern vielmehr auf die Qualität geachtet werden.

marktforschung.de: Wo sehen Sie die derzeit wichtigsten Marktforschungstrends?

Oliver Weyergraf: Aus unserer Sicht als Felddienstleister ist der zunehmende Umstieg vieler Institute von CATI- auf Online-Befragungen besonders relevant. Darüber hinaus wird die Online-Marktforschung immer öfter auch für qualitative Studien wahrgenommen, da sie hochwertige Ergebnisse zu geringeren Kosten und viel schneller als die klassische Marktforschung liefern kann. Dies erkennen auch immer mehr Marketing-Entscheider. Ein weiterer Trend ist die steigende Nachfrage nach B2B-Studien und speziellen Zielgruppen, worauf wir mit dem Aufbau exklusiver Spezialpanels reagierten. Außerdem beobachten wir eine rasante Entwicklung der mobilen Marktforschung sowie die Zunahme von In-Home-Use-Tests und der Werbewirkungforschung.

marktforschung.de: panelbiz ist im Holtzbrinck-Konzern verwurzelt – ein Vorteil bei Aufbau und Pflege Ihrer Panels?

Oliver Weyergraf: Durch die Beteiligung am Holtzbrinck-Konzern können wir bei der Teilnehmerrekrutierung auf ein breites Medienspektrum - sowohl online als auch offline - zurückgreifen und erreichen dadurch eine heterogene Panelstruktur. Dies ist aber nur die Basis unseres Panelaufbaus. Denn wir haben auch viele andere Partner und sind mit namhaften Medienhäusern wie Gruner+Jahr und Axel Springer sehr gut verdrahtet. Neben der heterogenen Panelstruktur, die wir dadurch erreichen, ermöglicht uns dieses breite Mediennetzwerk auch den Zugang zu spezifischen Zielgruppen.  

marktforschung.de: Panelmortalität und sinkende Teilnahmebereitschaft sind Problemfelder, mit denen sich Panelanbieter immer wieder konfrontiert sehen. Wie begegnen Sie mit panelbiz diesen Herausforderungen?

Oliver Weyergraf: Teil unserer Unternehmensphilosophie ist es, die Panelisten als Partner und nicht als "Truppe", die man ausnutzt, zu betrachten. In diesem Sinne achten wir auf regelmäßigen Kundenkontakt, telefonischen Support und eine aktive Panel-Pflege. Zudem achten wir darauf, dass es zu keinem Over- oder Unter-Entertainment der Teilnehmer kommt und überprüfen die Studien unserer potentiellen Kunden auf ihre Durchführbarkeit hin, bevor wir einen Auftrag annehmen. Das wissen die Panelteilnehmer sehr zu schätzen.

marktforschung.de: Mittlerweile bauen zahlreiche Unternehmen eigene Online-Panels auf. Wo liegen die Mehrwerte, die die Anbieter aus der Marktforschungsbranche – also auch Sie als Panelanbieter – diesen Unternehmen bieten können?

Oliver Weyergraf: Neben unserem umfangreichen und bevölkerungsrepräsentativen Panel sowie den zahlreichen Spezialpanels bieten wir die Möglichkeit an, Private Panels – auch in Kombination mit Drittanbietern- aufzubauen. Dadurch bekommen unsere Kunden nach spezifischen Studienbedürfnissen maßgeschneiderte Lösungen. Dabei liefern wir nicht nur den technischen Support, sondern übernehmen auch das gesamte Panelmanagement, also die Kontaktaufnahme- und pflege.

marktforschung.de: Wie bewerten Sie die marktforscherischen Potenziale im Web 2.0?

Oliver Weyergraf: Aus Sicht eines Felddienstleisters stehen wir dem eher skeptisch gegenüber. Angesichts der Zunahme so genannter "Fun-Studien" im Web 2.0 stellt sich die Frage, was überhaupt noch als Marktforschung zu betrachten ist.

Dass sich Online-Communities eher nicht für repräsentative Studien eignen, wurde unter anderem in einem Methodentest bestätigt, den wir letztes Jahr in Zusammenarbeit mit Pangea Labs aufsetzten. Dabei wurden zwei Studien mit einer identischen Fragestellung, aber unterschiedlichen Rekrutierungsmethoden durchgeführt. Während man in einer Variante die Teilnehmer über das Schweizer Studentenportal students.ch rekrutierte, wurde bei der zweiten Befragung über unser Panel meiungsplatz.de eine repräsentative Stichprobe gezogen. Es stellte sich heraus, dass bei allgemeinen Fragen zwar ähnliche Ergebnisse erzielt wurden, aber bei speziellen Themenfeldern deutliche Unterschiede auftraten. Denn students.ch ist nur für die Mitglieder des Portals repräsentativ und nicht für die gesamte Schweizer Studentenschaft.

Die Priorität von Marktforschungsstudien ist es nicht, eine möglichst große Stichprobe zu erreichen, sondern die richtige Auswahl aus einer definierten Grundgesamtheit zu treffen. Und dies kann nur mit Hilfe erfahrener Methodiker erfolgen. Zweifelsohne bietet das Web 2.0 auch produktives Potential für die Marktforschung, dieses muss allerdings gezielt genutzt werden.

marktforschung.de: Hat die Marktforschung im Umgang mit „Social Media“ aus Ihrer Sicht noch Nachholbedarf?

Oliver Weyergraf: Als Felddienstleister, der keine Methodenforschung betreibt, können wir sagen, dass soziale Netzwerke im Internet zwar eine relevante Komponente für die Marktforschung sind, allerdings nicht überbewertet werden dürfen. Man sollte sie so einsetzen, dass die in richtiger Kombination mit sozialwissenschaftlichen Methoden ein nützliches Hilfsmittel für die Marktforschung sein können.

marktforschung.de: Wird es in zehn Jahren noch Online-Panels im klassischen Sinn geben, also so, wie sie heute üblich und verbreitet sind?

Oliver Weyergraf: Es ist davon auszugehen, dass Online-Panels in näherer Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden. Vor allem wenn man bedenkt, dass es noch vor wenigen Jahren unvorstellbar war, dass Online-Methoden in die klassische Marktforschung integriert werden. Diesbezüglich werden auch die Qualitätsanforderungen weiter steigen, weil viele Kunden merken, dass es sich auch bei Online-Felddienstleistern lohnt, Dienste von qualitativ hochwertigeren Anbietern in Anspruch zu nehmen.

Solange es Marktforschung gibt, werden verschiedene Arten von Felddienstleistungen nebeneinander existieren. Daher werden sich bestimmt auch neue Formen entwickeln. Schon jetzt ist beispielsweise ein Trend zu mobile resaerch zu beobachten, und bald könnten auch interaktive TV- und auch Haushaltsgeräte zum wichtigen Marktforschungsmedium avancieren.

marktforschung.de: Herr Weyergraf, herzlichen Dank für das Interview!

 

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