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Data Scientist Christian Liguda im Interview "Ohne das nötige Know-how verursacht Big Data eher Kosten als Nutzen"

Christian Liguda (eprofessional)
marktforschung.dossier: Herr Liguda, Sie sind Data Scientist bei der Performance Marketing-Agentur eprofessional. Was gehört zu Ihrem Aufgabenbereich?
Christian Liguda: Als Data Scientist führe ich zum einen statistische Auswertungen unserer Datenbestände durch, um die Performance unserer Kampagnen zu bewerten und Optimierungspotenziale ausfindig zu machen. Hierbei beziehen sich die meisten Analysen auf Datenbestände, die aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr mit einfachen Werkzeugen wie Microsoft Excel zu handhaben sind. Des Weiteren entwerfe ich Algorithmen für unsere eigenen Softwareprodukte, welche z.B. auf Basis von mathematischen Analysen oder maschinellen Lernverfahren unsere Kampagnen optimal aussteuern oder Uplift-Potenziale für einzelne Kampagnen identifizieren.
marktforschung.dossier: Würden Sie der Aussage „Data Scientists sind im Zeitalter von Big Data unverzichtbar!“ zustimmen?
Christian Liguda: Ohne das nötige mathematische sowie technische Know-how, aus großen Datenmengen relevante Informationen abzuleiten, verursacht Big Data eher Kosten als Nutzen. Somit sind Data Scientists für jedes Unternehmen, welches auf Big Data setzt, unverzichtbar, um die wirklich interessanten Informationen, die einen realen Mehrwert liefern, zu identifizieren.
marktforschung.dossier: Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Tätigkeit gekommen?
Christian Liguda: Nach meiner Arbeit am Deutschen Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz als wissenschaftlicher Mitarbeiter, habe ich gezielt nach Stellen in der Industrie gesucht, die einen mathematischen Hintergrund erfordern. Der Beruf des Data Scientist bietet für mich dabei die ideale Möglichkeit, meinen Hintergrund der Mathematik und künstlichen Intelligenz in Projekten mit praktischer Relevanz umzusetzen.
marktforschung.dossier: Was sind aus Ihrer Sicht typische Einsatzbereiche für Data Scientists?
Christian Liguda: Data Scientists sind für jeden Bereich interessant, in welchem große Datenmengen zur Verfügung stehen. Dies sind zum einen Unternehmen im Online Segment wie Social Networks, Online Games oder Online Marketing, da hier naturgemäß große und vielfältige Datenmengen anfallen, aus welchen sich Optimierungspotenziale ableiten lassen. Ferner arbeiten viele Data Scientists auch in klassischen Unternehmen, beispielsweise im Gesundheitswesen oder bei Kreditinstituten.
marktforschung.dossier: Wie viel „Marktforschung“ steckt in Ihrem Job?
Christian Liguda: Für meine Position spielen die üblichen Fragen der Marktforschung eine eher untergeordnete Rolle. Eine wichtige Ausnahme bildet hier jedoch die Customer Journey Analyse, für welche wir mathematische Modelle entwickeln, die das Benutzerverhalten im Onlinemarketing beschreiben und die einzelnen Onlinekanäle nach verschiedensten Kriterien bewerten, um beispielweise die rentabelste Möglichkeit der Neukundenansprache zu identifizieren.
marktforschung.dossier: Würden Sie sich als eine Art „Sekundärforscher“ verstehen?
Christian Liguda: Als Data Scientist kann man mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen an die zur Verfügung stehenden Daten treten. Auf der einen Seite stehen Fragen, die eine Optimierung bestehender Kampagnen betreffen und somit Auswertungen der Daten für ihren ursprünglichen Zweck darstellen. Auf der anderen Seite stehen Fragen, die zu Beginn der Datenaufzeichnung noch nicht bekannt waren und rückblickend Hypothesen beispielsweise über das Benutzerverhalten aufstellen. Somit blickt man auf den Datenbestand abwechselnd als „Primär-“ oder „Sekundärforscher“.
marktforschung.dossier: Könnten Sie sich vorstellen, dass durch die fortschreitende Digitalisierung und damit der Omnipräsenz verfügbarer Daten Teilbereiche der „klassischen“ Marktforschung obsolet werden?
Christian Liguda: Nach meiner Einschätzung wird Big Data auch großen Einfluss auf die Marktforschung haben, da sich viele interessante Fragen mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Daten beantworten lassen. Hinzu kommen Fragen, die sich überhaupt erst durch die Auswertung sehr großer und vielfältiger Datenmengen beantworten lassen. Trotz dieser Veränderungen werden auch in Zukunft nicht für jede Frage, die mit Hilfe quantitativer Methoden beantwortet werden soll, entsprechende Daten zur Verfügung stehen. Für Fragen, die mit Hilfe qualitativer Datenerhebung beantwortet werden sollen, sehe ich eine Beantwortung durch Big Data als noch problematischer.
marktforschung.dossier: Wie bewerten Sie das viel diskutierte Thema „Datenschutz“?
Christian Liguda: Datenschutz ist ein sehr wichtiges Thema, welches zu selten neutral und sachlich diskutiert wird. In einigen Bereichen bedarf es sicher mehr Aufklärung, damit jeder die Konsequenzen seiner Datenfreigabe besser abschätzen kann. Auf der anderen Seite kann eine datenschutzkonforme Nutzung der Daten von Internetusern und Kunden sowohl für Unternehmen als auch Kunden einen wirklichen Mehrwert liefern, welcher in der öffentlichen Diskussion zum Thema Datenschutz oft zu gering beachtet wird.
marktforschung.dossier: Welche Rolle spielen rechtliche Aspekte bei Ihrer täglichen Arbeit?
Christian Liguda: Die rechtlichen Aspekte werden insbesondere in Kundengesprächen deutlich, wenn Datenanalysen auf externen Daten durchgeführt werden sollen. In solchen Fällen muss man sich Gedanken über den rechtlichen Rahmen der Datenfreigabe machen. Hierfür werden unter anderem IP-Adressen maskiert und Benutzer nur durch IDs markiert, so dass keine Verbindung zu einem konkreten Internetuser hergestellt werden kann.
marktforschung.dossier: Herr Liguda, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
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