Oettinger-Studie: Das Doppelleben der Deutschen
Köln - Wie denken wir Deutschen eigentlich über unser Land und über uns selbst? Was sind typisch deutsche Tugenden oder auch Untugenden? Und welche Entwicklung hat das "Deutschlandbild" über die letzten Jahrzehnte genommen? Antworten auf diese Fragen gibt die Deutschland-Studie, die von der OETTINGER Brauerei GmbH initiiert und vom rheingold salon durchgeführt wurde.
"Die Deutschen entwickeln im Verhältnis zu ihrer Nation ein Doppelleben", so Jens Lönneker, Geschäftsführer des rheingold salon und Projektleiter der Studie. Im "öffentlichen" Bild dieses Doppellebens stehen die ungeliebten und stereotypen Vorstellungen vom Deutschen. Jenseits dieses "öffentlichen" Bildes hat sich ein weiteres "privates Leben" in Deutschland entwickelt, das voller Vielfalt steckt.
Typisch deutsch im "öffentlichen Bild":
Mindestens 90% der Befragten stufen die folgenden Tugenden jeweils als typisch deutsch ein: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Fleiß, Ordnung und Sauberkeit. Das Bild des typisch Deutschen erweist sich als sehr konsistent.
Die große Mehrheit hat trotz der vermeintlich guten Wirtschaftslage das Gefühl, dass sich ihr Land nicht weiterentwickelt. Es besteht eine tiefe Sorge über den Zustand der Nation. 70% stimmen der drastischen Aussage zu: "Deutschland geht immer mehr den Bach runter."
"Die deutsche Politik ist zögerlich und wankelmütig" finden 80% der Befragten. Sie sind der Meinung, "es mangelt der Politik an Entscheidungsfähigkeit und Tatkraft."
Und der Schatten der NS-Vergangenheit ist immer noch ein Hemmschuh. 72% sagen, "unsere Nazi-Vergangenheit hemmt uns und hindert uns daran, in der Politik entschiedenere Maßnahmen zu ergreifen."
Typisch für das "private Deutschland":
So stereotyp das Bild vom Deutsch-Sein ist, so sehr leisten sich die Deutschen eine Vielfalt unterschiedlicher persönlicher Haltungen zu ihrer Nation. Ca. ein Drittel der Deutschen stuft sich als typisch deutsch ein - ein weiteres Drittel jedoch explizit als nicht typisch deutsch. Das restliche Drittel möchte weder das eine noch das andere sein.
Private Lebensqualität ist den Deutschen ein echtes Anliegen. Gesundheit (98%) und finanzielle Unabhängigkeit (94%) ist ihnen sehr wichtig. Felder, die ein stärkeres Engagement jenseits des ganz persönlichen Glücksstrebens erfordern, erzielen dagegen viel weniger Zustimmung: Traditionspflege (54%), politisches Engagement (30%) oder "viele Kinder haben" (28%). 82% der Befragten sind der Auffassung, dass jeder Mensch nach seinen eigenen Vorstellungen leben soll. 79% der Befragten sagen, dass ihnen "ihre individuelle Freiheit am wichtigsten ist." Alle Befragten beobachten aber auch, dass diese Freiheit in harmloser oder heftiger Weise überstrapaziert und missbraucht wird. Das verunsichert. Den vermeintlich unsicheren Perspektiven für Deutschland stellen die Deutschen viel Sicherheitsdenken gegenüber: 96% der Deutschen ist "es wichtig, Menschen zu haben, auf die sie sich verlassen können, egal was passiert." Und eine gesicherte Rente ist 91% wichtig.
Wie funktioniert das deutsche Doppelleben?
Das öffentliche stereotype Bild vom funktionierenden Deutschen wird durch die Bank hochgehalten, aber auch wenig geliebt. Die Deutschen halten an ihm jedoch gerne fest, weil es mit seiner "Musterknaben"-Attitüde hilft, "dunkle, schwierige Seiten" des Deutsch-Seins psychologisch außen vor zu lassen.
Jenseits dieses stereotypen und tugendhaft normierten Bildes vom Deutschen hat sich de facto längst ein reiches, vielfältiges Leben im "privaten" Deutschland entwickelt. Individuelle Freiräume und persönliches Glück stehen hier im Vordergrund. Hier zeigen sich auch weniger tugendhafte Seiten der Deutschen: 73% der Befragten sagen: "Die Deutschen sind gar nicht alle so ehrlich, pünktlich und gewissenhaft, wie man immer denkt – es gibt auch eine ganze Menge Schlawiner darunter."
Psychologisch ist das Doppelleben mit seiner Stereotypie eine tolle gesellschaftliche Konstruktion: Hinter einer scheinbar intakten normierten öffentlichen Fassade können die Deutschen überwiegend ein vielfältiges, unbeschwertes Leben im Privaten führen.
Die jüngsten Entwicklungen führen nun aber dazu, dass das Doppelleben unter Druck gerät. Der deutsche "Apparat" droht, überlastet zu werden und nicht mehr zu funktionieren. Die Sekundärtugenden schützen nicht mehr, werden ausgehöhlt und sogar vom Ausland angegriffen. Dies macht zwar generell Angst, diese wird aber bislang überwiegend im Privaten behandelt.
Zur Studie: Im ersten Schritt wurde die qualitative Untersuchung durchgeführt, für die 200 Personen an 11 Standorten in Deutschland in tiefenpsychologischen Einzelinterviews und Fokusgruppen zu den einzelnen Themenkomplexen interviewt wurden. Im zweiten Schritt wurden die Ergebnisse der qualitativen Studie in einer Befragung mit mehr als 1.000 Befragten in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen und der lehrstuhlnahen Einrichtung Talking-Data quantifiziert und validiert.
ah/rheingold salon
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