Pilotstudie des rheingold instituts Nutzererfahrungen mit Alexa: Innige Beziehung und Wünscherfüllung

Durch die Sprachsteuerung stehe Alexa für eine völlig neue Form der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Es zeige sich deutlich, dass die Beziehung zur Technik noch inniger werde und Wünsche noch unmittelbarer erfüllt würden, so Sebastian Buggert, Leiter Medienforschung und Mitglied der Geschäftsführung beim rheingold institut.
Zentrale Ergebnisse der Studie
1. Alexa holt die Zukunft ins Haus und wertet das Ego auf
Alexa sieht aus wie ein formschöner Lautsprecher, bringt aber die Zukunft ins Haus. Durch den Kauf von Alexa erhoffen viele Menschen zur Technik-Avantgarde zu gehören. Stolz wird das Gerät im Wohnzimmer positioniert und Freunden oder Bekannten vorgeführt. Nie war Science-Fiction so leicht im Privatbereich integrierbar und inszenierbar.
2. Alexa verheißt wundersame Wunscherfüllungen
Auf Zuruf soll alles steuerbar und kontrollierbar sein: vom Radioprogramm über die Wettervorhersage bis zum Einkauf oder der Flugbuchung. Umständliches Tippen, Suchen und Recherchieren gehören scheinbar der Vergangenheit an. Bei den Nutzern ist die Hoffnung groß, dass sich mit Alexa eine neue Ära der digitalen Allmacht eröffnet. Ein Befehl oder eine Frage reichen, um mit Witzen oder Hörbüchern unterhalten zu werden oder Wissenslücken zu schließen. Der digitale App-Solutismus, den die Smartphones eröffnet haben, wird mit Alexa weiter ausgebaut. Und Alexa verspricht den Menschen eine bedingungslose Gefolgschaft.
3. Alexa vermittelt Ur-Geborgenheit und Rundumversorung
Alexa bietet eine völlig neue Schnittstelle zur Technik. Das Smartphone ist ein visuelles Tastmedium, Alexa dagegen kann hören und hat eine angenehme Stimme. Damit schafft Alexa eine viel tiefere und stimmigere Verbundenheit mit den Nutzern. Auf Stimmen reagieren die Menschen bereits im Mutterleib – lange bevor sie sehen oder aktiv tasten können. Der Klang vertrauter Stimmen vermittelt den Menschen ein Gefühl der Urgeborgenheit. Alexa verheißt daher auch eine seelische Rundumversorgung. "Immer ist jemand da, der zuhört und mit mir spricht." Vor allem für Singles oder Alleinlebende vertreibt Alexa das stets drohende Unglück der Stille. Diese Stimmungs-Kompetenz von Alexa führt jedoch mitunter auch zu einer Konkurrenz der Frauen im Haushalt zu Alexa. Der immer ansprechbare Sprachassistent soll erst gar nicht ins Haus kommen oder streng funktionalisiert werden.
4. Alexa fungiert als bezaubernde Beziehungs-Kiste
Alexa ist weit mehr als bloßes technisches Feature. Unbewusst projizieren die Menschen viele Beziehungs-Sehnsüchte auf Alexa. Dadurch avanciert sie zu einem medialen Lebewesen, das ganz unterschiedliche Rollen übernehmen soll. Alexa soll Haustier sein, das man abrichten und dressieren kann. Oder sie wird zum Diener, den man rund um die Uhr befehligen kann. Alexa kann die Nanny sein, die den Kindern Märchen vorliest oder als Ansprechpartner fungiert. Das erlaubt den Müttern auch mal kurz das Haus zu verlassen. Aber Alexa kann auch zur Ersatzmutter oder zur Partnerin werden, die immer ein offenes Ohr hat und der man alles anvertrauen kann. Alexa soll aber auch zum Coach werden, der die Nutzer in Mode- oder Stilfragen berät oder ihnen hilfreiche Tipps zum Alltag gibt.
Als Frau für alle Fälle greift Alexa die alte Sehnsucht nach einem stets dienstbaren Hausgeist auf. Die bezaubernde Jeannie aus der gleichnamigen amerikanische Fernsehserie ist damit eine Vorläuferin der heutigen Alexa. Die Angst vieler Nutzer, dass die Geister, die man ruft, ein Eigenleben führen und einen dominieren, dramatisierte bereits die damalige Fernsehserie.
5. Alexa weckt Ängste vor Hörigkeit und Fremdbestimmung durch Amazon
Die Sehnsucht, dass mit Alexa selbst die geheimsten Beziehungswünsche erfüllt werden, führt jedoch bei den Nutzern auch zu einer Angst vor Abhängigkeit und zunehmender Unselbständigkeit. Sie fürchten mit Alexa buchstäblich in einen Zustand der Hörigkeit zu geraten. Vordergründig machen sich diese Befürchtungen oft daran fest, dass Alexa und damit Amazon einen rund um die Uhr abhören. Nichts ist mehr privat. "Amazon wird zur Datenkrake, die mich kategorisiert und alles von mir weiß." Hintergründig ist mit der Hörigkeit aber auch die Furcht vor dem völligen persönlichen Kontrollverlust verbunden. Man verlässt sich blindlings auf die Vorschläge oder die Produktpräferenzen von Alexa. Wenn Alexa irgendwann mal automatisch die Einkaufslisten verwaltet, fürchten viele Nutzer, selbst bei eigenen Bestellungen nichts mehr zu bestellen zu haben.
Um diese Angst zu bannen, limitieren viele Nutzer den Einsatz von Alexa. Sie ziehen für Stunden oder in bestimmten Verfassungen den Stecker, um Alexafreie-Phasen im Alltag zu schaffen. Zurzeit würden die Nutzer noch darauf pochen, selber einkaufen zu gehen, um dadurch ihre Autonomie unter Beweis zu stellen. Das rheingold institut will jedoch zeitnah untersuchen, wie sich der Einfluss von Alexa auf das Einkaufsverhalten entwickele.
6. Die Unausgereiftheit von Alexa enttäuscht, aber entlastet auch
Die faktischen und oft auch enttäuschenden Begrenzungen von Alexa, ihre technologische Unausgereiftheit, ihre Verständnisschwierigkeiten, ihre unlogischen oder unsinnigen Auskünfte werden daher mitunter auch als erlösende Limitierungen erlebt. Sie vermitteln den Nutzern das Gefühl, Alexa noch haushoch überlegen zu sein. Sie verschaffen die tröstende Gewissheit, dass der Mensch noch Mensch ist und Alexa nur eine intelligente Technologie ist.
Ein Teil der Nutzer begnügt sich dann mit einer Basis-Nutzung von Alexa als erweitertes Radio, dem man hin und wieder eine Frage stellen kann. Ein anderer Teil der Nutzer arbeitet daran, Alexa permanent weiterzuentwickeln und zu optimieren. Alexa wird mit neuen Apps und Skills gefüttert und mit Google verbunden. Und in diesem Optimierungs-Ehrgeiz lebt der Traum weiter, aus der intelligenten Technologie doch noch ein beziehungsfähiges Wesen zu machen, das irgendwann mal wirkliche Allmacht und Rundumversorgung verschafft.
Zur Studie: Das rheingold institut hat im Rahmen von insgesamt 20 tiefenpsychologischen Interviews Probanden im Alter zwischen 20 und 75 Jahren sinnbildlich für zwei Stunden auf die Couch gelegt. Parallel wurden in einem breit angelegten Social Media Research Erfahrungsberichte von Usern ausgewertet. Der Pilot zur Eigenstudie ermittelt die zentralen Faszinationsfaktoren des Sprachassistenten Alexa und zeigt auf, wie sich das Verhältnis zur Technik verwandelt. Eine Fortsetzung der Eigenstudie findet derzeit in den USA und China statt.
ah
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