Frauen in der Marktforschung: Susanne Maisch, Business-Coach & Trainerin "Noch mal etwas Neues machen, das die Welt eventuell ein kleines bisschen besser macht"

Nach Susanne Maisch kommunizieren Männer häufig innerhalb einer strengen Rangordnung und nutzen Kommunikation, um sich abzugrenzen. Frauen wollen eher gefallen, wollen, dass sich alle wohlfühlen, streben eher nach Harmonie.
Frau Maisch, Sie waren fast 25 Jahre für EARSandEYES als Geschäftsführerin tätig. Seit August 2022 arbeiten Sie als selbstständiger Business Coach und Trainerin mit Schwerpunkt female leadership. Was hat Sie zu diesem Neustart bewogen?
Susanne Maisch: Bewogen hat mich der Wunsch, noch mal etwas zu verändern in meinem Leben. Noch mal etwas Neues zu machen, das die Welt eventuell ein kleines bisschen besser macht. Mein Fokus ist die Potenzialentwicklung von Menschen und von Organisationen. Und ähnlich wie in der Marktforschung, geht es hierbei ebenfalls um Bedürfnisse, um Wünsche und um Ziele – nur nicht um die von Konsumierenden, sondern von Führungskräften, Mitarbeitenden und auch von Frauen in Führung mit ihren speziellen Herausforderungen. Zusätzlich biete ich Seminare zur Burnout Prävention in Unternehmen an. Leider ein aktuelles Thema von hoher Bedeutung.
In Ihrer Nominierung wird Ihre Zeit bei EARSandEYES als einzige Frau im Vorstand unter fünf Männern angesprochen. Welche Herausforderungen sind Ihnen aus den gemeinsamen Jahren besonders in Erinnerung geblieben?
Susanne Maisch: Es war sehr herausfordernd die männlichen Machtspiele nicht persönlich zu nehmen. Denn Männer kommunizieren häufig innerhalb einer strengen Rangordnung und nutzen Kommunikation, um sich abzugrenzen. Frauen wollen eher gefallen, wollen, dass sich alle wohlfühlen, streben eher nach Harmonie. Nachdem ich das verstanden hatte, wurde es einfacher mich abzugrenzen. Ich halte gemischte Teams allerdings insgesamt für wirksamer und weniger aufreibend.
Was nehmen Sie an positiven Erfahrungen aus Ihrer langjährigen Zeit in einer Führungsposition bei EARSandEYES aus weiblicher Perspektive mit?
Susanne Maisch: Frank Lüttschwager und ich haben intuitiv wirksam geführt und das war sehr erfolgreich, auch für unser Betriebsklima und es hat sich in einem sehr guten Ruf in der Branche widergespiegelt. Wir haben grundsätzlich auf Augenhöhe kommuniziert, ließen den Mitarbeitenden viele Freiräume und gaben Verantwortung ab. Unser Führungsstil war geprägt von freundlicher Stärke, der sich u. a. durch ein hohes Maß an Respekt und Sympathie auszeichnet. Ich denke, dass ich diese Haltung entscheidend mitgeprägt habe.
Wo sehen Sie Ihre persönlichen „Aushängeschilder“ in Ihrer Karriere.
Susanne Maisch: Persönliche Aushängeschilder habe ich nicht in meinem Relevant Set, sie passen nicht in mein persönliches Wertesystem. Ich glaube fest daran, dass alles, was ich erreicht habe durch Teamwork entstanden ist. Ich habe auch häufige Interviewanfragen, die sich an mich als weibliche Gründerin richteten, immer abgelehnt. Ich wollte nicht wegen meines Geschlechts „bewundert“ oder „ausgehängt“ werden, sondern wegen unserer (gemeinsamen) Leistung. Das mag „typisch Frau“ sein. Hätte ich nach dieser Möglichkeit der Selbstdarstellung gegriffen, wäre ich eventuell bekannter gewesen in der Branche. Auch das kann bedeutsam sein und eine Möglichkeit die Aufstiegschancen als Frau zu verbessern. Für mich war es aber nicht relevant.
Wie haben Sie es in Ihrer langjährigen Position als Geschäftsführerin geschafft, den vielfältigen Anforderungen von Beruf und Familie gerecht zu werden?
Susanne Maisch: Eine berufstätige Mutter zu sein, habe ich immer als ein Privileg und nicht als eine Doppelbelastung empfunden. Ich konnte täglich meinen Verstand benutzen, mit Menschen Themen entwickeln und mich fachlich weiterbilden und auf der anderen Seite hatte ich das Privileg nachmittags mit meinen Kindern im Park in der Sonne zu sitzen, zu spielen, Eis zu essen, Quatsch zu machen oder in die Natur zu fahren. Mein Mann und ich waren außerdem ein sehr gutes Elterngespann und haben uns gegenseitig unterstützt. Die Kunden waren damals noch nicht so tolerant wie heute… ich habe mich das ein oder andere Mal in einem Telefongespräch am Nachmittag in die Speisekammer verschanzt, damit bloß kein Kindergeräusch in Hintergrund zu hören war. Toll, was sich heute nicht nur diesbezüglich verändert hat.
Frau Maisch im Video-Interview
Sehen Sie hier ausgewählte Aspekte zu den gestellten Fragen an Frau Maisch im Video!
Stichwort Work-Life-Balance: Wie gewinnen Sie bei Ihren herausfordernden Tätigkeiten persönliche Freiräume und wo können Sie auftanken?
Susanne Maisch: In meiner heutigen Tätigkeit als Trainerin und Coach unterliege ich keinen festen Arbeitszeiten. Seminare finden an jedem Tag der Woche statt und auch für meine Coachees halte ich mir natürlich Abendtermine frei. Ich kann mir meine Zeit komplett frei einteilen und das ist herrlich. Auftanken tue ich am besten in der Natur mit meinem Hund und wenn ich mit meinen erwachsenen Kindern Zeit verbringe.
Wie nehmen Sie mit Ihrer Berufserfahrung die Arbeitsbedingungen für Frauen in der Marktforschungsbranche grundsätzlich wahr?
Susanne Maisch: Frauen sind in den Topetagen weiter in der Minderheit und es gibt es auch in der Marktforschung einen sog. „Gender Pay Gap“, also auch hier verdienen die Männer mehr als die Frauen. Aktuelle Homeoffice Regelungen erleichtern die Bedingungen für Eltern, weil jede Menge Wege (Zuhause- Kita- Büro-Kita-Zuhause) entfallen und mehr Zeit für andere Dinge bleibt. Auch durch mehr online Interviews, z. B. in der qualitativen Forschung ist es für Familien etwas leichter geworden, Beruf und Familie zu vereinen.
Wo sehen Sie noch Potenzial, die Chancengleichheit von Frauen in Führungs-positionen in der Marktforschungsbranche zu fördern?
Susanne Maisch: Bisher herrscht ja häufig das Bild, dass an den Frauen „herumgeschraubt“ werden müsste, um sie zu optimieren. Ihr Kommunikationsverhalten, ihre Verhandlungsfähigkeiten, ihr Auftreten, ihre Stimme, ihre Kleidung, um sie auf eine Führungsrolle vorzubereiten. Sicher hilft es, sich der Unterschiede z. B. im Kommunikationsverhalten der Geschlechter bewusst zu sein und das im Führungsalltag zu berücksichtigen. Denn in den meisten Führungspositionen geht es nicht nur um Qualifikation, sondern auch um Macht und das ist ein Grund, warum sich Frauen deutlich weniger lange auf höheren Führungspositionen halten. So werden wir Frauen einfach nicht sozialisiert.
Viel wichtiger ist aber, dass wir auf strukturelle Gegebenheiten, also auf die Systeme, schauen und diese optimieren. Diese sind häufig so ungünstig für Frauen, dass viele einfach keine Lust mehr haben in Führung zu gehen.
Dort warten überwiegend männliche Kollegen und Frau muss permanent aufs Neue beweisen, dass sie ihre Position verdient hat und dass sie der Aufgabe gewachsen ist. Noch dazu wird sie stellvertretend für die Gruppe aller Frauen wahrgenommen, „Tokenism“ lautet der Fachbegriff für eine solche Zuschreibung. Hinzu kommt der sog. Gender CARE Gap. Laut Gleichstellungsbericht der Bundesregierung leistet jede Mutter in Deutschland im Durchschnitt zweieinhalb Stunden mehr Care-Arbeit pro Tag als jeder durchschnittliche Mann. Ich denke, es gibt noch viel zu tun!
Was raten Sie Frauen, die in der Marktforschung erfolgreich werden wollen, als professioneller Business Coach?
Susanne Maisch: Ich rate allen Führungskräften, egal welchen Geschlechts, sich persönlich fortzubilden und sich weiter zu entwickeln. Und natürlich, sich mit dem Thema moderne Führung auseinander zu setzen. Dazu habe ich am 15. September 2023 ein Seminar bei BVM und freue mich über weitere Interessenten.
Frauen rate ich, sich gegenseitig zu unterstützen, sich aufzubauen, sich zu befördern und Netzwerke aufzubauen. Denn nur so können wir irgendwann eine Gleichstellung erreichen und in wirklich gemischten bzw. diversen Teams zusammenarbeiten.
Über die Person
Susanne Maisch ist zertifizierte Business Trainerin, dvct zertifizierte, systemische Business Coach und Workshop Moderatorin. Sie hat sich nach fast 25 Jahren Unternehmertum in der Onlineforschung ihren Traum erfüllt, als selbständige Trainerin und Coach loszuziehen, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Ihr Schwerpunkt liegt in der Arbeit mit (weiblichen) Führungskräften, um ihnen zu mehr Wirksamkeit, Motivationsfähigkeit und Erfolg zu verhelfen.
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