Nielsen-Rüge: "Das Vorgehen von NIELSEN ist ein klarer Umgehungsversuch der zentralen Anonymisierungs-Richtlinie der deutschen Markt- und Sozialforschung"
Frankfurt am Main – Wie gestern bereits berichtet, hat der Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung der The Nielsen Company (Germany) GmbH auf eine Beschwerde hin eine Rüge erteilt.
Der Beschwerdeführer – ein von Nielsen zum Haushaltspanel eingeladener Teilnehmer – hat sich über zwei Punkte beschwert. Zum einen empfindet er es als "schäbig", dass für die Beteiligung an dem Panel nur Sachprämien, aber keine Vergütung in Form von Bargeld gezahlt wird. Der Beschwerderat verweist hier auf den Regelmechanismus von Angebot und Nachfrage. Ein Richtlinienverstoß bestehe hier nicht.
Der zweite vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf ist allerdings weitaus schwerwiegender. In dem Beschluss des Rates der Deutschen Markt- und Sozialforschung heißt es wörtlich:
"Der Beschwerdeführer wendet sich zweitens gegen eine "Panelmitgliedschaftsvereinbarung" samt zugehörigen "Datenschutzbestimmungen", die er vor Aufnahme einer Tätigkeit als Panelmitglied im Online Access-Panel NIELSEN/NET RATING "Gestalten Sie die Zukunft des Internet" unterzeichnen sollte. Er beanstandet insbesondere:
1. dass NIELSEN auf den Computer des Panelteilnehmers eine Software aufspielt, die alle Internetaktivitäten des Benutzers kontrolliert und auch Dokumente auf dem Rechner einsehen kann. Unter Umständen hätten nicht nur NIELSEN sondern auch Dritte Zugang zu dieser Software;
2. dass aus den Datenschutzbestimmungen hervorgeht, dass NIELSEN die personenbezogenen Daten der Panelteilnehmer ins Ausland (USA, Indien) weiterleitet, wo die Datenschutzbestimmungen weniger streng sind als in Deutschland;
3. dass NIELSEN den Panelteilnehmern als Gegenleistung für die Teilnahme so genannte "kostenlose Vorteilsangebote" unterbreiten will. Dabei handele es sich in Wirklichkeit um Werbung. Der Beschwerdeführer stuft dies als Verstoß gegen die Deutsche Erklärung zum ICC/ESOMAR-Kodex ein."
Der Beschwerderat stimmt hier dem Beschwerdeführer zu und beanstandet massive Regeverstöße. In der Begründung für die Rüge heißt es:
"Das Vorgehen von NIELSEN ist ein klarer Umgehungsversuch der zentralen Anonymisierungs-Richtlinie der deutschen Markt- und Sozialforschung und untergräbt den deutschen Datenschutz bei Befragungen, da dieser in diesem Punkt schärfer ist als in den meisten anderen Ländern.
Die knappe Stellungnahme von NIELSEN zu den erhobenen Vorwürfen in Zusammenhang mit der beanstandeten Panel-Teilnahmevereinbarung ist ungenügend."
An anderer Stelle heißt es weiter: "Ein weiterer beanstandeter Passus der NIELSEN Teilnahmevereinbarung ("Verpflichtungen der Mitglieder") sieht vor, dass auf dem Computer des Panelteilnehmers ein Softwareprogramm läuft, welches sämtliche Online- und Offline-Aktivitäten mit diesem Computer aufzeichnet. Dies ist für die Panelteilnehmer unzumutbar. Weder ist die Reichweite der Datenaufzeichnung klar definiert, noch auf konkrete nachvollziehbare Bereiche und klar benannte Auswertungen beschränkt. (…) Den Probanden wird gleichsam eine Generalvollmacht für ihren Computer abgefordert, die in keinem verhältnismäßigen Bezug zu möglichen legitimen Forschungsbedürfnissen von NIELSEN steht. (…)
Panelbetreiber haben die ethische Pflicht, das grundlegende Interesse und Recht der Testpersonen zu schützen, dass deren Intimsphäre unverletzt und sicherheitsrelevante Bereiche unangetastet bleiben. Mögliche Forschungsinteressen von Instituten und deren Auftraggebern haben dahinter zurückzustehen. Die NIELSEN-Praxis ist diesbezüglich richtlinienwidrig."
Schließlich sei auch der Passus mit den "Vorteilsangeboten", die den Panelteilnehmern als Entschädigung angeboten werden, klar unzulässig. Nielsen betreibe gegenüber den Panelteilnehmern "unzulässig Verkaufsförderung bzw. Werbung für Waren oder Dienstleistungen von Dritten." Der Beschwerderat beanstandet, dass Nielsen gegen das Gebot der Abstandswahrung von Marktforschung zu forschungsfremden Tätigkeiten verstoße.
Der Beschwerderat erteilt deshalb der The Nielsen Company (Germany) GmbH eine öffentliche Rüge und informiert außerdem die zuständige Aufsichtsbehörde für den Datenschutz über den Vorgang. Weiterhin weist der Rat darauf hin, dass es sich um eine laufende Studie handele, bei der damit die getroffenen Vereinbarungen mit allen Panelteilnehmern unwirksam und unzulässig seien.
ah/Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung
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