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Nie wieder auf den Knien rutschen! Näher am realen Leben mit mobile Research Communities

Von Steffen Engelhardt, Marketing & New Business Development bei der blauw Research GmbH
Hatten wir nicht alle schon einmal den dringlichen Wunsch, irgendwo Mäuschen zu spielen und andere heimlich zu beobachten? Als kleine Kinder haben meine zwei Brüder und ich uns nachts immer aus den Betten geschlichen, um durch das Schlüsselloch zu gucken. Wir wollten unbedingt herausfinden, was unserer Eltern so machen, nachdem sie uns ins Bett verfrachtet hatten: Wir hätten ja was verpassen können!
Dieselben kindlichen Träume und Wünsche haben wir doch auch noch als Marktforscher und Marketeer. Wir möchten beobachten, wie sich Menschen – unbeeinflusst von uns - in ihrem realen Leben verhalten und wie sie Entscheidungen treffen; wir möchten näher an die Lebensrealität unserer Kunden und Zielgruppen.
Nur haben wir leider kein reales Schlüsselloch, durch das wir durchschauen könnten (und es wäre doch recht aufwändig, die Hosen wären auch ständig durchgewetzt). Nein - wir müssen uns anderer, klügerer Methoden und Techniken bedienen, um ein möglichst reales Bild der Wirklichkeit zu erhalten.
Ein tolles „Schlüsselloch“ sind mobile Research Communities. Sie ermöglichen uns einen unmittelbaren Blick ins echte Leben - und das auch noch schnell, effizient und unbeeinflusst durch uns als Beobachter. Wir nutzen die Digitalisierung unserer Kommunikation, um einen realen Blick ins richtige Leben zu erhaschen.
Der Vorteil von Research Communities liegt darin, dass die Teilnehmer einer geschlossenen Gruppe sich über eine längere Zeit über ein oder mehrere Themen austauschen. Durch die Diskussion und den authentischen Dialog werden Themen und Erfahrungen geteilt, die bei einer klassischen Befragung nicht zur Sprache kommen würden, aus denen wir aber wichtige Details erfahren können, um daraus zu lernen. In der Community haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich auch unabhängig von Forschungsfragestellungen auszutauschen. Das, was bei einer Gruppendiskussion eher störend ist – das Tuscheln mit dem Nachbarn zum Beispiel – können wir hier ohne Probleme zulassen und sogar fördern.
Die mobile Erreichbarkeit dieser Communities ist ein großer Vorteil: Wir haben unser Mobiltelefon / Smartphone (fast) immer dabei, es ist unser ganz persönliches Kommunikationsmittel, wir sind praktisch immer online. Außerdem hat es viele tolle Funktionen wie Texterfassung, Video, Foto etc. Sinnvoll genutzt, können uns diese Vorzüge ein ganzes Stück näher an die Lebensrealität des Kunden rücken.
Nun gilt es, diese Vorteile von Research Communities und mobilen Erhebungsmethoden zu kombinieren, damit neue Erkenntnisse zu gewinnen und einen besseren Einblick in die Lebensrealität der Konsumenten zu erhaschen.
Wie können wir dies in der Praxis der FMCG Forschung bewerkstelligen? Wir haben mit mobilen Research Communities verschiedene Fragestellungen untersucht. Als kleinen Ausschnitt aus den vielfältigen Möglichkeiten beschreibe ich drei Cases:
Inspiration
Fragestellung und Hintergrund:
Ein Unternehmen der Konsumgüterbranche möchte Inspiration für neue Kommunikationsmaßnahmen erhalten. Die Frage lautete: „Wie können wir unsere Message neuartig und relevant kommunizieren?“
Solution:
Was ist inspirierender als das reale Leben? Wir haben Konsumenten losgeschickt; sie sollten mit ihren Mobiltelefonen Bilder zu Hauptaussagen und Assoziationen machen. Eine Frage war: „Was verbindest du mit ...? Bitte zeige uns, was du mit ...verbindest.“ Diese Bilder wurden dann noch einmal bewertet und diskutiert, so dass wir ein tiefes Verständnis der mit den Aussagen verbundenen Emotionalität bekommen haben.
Ergebnis:
Inspiration für eine emotionalere Kommunikation und ein klares Bild davon, was der Konsument mit einzelnen Hauptaussagen assoziiert. Hieraus sind genaue Stories und Plots entstanden, die als Grundlagen für Kommunikationsmechanismen zukünftiger Kampagnen dienen.
Ideation
Fragestellung und Hintergrund:
Ein Unternehmen der Milch-Industrie sucht nach neuen Ideen für das nächste Saison-Produkt.
Solution:
Diese Fragestellung haben wir in unserer Multiclient Community mmhLekker beantwortet. mmhLekker ist über einen Browser und auch mobil über eine App erreichbar, so dass Ideen und Einfälle immer und überall eingegeben werden konnten.
In einem strukturierten Kreativprozess in Anlehnung an klassische Kreativitätstechniken nach Wallas und Osborn wurden die Teilnehmer zwei Wochen durch das Kreativprojekt geleitet:
- LiveChat als Warming-up
- Forumsdiskussion und Tagebuch als Auftragsklärung
- spielerischer Wettbewerb um die schrägsten Ideen
- anschließende Produktivphase und Evaluationsphase
Hier ist es natürlich wichtig, die unterschiedlichen Möglichkeiten der Community zielgerichtet einzusetzen.
Ergebnis:
Viele tolle evaluierte und nach Wichtigkeit sortierte Ideen für die neue Saison. Inklusive Rezepten, Insights, Benfits und RtB.
Concept Evaluation
Fragestellung und Hintergrund:
Ein Hersteller von Haushaltswaren muss aufgrund einer bestimmten Marktsituation ein Produkt neu positionieren und hat hierfür vier unterschiedliche Konzepte erarbeitet.
Solution:
Die Konzepte wurden in einer Research Community mit mobilem Zugriff mit den Teilnehmern diskutiert und auf verschiedene Erfolgsfaktoren hin geprüft. So hatten sie die Möglichkeit, in allen Lebenssituationen (zuhause oder unterwegs) Feedback zu den Konzepten zu geben. Die Community lief über zwei Wochen und die Teilnehmer hatten Zeit, sich ausführlich mit den Konzepten und der realen Marktsituation zu beschäftigen. Der Testaufbau war in diesem Falle dreistufig. Zuerst wurden die Konzepte in einem Online-Fragebogen evaluiert, danach wurden die Konzepte diskutiert und am Ende des Projektes noch einmal bewertet. Vorteil dieses Vorgehens ist, dass der Meinungsbildungsprozess von der ersten Vorlage bis zur letztendlichen Beurteilung sehr gut nachvollzogen werden kann.
KPIs waren hierbei:
- Match – Welches Konzept befriedigt (latent) vorhandene Bedürfnisse?
- Understanding – Welche Idee bzw. deren Benefit ist am leichtesten zu verstehen und kann mit anderen am besten geteilt werden?
- Resonanz – Welches Konzept regt zu angeregten Diskussionen an?
- Value Perception – Welches Konzept hat den höchsten Wert?
- Uniqueness – Grenzt sich die Idee deutlich genug vom Wettbewerb ab?
Ergebnis:
Durch die Konzept-Evaluation konnten wir ein klares Gewinner-Konzept finden und gleichzeitig Hinweise zur Optimierung liefern.
Was lernen wir als Marktforscher und Marketeer daraus?
Die Chancen der aktuellen technischen Möglichkeiten liegen darin, dass wir viel freier und vielfältiger Methoden kombinieren können, um näher an die Lebensrealität der Konsumenten und Kunden kommen. Das führt zu einer unverkrampften und frischen Art, Einblicke in Dinge zu erlangen, die früher nur schwierig und aufwändig zu beobachten waren. Wir können zuhören und Gespräche verfolgen, die viel zur Beantwortung der eigentlichen Fragestellung beitragen, wir können nachfragen in Situationen, in denen wir früher nur stille Beobachter waren.
Damit erfüllt sich unser Traum, den wir schon lange träumen: Näher an die realen Bedürfnisse des Konsumenten zu rücken - und dies auf eine effiziente, schnelle und frische Art und Weise.
Letztendlich geht es doch darum, die neuen technischen Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen, aber die reine Technik und bloße Datenerhebung hinter uns zu lassen, um einfach die richtigen Antworten auf die richtigen Fragestellungen zu finden. Technik, auch wenn sie noch so spannend ist, kann hierbei immer nur ein Mittel zum Zweck sein, um Menschen wirklich gut zu verstehen und daraus Erfolgsgeschichten zu schaffen.
Glauben Sie mir, wenn wir diese Möglichkeiten früher schon gehabt hätten – und seien Sie sicher: Wir haben nach ihnen gesucht (Yps war unser ständiger Begleiter) –, hätten meine Brüder und ich versucht, auf andere Weise als auf den Knien rutschend herauszufinden, was wir vielleicht verpassen.
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