Internationalisierung, Verfügbarkeit von Samples und Qualitätskriterien - was bestimmt den Alltag eines Online-Felddienstleisters? Nachgefragt: Christian Brieskorn, Geschäftsführer Consumerfieldwork

Christian Brieskorn ist Geschäftsführer der Consumerfieldwork GmbH

marktforschung.dossier: Herr Brieskorn, Sie sind seit 2006 Geschäftsführer des Sample-Providers Consumerfieldwork. Wenn Sie die Anfangszeit Ihres Unternehmens mit der aktuellen Situation vergleichen: Was waren die signifikantesten Veränderungen am Markt?

Christian Brieskorn: Innerhalb der letzten 6 Jahre hat sich das Geschäft weiter internationalisiert. Die klassischen Regionen Nordamerika und Europa bekommen dabei auch aus anderen Teilen der Welt Konkurrenz. Inzwischen macht Consumerfieldwork GmbH sowohl mit amerikanischen Kunden als auch mit indischen Kunden jeweils mehr Umsatz als mit europäischen Kunden, die erst an dritter Stelle kommen.

Das hat diverse Implikationen: beispielsweise sind die Zeitzonen zwischen Asien und Amerika entgegengesetzt, und Europa liegt hier in der Mitte, was eine starke zeitliche Belastung mit sich bringt. Zudem gibt es spürbare interkulturelle Unterschiede in Kommunikation und Geschäftsgebaren, auf die man sich erst einmal einstellen muss.

marktforschung.dossier: Es gibt die "26 Questions" der ESOMAR, die einerseits Qualtitäts-Standards bei Online-Panels sichern, zum anderen aber auch Einkäufern dieser Dienstleistungen Entscheidungssicherheit bieten sollen. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Unterscheidungsmerkmale bei den Panel-Anbietern?

Christian Brieskorn: Zunächst sind die entscheidenden Unterscheidungsmerkale logischerweise quantitativer Art (Panelgröße, Länder, etc.). Dann müssen Sie einerseits zwischen "Panel-Besitzern" unterscheiden, die nur oder vorwiegend mit ihrem eigenen Panel arbeiten. Hierzu gehören wir. Andererseits gibt es "Panel-Broker", die gar kein eigenes Panel besitzen - bzw. nur ein kleines Alibi-Panel - , aber weltweit Panel-Einkauf bei der erstgenannten Gruppe betreiben. Das kann durchaus Sinn machen kann, da die Endkunden natürlich den internationalen Panelmarkt weniger gut kennen als die Broker. Und dann gibt es Mischformen zwischen "Panel-Besitzern" und "Panel-Brokern".

Die "Panel-Besitzer" machen - abgesehen von der Größe - fast alle mehr oder weniger das Gleiche: Der Löwenanteil aller Studien wird - de facto - mit Hilfe ganz normaler Online Access Panels unter Zuhilfenahme geeigneter Teilnehmer-Profilierung durchgeführt. Das gilt ausdrücklich auch für die meisten B2B Stichproben.

Hiervon gibt es allerdings einige wenige, aber gewichtige Ausnahmen, wie z.B. validierte Ärzte- oder Apothekerpanel, Panel mit Microsoft zertifizierten Software-Entwicklern, Fernsehpanel, Homescanpanel etc. Solche Sonderlösungen sind allerdings im Aufbau und Betrieb ganz wesentlich teurer, und die Kosten pro Interview sind daher um mehrere Größenordnungen höher. Daher kommt so etwas nur zum Einsatz, wenn es absolut unabdingbar ist.

Das sind einige wesentlichste Unterscheidungsmerkmale, es soll bitte keine erschöpfende Aufzählung sein.

Die Rolle der ESOMAR26 ist, dass, wenn Sie diese Antworten aufmerksam lesen, anschließend Ihnen unbekannte Anbieter angemessen einordnen können sollten, bzw. auch verschiedene Anbieter besser vergleichen können. Insofern kann dieser Fragenkatalog – wir beantworten die ESOMAR26 ja auch – bis zu einem gewissen Grade durchaus hilfreich für die Nachfrageseite sein. Jedoch ist Papier geduldig, und manche Antworten sicherlich auch von Selbst-Marketing beeinflusst. Die Antworten auf die ESOMAR26 können daher eigene Erfahrungen - oder die von Freunden oder Kollegen - mit dem Anbieter "des Vertrauens" keineswegs ersetzen, sondern allenfalls ergänzen.

marktforschung.dossier: Worauf legen Kunden beim Einkauf von Panel-Dienstleistungen aus Ihrer Erfahrung am meisten Wert?

Christian Brieskorn: Die wichtigsten Faktoren sind ganz klar erstens Verfügbarkeit – d.h. ob und in welchem Umfang das gewünschte Sample überhaupt geliefert werden kann – und zweitens der Preis. Das sind die beiden Basics.

Darüber hinaus zählen für Kunden Verlässlichkeit - im Sinne der Einhaltung von zugesagten Leistungen - , zügige Angebotserstellung, effiziente und professionelle Feldkommunikation und - speziell bei Kunden aus anderen Zeitzonen - die Erreichbarkeit während der jeweiligen Office Hours. Die Summe dieser Merkmale ergibt zufriedene Kunden, die dann immer wieder anfragen und beauftragen.

Außerdem spielen auf Kundenseite Empfehlungen durch Kollegen oder Wechsel des Arbeitgebers eine recht große Rolle. Häufig gewinnen wir Kunden, indem Personen vom Institut A zu Institut B wechseln, und uns dann von dort aus weiter anfragen. Oder direkt sagen, dass XY uns empfohlen hat. Personality & Networking eben.

Es mag Sie erstaunen, aber worauf von Kundenseite wenig bis kein Wert gelegt wird, sind Zertifizierungen und Mitgliedschaften. Übersee-Kunden fragen ganz selten einmal nach CASRO oder ESOMAR Mitgliedschaften. Nach ISO 26362 Zertifizierung wurden wir überhaupt noch nie gefragt: Das ist eine deutsch-österreichische Insellösung, die unsere internationalen Kunden völlig unbekannt ist und keine Rolle spielt.

marktforschung.dossier: Preiskampf, Internationalisierung, Datenschutzbestimmungen, Incentive-Jäger – worin sehen Sie die größten Herausforderungen für Sample-Provider?

Christian Brieskorn: In keinem der von Ihnen genannten Probleme, denn diese Herausforderungen sind ja alle soweit bekannt, betreffen alle Mitbewerber gleichermaßen, und sind beherrschbar.

Im Falle von Consumerfieldwork GmbH – der Name sagt es schon – sind wir genau auf das internationale Geschäft aufgestellt und haben eine aggressive Preiskommunikation.

Das novellierte deutsche Datenschutzgesetz scheint mir praxistauglich und gut gelungen: Einerseits wird die Forschung nicht ausgebremst, andererseits wird dort eine klare Grenze zum Direktmarketing gezogen, und die Adress- und Kontaktdaten der Teilnehmer werden geschützt. Unsere Teilnehmer haben daher auch das Vertrauen, dass wir genau ihre Adressdaten nicht vermarkten, und dies ist sehr wichtig und hilfreich für die gute Zusammenarbeit mit unseren Panelisten.

Den Begriff "Incentive-Jäger" finde ich in dieser Pauschalität unfair: Neben dem Spaß an Umfragen und dem Wunsch der Panel-Teilnehmer zur aktiven Partizipation an der Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen ist es nach meiner Meinung ein absolut legitimes Bedürfnis der Panelisten, für die mit Umfragen verbrachte Zeit auch eine faire Aufwandsentschädigung zu bekommen. Alle drei Motive ergeben im Zusammenwirken idealerweise hoch motivieren Teilnehmer. Die also auf Einladungen reagieren, sich für die Inhalte interessieren und die Fragebögen sorgfältig ausfüllen. Daher sollte die auch monetäre Komponente der Motivation nicht pauschal anrüchig gemacht werden.

Die wirkliche Herausforderung sehe ich in etwas anderem, nämlich in einem möglichen ernsthaften Eintritt von "Elefanten" in den Markt. Ein Warnschuss ist meiner Meinung nach Googles neues "Consumer Surveys", das jetzt in den Testbetrieb gegangen ist. Dort kann man automatisiert Fragen einstellen und eine demografische Zielgruppe wie Alter, Geschlecht, Region auswählen. Die Antwort kostet dann pauschal 0,5 $ pro Teilnehmer. Im Moment ist das "Google Consumer Surveys"-Tool noch ziemlich limitiert, also beispielsweise nur in Amerika verfügbar, nur eine Frage möglich, keine komplexen Filter und Routings.

Wenn aber Google dieser Rumpf-Anwendung weiterentwickelt, dann wäre das ernst zu nehmen: zum Beispiel könnte Google sein Polling-Tool auf ein vollständiges Fragebogenprogramm plus tabellarisch/graphischen Reporting erweiterten. Und zusätzlich mit einem ausgefeilten Teilnehmer-Targeting aufgrund des Google Datenbestandes versehen und z.B. über AdSense auf einer nahezu unbegrenzten Zahl von Webseiten zielgruppengenau einblenden. Facebook dürfte aufgrund seiner großen Datenbestände und seiner Mitgliederzahlen wahrscheinlich ähnliche Möglichkeiten haben. Ob einer dieser Internet Big-Player so etwas plant und umsetzen kann, ist mir noch unklar.

marktforschung.dossier: Durch soziale Netzwerke ebenso wie durch starkes Wachstum im Bereich mobiles Internet hat sich die digitale Kommunikation in den letzten Jahren stark gewandelt – ein Prozess, der sicherlich noch nicht abgeschlossen ist. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Zukunftsfähigkeit "klassischer" Online-Panels? 

Christian Brieskorn: In einer "naiven" Integration von sozialen Netzwerken mit Panels sehe ich im Moment keinen Sinn: Einmal finde ich es gar nicht wünschenswert, wenn die Teilnehmer untereinander kommunizieren, und sich evtl. gegenseitig Tipps und Kniffe im Umgang mit Umfragen verraten oder sich auf einer solchen Plattform eine Gruppe mit spezieller Identität bildet. Zum anderen glaube ich aber auch nicht, dass solche Communities auch nur annährend die Attraktivität von Facebook & Co erreichen: Bei den wenigen existierenden "Umfragen-Communities" ist auf den Seiten nicht viel los. Wie es in Zukunft sein wird, weiß ich allerdings nicht, vielleicht fällt da jemanden noch etwas Sinnvolleres als mir ein.

Anders ist es beim mobilen Internet: Die Smartphones und Tablets werden immer besser, die Bandreiten nehmen zu, viele Fragebogen-Engines unterstützen solche Geräte mittlerweile, und schon heute nehmen viele Teilnehmer bei uns mit Ihren Mobilgeräten an unseren Umfragen teil. Mobilgeräte stellen klassische Panels nicht in Frage, im Gegenteil, man kann dann als Panelmitglied Umfragen ausfüllen, wenn man gerade Zeit hat, z.B. im Bus oder in der S-Bahn.

marktforschung.dossier: Herr Brieskorn, vielen Dank für das Interview!

 

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  1. Silka Bobkiewicz am 08.04.2013
    Liest sich ja alles ganz gut, was Herr Brieskorn so erzählt. Ich mache bei consumer-opinon.com mit und beantworte Umfragen. Doch leider warte ich seit Wochen auf meine Auszahlung des Guthabens. Auf E-Mails und Anfragen wird nicht geantwortet.
    Da weiß ich doch, was ich von dieser Institution zu halten habe.
    Jetzt geht ein Brief direkt an Herrn Brieskorn. Bin mal gespannt, was er mir dazu zu sagen hat. Für mich ist dieses Thema mit consumer-opinon jedenfalls erledigt.

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