Beitrag von Jonathan Kurfess Mobile Research konsequent umsetzen

Online-Panels sind bereits seit vielen Jahren eine beliebte und erfolgreiche Methode, schnell und relativ günstig zielgruppengesteuerte Befragungen im B2C-Bereich durchzuführen. Mit der Ankunft der mobilen Marktforschung lag es nahe, diese Technologie nicht nur parallel im Rahmen von Online-Panels zu nutzen, sondern sich konsequent darauf zu fokussieren.

Ein Player in diesem Bereich ist das Hamburger Unternehmen Appinio, das über eine eigene Mobile App die Teilnehmer erreicht und damit in wenigen Minuten spezifische Zielgruppen befragen kann. Der Ansatz der Mobile App hilft dabei vor allem, die ansonsten schwer zu erreichende, aber für die Marktforschung hochrelevante Gruppe der Digital Natives und der Generation Y sowie Z für Marktforschung zu aktivieren.

Appinio, das momentan in DACH und USA agiert, führt ein Panel aus ca. 100.000 Nutzern. Bedingt durch das Medium liegt der Fokus von Appinio auf der jungen Zielgruppe: Etwa 80% der Panelisten sind zwischen 14 und 29 Jahren alt.

Ständige Erreichbarkeit

Der Grundansatz von Appinio ist die ständige Erreichbarkeit der Panelisten über ihr Smartphone. Diese Geräte gehören bei jungen Menschen zu den persönlichsten Utensilien, die jederzeit in Reichweite sind. Dieser Umstand ermöglicht die "24/7"-Erreichbarkeit der potenziellen Umfrageteilnehmer. Die Verwendung von Push-Nachrichten ermöglicht es, die Panel-Teilnehmer spontan zur Beantwortung von Umfragen aufzurufen. Auf diese Weise wird erreicht, dass ein Panelist regelmäßig die App aufruft und auch zum Spaß durch ein paar Fragen klickt, um neue Punkte zu sammeln. Je regelmäßiger die App-Nutzung, desto höher die Panel-Loyalität.

Das System hinter der App steuert den Teilnehmern immer wieder neue Fragen zu, sobald sie die App aufrufen. Hierbei handelt es sich entweder um Fragen, die andere Panelisten aus Interesse einsteuern oder um solche, die der Erweiterung der Merkmal-Datenbasis des Panels dienen. Auf diese Weise entsteht von jedem einzelnen Teilnehmer – je nach Aktivität – nach und nach ein sehr detailliertes, anonymisiertes Bild mit hunderten oder tausenden Merkmalen. Die hohe Aktivität des Panels birgt einen weiteren Vorteil: Ein Screening noch nicht erhobener Merkmale dauert in der Regel nur wenige Stunden. Auf dieser Basis lassen sich dann entsprechend passgenaue Stichproben für die eigentlichen Umfragen bilden, die den Panelisten bei entsprechender Passung zur gewünschten Zielgruppe durch eine entsprechende Benachrichtigung in der App angeboten werden. Diese "echten" Umfragen bestehen in aller Regel aus maximal 20 zu beantwortenden Marktforschungsfragen. Ein Beispiel zeigt Abbildung 1.

Abbildung Appinio

Abbildung 1: Beispielfrage aus dem Mobile-Panel von Appinio

Hohe Datenqualität durch Gamification & Spaß an Marktforschung

Die Motivation der Teilnehmer im Mobile-Panel erfolgt durch einen Mix verschiedener Elemente:

  • Regelmäßige Aufforderung zum Aktivieren der Mobile App in Form von Push-Nachrichten
  • Unmittelbarer Meinungsvergleich zu andern Usern durch die aktuelle, prozentuale Antwortverteilung nach jeder Frage (außer bei Marktforschungsumfragen)
  • Sammeln von Punkten/Coins durch das Beantworten von Fragen oder für Freundschaftswerbungen
  • Möglichkeit, selbst einzelne Fragen privat zur Beantwortung ins Panel zu stellen (bei ausreichender Punktzahl)
  • Erreichen höherer Levels und Verleihung von Orden in der App durch das beständige Beantworten von Fragen
  • Ranking der eigenen Aktivitäten im Vergleich zu Freunden und/oder anderen Teilnehmern aus der gleichen Region
  • Mobil-optimierte Fragebögen, Gamification-Ansätze und nutzerfreundliches Design
  • Spenden des Unternehmens an wohltätige Organisationen

Klassische Online-Panels motivieren ihre Teilnehmer monetär zur Teilnahme. Appinio versucht, diesem Ansatz so fern wie möglich zu bleiben. Ziel ist es, Marktforschung so zu gestalten, dass sie Spaß macht. Je mehr ein Teilnehmer intrinsisch motiviert ist und je weniger monetär, von desto höherer Antwortqualität kann ausgegangen werden. Die Mechanik der App ist daher an diesem Ziel entlang ausgerichtet. Daher sehen Teilnehmer nach der Beantwortung der Kurzfragen, wie die Masse der Menschen abgestimmt hat. Dieser Vergleich mit dem Rest der Gesellschaft übt einen starken Reiz gerade auf jüngere Menschen aus. Auch die Möglichkeit, kostenlos eigene Kurzfragen zu erstellen, gehört zu den verschiedenen Gamification-Elementen der App, ebenso wie die erspielbaren Punkte, Abzeichen, das Ranking etc. Die App wirkt damit wie ein Spiel oder soziales Netzwerk, in dem es um Meinungen geht. Und nebenbei kann man mit der gelegentlichen Marktforschungsumfrage noch ein paar Cent verdienen. Dass der Payout dabei wesentlich geringer ist als in Online-Panels, kann sich die App nur dank dieser Elemente erlauben, ohne Nutzer zu verlieren.

In der App gibt es Mechanismen, die man eher aus sozialen Netzwerken kennt, wie beispielsweise das Teilen von Inhalten (in diesem Fall von Fragen bzw. Ergebnissen). Ein weiterer Aspekt der Motivation ist die Tatsache, dass die meisten Fragen in der Community in gewisser Weise anders sind als aus der klassischen Marktforschung bekannt. Oftmals geht es um Themen, die gerade junge Menschen ansprechen (zum Beispiel Musik oder Computerspiele). Und die Fragen sind zumeist weniger wissenschaftlich, sondern eher umgangssprachlich formuliert, was zu einer höheren Akzeptanz beiträgt und die Spannung auf die jeweils nächste Frage erhöht. Ebenso wird nur selten das klassische Format eines normalen Fragebogens mit einer festen Anzahl von Fragen verwendet. Stattdessen beantwortet man solange neue Fragen, wie man möchte und schließt dann einfach die App.

Die beschriebenen Maßnahmen und Features in der Community sowie der spielerische Umgang mit Marktforschung führen zu einer Teilnahmebereitschaft bei Marktforschungsumfragen von ca. 80% bei einer kaum existenten Abbrecherquote (<1%). Auch bei Freitext-Fragen wird eine hohe Antwortqualität festgestellt, die in Form von über 90% inhaltlich relevanter Antworten zum Ausdruck kommt.

Panelqualität und -pflege

Die Qualität eines Panels ist generell ein entscheidender Faktor, denn hieraus leitet sich die Qualität der erzielten Marktforschungsergebnisse und der Nutzen für die Kunden ab. Im mobilen Appinio-Panel sind hierfür folgende Argumente und Maßnahmen bzw. die Kombination derselben zentral:

  • Beschränkung auf ein einziges mobiles Endgerät pro Person
  • Anwerbung der Panelisten über diverse Quellen (heterogene Streuung)
  • Automatisierte Datenbereinigung (Straight-Liner, Speeder, etc.)
  • Kontrollfragen
  • Keine Incentive-Jäger durch intrinsischen Motivationsansatz

Do-It-Yourself Plattform für Kunden

Die Ökonomisierung des Mobile-Panels in Form des kostengünstigen Community-Ansatzes findet ihre Fortsetzung in der Digitalisierung bzw. Automatisierung des eigentlichen Marktforschungsprozesses aus Kundensicht. Hiermit ist die Möglichkeit für Kunden beschrieben, selbsttätig über eine Online-Plattform Marktforschungs-Fragen bzw. -Fragebögen ins Panel einzusteuern. Dies beinhaltet die folgenden Schritte, die über ein entsprechendes Online-Interface abgewickelt werden können:

  1. Definition des Fragebogens (Fragetypen, Fragetexte, Antworttexte, Stimuli)
  2. Beschreibung der gewünschten Zielgruppe anhand zahlreicher Merkmale
  3. Sofortige Aktivierung geeigneter Panelisten über Push-Benachrichtigungen
  4. Unmittelbarer Rücklauf der Antwortdaten
  5. Online-Live-Tracking und -Datenanalyse
  6. Download der Rohdaten bei Bedarf

Fazit

Der Ansatz des Mobile-Panels ist eine Anpassung an das veränderte, nun zum Großteil mobile Nutzungsverhalten der Menschen. Ohne Diskussion ist mobile Marktforschung in hohem Maße zukunftsträchtig und Kunden werden die eminenten Vorteile schnell erkennen.

Mobile hat den Desktop als Plattform schon längst überrollt. Aber nur, weil mobile Browser alle Inhalte aufrufen können, heißt es nicht, dass diese Online-Inhalte automatisch "mobile" sind. Auch der Schritt zum responsive Design dieser Inhalte ist nicht der entscheidende.

Entscheidend ist, dass der gesamte Interaktionsprozess, den Teilnehmer durchlaufen, aus der Perspektive "Mobile Device" konstruiert wird. Nur, indem das konsequent geschieht, werden wirklich innovative Gewinne erzielt, die die Mobile Devices ermöglichen (Audio, Video, verschiedene Inputvarianten, Nutzung der Kamera für Emotionsanalysen, hohe Geschwindigkeit, geringere Kosten, gutes Erreichen junger Zielgruppen). Hier reicht es nicht, wenn klassische Online-Mafo einfach auf Smartphone-Größe geschrumpft wird.

Und selbst der mobile Ansatz allein ist nicht ausreichend. Zukünftig wird valide Marktforschung mit hoher Antwort- und Panelqualität ohne eine, zumindest in Teilen, intrinsisch motivierte Community nicht funktionieren – das ist die eigentliche große Herausforderung der Marktforschungsbranche. Die Vergangenheit hat allerdings gezeigt, dass neue Ansätze und Innovationen in der Marktforschung nicht immer als Bereicherung sondern mitunter als Gefahr betrachtet werden, was den schnellen Fortschritt und die Weiterentwicklung unserer Branche erschwert. Für Appinio ist das Fluch und Segen zugleich.

Der Autor

Jonathan Kurfess (APPINIO)
Jonathan Kurfess, Mitgründer und Geschäftsführer der APPINIO GmbH.

 

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