Mit Geld spielt man nicht?

Sven Arn und Thomas Ludzinski (Happy Thinking People)
Von Sven Arn (Managing Director und Partner) und Thomas Ludzinski (Senior Project Director), Happy Thinking People
In der Welt der Finanzen dreht sich alles um Zahlen. Und das sowohl bei den Finanzunternehmen wie Banken und Versicherungen, als auch tatsächlich beim Verbraucher. Geld ist vermeintlich Verstandssache. Wir neigen dazu, Finanzentscheidungen als stark rationale Entscheidungen zu betrachten. Banken und Versicherungen beginnen zu verstehen, dass Menschen, die sich weniger für Finanzen interessieren, nicht unbedingt weniger wohlhabend oder gar weniger intelligent sind. Und dass in weniger Finanzinteressierten eine sehr vielversprechende Zielgruppe liegt, wenn man sie nur richtig anspricht.
Dass Geld emotional ist, müsste uns eigentlich allen klar sein. Man braucht nur an seine Kindheit zurückdenken, um sich zu erinnern mit wie viel Emotion Geld aufgeladen sein kann – zum Beispiel das erste Taschengeld, das Sparschwein und natürlich auch der Hotelbesitz auf der Schlossallee.
Wie exploriert man also die emotionale Berg- und Talfahrt finanzieller Entscheidungen, wenn das Gegenüber dazu neigt, sein rationales Finanz-Pokerface aufzusetzen? Um sich entweder als besonders versiert, kühl kalkulierend oder vielleicht auch einfach betont desinteressiert zu zeigen. Oder wie der Hanseat Karl Lagerfeld die Einstellung seiner Geburtsstadt zu Geld beschreibt. Dort spreche man nicht über Geld, man habe es. Und wenn man kein Geld habe, spreche man erst recht nicht darüber!
Bei Happy Thinking People lieben wir solche Herausforderungen. Für ein fundiertes People Understanding haben wir gezielt den Spieltrieb und das innere Kind aktiviert, um eine differenziertere Diskussion über Geld zu ermöglichen: spontan, direkt, unüberlegt und damit realitätsnah und vor allem die individuelle Gefühlswelt widerspiegelnd.
Gamification ist eines der Schlagwörter in der innovativen Marktforschung der letzten Jahre – vor allem bezogen auf Online-Methoden, um in Zeiten des Short Attention Syndrome ein stärkeres Involvement beim bisweilen trockenen Erhebungsprozess zu erzeugen.
Dabei hat man schnell gesehen, dass Spiele nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch einen methodischen Mehrwert bieten. Beim Spiel sind Reaktionen häufig schneller und instinktiver und es können Teile der Erinnerung und des Handlungsrepertoires aktiviert werden, die sonst im Verborgenen bleiben.
Wir entwickeln Spiele in vielen Bereichen. On- und Offline – vor allem, wenn es darum geht, Entscheidungsprozesse zu durchleuchten. Wie kauft man Möbel? Wie haben sich Touchpoints beim Lebensmitteleinkauf im heutigen urbanen Umfeld verändert? Oder ähnliche Fragestellungen.
Seit einiger Zeit sehen wir, dass sich Briefings aus der Finanz- und Versicherungsbranche zunehmend auch mit den „weichen“ Faktoren auseinandersetzen und das nicht nur, wenn es um klassische Imageforschung geht, sondern auch konkret beim Entscheidungsverhalten der Konsumenten und letztendlich auch in der eigenen Produktentwicklung.
Also warum nicht ein Finanzspiel entwickeln? Eine Art Marktforschungs-Monopoly oder das Rollen-Spiel des Lebens… Bei diesem Spiel geht es natürlich mehr um die Gespräche, die entstehen und um die Beobachtungen des Marktforschers, als um den Gewinner.

Der oder die Teilnehmer würfeln sich von Start zu Ziel durch verschiedene Lebenssituationen und ziehen dabei Ereigniskarten mit vorgegebenen Aufgaben. Solche Aufgaben entstehen häufig aus vorgeschalteten Pre-Tasks der Teilnehmer zum Beispiel in Blogs, um zu versichern, dass die Ereignisse über die wir sprechen auch alle relevant sind und das Spektrum der Optionen möglichst umfassend abbildet.
Die Teilnehmer können sich bei der Beantwortung der Fragen mit ihren Spielfiguren zwischen verschiedenen Orten bewegen – zum Beispiel von zu Hause aus in die Filiale, vor den PC, an ein Tablet oder ans Telefon – und sie haben verschiedene Werkzeuge zur Verfügung wie Kreditkarten, EC-Karten, Bargeld oder auch verschiedene Berater.
In der Interaktion mit dem Spiel werden die eigenen Handlungsmuster offenbart und dadurch entstehen, gegebenenfalls mit anderen Teilnehmern, zu vertiefende Diskussionsthemen. Die Beobachtung von Gestik, Mimik und Sprache bietet eine zusätzliche Interpretationsebene, die den Vergleich verschiedener Typen erlaubt.
So kann man zum Beispiel sehen, dass auch für einen Online-Kunden, der sich selbst als sehr online-affin und versiert bezeichnet, bei komplexeren Entscheidungen eine physische Präsenz in manchen Situationen mehr Sicherheit und Vertrauen vermittelt als zum Beispiel zuverlässige Ratings aus der Internet-Recherche. Dieser Person ist das im Interview erst mal nicht bewusst – und wird erst durch das Ausagieren im Spiel selbst deutlich. Dies ist oft verbunden mit einer gewissen Überraschung über das eigene Verhalten.
So entsteht Realitätsnähe in der Test-Situation und damit werden Ableitungen auf reale Lebenssituationen möglich. Zumal es bei längerfristigen und komplizierten Entscheidungsprozessen in der Finanz- und Versicherungsbranche schwer möglich ist, auf klassische offline ethnographische Methoden zurückzugreifen.
In Marketing und Marktforschung versuchen wir komplexe Entscheidungsprozesse einfach und verständlich zu erklären und darzustellen. Das ist ein wichtiges Tool für Unternehmen aber führt leider dazu, dass wir manchmal das, was über die Linearität zum Beispiel von Entscheidungsbäumen hinausgeht, falsch oder gar nicht verstehen. Über einen spielerischen Ansatz können wir diese Entscheidungsmodelle als Ausgangspunkt nehmen und sie durch lebensnahe Erkenntnisse und das Wissen über unbewusste Einflussfaktoren optimieren.
Wir sehen also – es lohnt sich mit Geld zu spielen. Und vor allem bietet das Spiel mit Geld im Falle der Marktforschung mit relativ wenig Aufwand allen Beteiligten hohe Gewinnchancen!
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