Michaela Lühr: "Ein Marktforscher, der beim Kunden vor Ort ist, kann ein tiefes Verständnis für dessen Anforderungen und Bedürfnisse entwickeln"

Michaela Lühr (YouGovPsychonomics / BMW Group)

Michaela Lühr (YouGovPsychonomics / BMW Group)

Michaela Lühr ist seit nahezu eineinhalb Jahren Teil eines für die Marktforschungsbranche eher außergewöhnlichen Projekts: Die studierte Sozialwissenschaftlerin arbeitet für BMW in München an einer Elektromobilitätsstudie, obwohl ihr Arbeitgeber YouGovPsychonomics in Köln sitzt. Im Interview mit marktforschung.de berichtet sie, wie es zu diesem Projekt kam und welche Vorteile daraus für die Beteiligten entstehen.

marktforschung.de: Frau Lühr, seit Juni 2010 sind Sie bei der YouGovPsychonomics AG angestellt, ihren Arbeitsplatz haben Sie aber derzeit bei der BMW Group - wie kam es dazu?

Michaela Lühr: Meine Kollegen von YouGovPsychonomics wurden während der Durchführung einer Studie für BMW in München angesprochen, ob für das MINI E Projekt ein Marktforscher vor Ort bei BMW arbeiten könnte. Ich hatte dann ein Vorstellungsgespräch bei der BMW Group und die Zusammenarbeit bei diesem Projekt kam zu Stande. Ich bin kurz vor dem Projekt nach München gezogen und es war eine spannende und interessante Möglichkeit für mich.

marktforschung.de: Hätte Sie die BMW Group nicht direkt einstellen können?

Michaela Lühr: Prinzipiell schon, aber ich bin speziell für das Forschungsprojekt MINI E bei der BMW Group vor Ort, das ein in sich abgeschlossenes Arbeitspaket darstellt und auf einen begrenzten Zeitraum ausgelegt ist. Ich hätte dies theoretisch auch von Köln aus bearbeiten können, allerdings wäre der Abstimmungsaufwand zu hoch gewesen. Zusätzlich ist meine "Außensicht" auf das Projekt und die Erfahrung, die wir als externer Berater vorweisen können, für dieses Projekt von großem Nutzen.

marktforschung.de: Wie läuft die Projektkoordination der MINI E Kundenstudie ab?

Michaela Lühr: Da muss ich jetzt etwas ausholen: In den MINI E Projekten werden seit 2009 vollelektrisch betriebene MINIs in verschiedenen Ländern unter Alltagsbedingungen getestet. Durchgeführt werden die Projekte jeweils von der BMW Group gemeinsam mit einem Konsortium aus Partnern der Energiewirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ziel ist es, die Alltagstauglichkeit sowie die Akzeptanz von Elektromobilität zu testen und Kundenfeedback zu Anforderungen an Elektrofahrzeuge, Ladeinfrastruktur und die Politik zu erhalten. Privatpersonen und Firmen können den MINI E für einen Zeitraum von 6 Monaten bzw. bis zu einem Jahr testfahren und dabei Erfahrungen mit den spezifischen Charakteristika eines Elektroautos machen wie z.B. dem lautlosen Fahren, der schnellen Beschleunigung, dem Laden der Batterie, der Reichweite.

Um die relevanten Themen zu erfassen und das Nutzerfeedback zu generieren, gibt es eine wissenschaftliche Begleitforschung, die von den Forschungseinrichtungen in den jeweiligen Ländern durchgeführt wird. Die Testfahrer der MINI E werden vor, während und am Ende der Nutzung befragt. Die Inhalte für diese Befragungen werden von den Konsortialpartnern zusammengetragen und von den Universitäten methodisch entwickelt und umgesetzt.

Zu meinen Aufgaben gehört die Koordination und Steuerung dieser wissenschaftlichen Begleitforschung. Dies bedeutet auf der einen Seite eine stetige Kommunikation und enge Zusammenarbeit mit den Forschungseinrichtungen in Bezug auf die zu entwickelnde und durchzuführende Befragungsmethodik der Projekte.

Zum anderen beinhaltet dies einen engen Austausch mit den Energieversorgern und natürlich den internen Fachabteilungen bei der BMW Group, die entweder direkt am MINI E Projekt mitarbeiten oder an der Entwicklung der zukünftigen Serien-Elektroautos arbeiten. Wichtig ist dieser Austausch auch, um als "Nichtfachmann" die Spezifika eines Elektrofahrzeugs sowie der Ladeinfrastruktur zu verstehen und dieses Fachwissen in die Befragungsmethodik einfließen zu lassen. Ich hole dabei auch aktuelle Fragestellungen ab, die in die Befragung integriert werden und spiele dann die Ergebnisse bzw. das Nutzerfeedback wieder zurück. Das heißt, die von den Forschungseinrichtungen analysierten Ergebnisse werden aufbereitet, um diese den Fachabteilungen bei der BMW Group sowie auch den Konsortialpartnern vorzustellen. Ich bin dabei für die Märkte Großbritannien und Frankreich verantwortlich, wo die Fahrzeuge jeweils in Oxford, London und Paris fahren. Meine Kollegen koordinieren die MINI E Studien in Deutschland, USA, Japan und China. Die ersten Projekte starteten in den USA und in Berlin im Sommer 2009.

marktforschung.de: Was bedeutet das für ihre Arbeit bei BMW? Werden Sie als externe Expertin wahrgenommen oder sind sie vollkommen in das Projektteam integriert?

Michaela Lühr: Einerseits fühle ich mich absolut in das Projektteam integriert und ich arbeite mit den Mitarbeitern von BMW, wie in einem normalen Team auch, eng und auf einer guten Vertrauensbasis zusammen. Andererseits wird man natürlich selbst #break# sowie auch die eigene Firma als "Berater" wahrgenommen, was für das Projekt wichtig ist, da durch den externen Blick relevante Aspekte von einer weiteren Perspektive aus beleuchtet werden können.

marktforschung.de: Welche Rolle spielt die Anstellung bei YouGovPsychonomics für Ihre Arbeit im MINI E Projekt? Stehen Sie in regem Kontakt mit ihren Kollegen aus Köln?

Michaela Lühr: Wie gesagt, repräsentiere ich YouGovPsychonomics hier bei der BMW Group und werde durch meine Kollegen in Köln bei Bedarf jederzeit durch fachliche Expertise unterstützt. Ohnehin gibt es einen engen Draht von YouGovPsychonomics zu BMW, da wir immer wieder Marktforschungsstudien für das Unternehmen durchführen.

marktforschung.de: Welche Vorteile ergeben sich aus Ihrer Sicht ganz allgemein für ein Marktforschungsunternehmen, das seine Mitarbeiter an andere Unternehmen ausleiht?

Michaela Lühr: Ein Vorteil ist sicherlich, dass ein Marktforscher der beim Kunden vor Ort ist, thematisch und strukturell näher am Kunden dran ist und ein tiefes Verständnis für die Anforderungen und Bedürfnisse des Kunden entwickeln kann. Die enge Zusammenarbeit, das "vor Ort sein" und die damit kurzen Dienstwege, die für die Abstimmungsprozesse im Projekt wichtig sind, bedeuten für den Kunden natürlich auch einen großen Vorteil. Auch profitiert der Auftraggeber von der großen Erfahrung, die wir als Marktforscher in zahlreichen Projekten bereits gesammelt haben. Es ergibt sich daher für beide Seiten eine fruchtbare und effiziente Zusammenarbeit.

marktforschung.de: Denken Sie, dass dieses Modell, wie es derzeit YouGovPsychonomics und BMW durchführen, in Zukunft häufiger Anwendung finden wird? Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?

Michaela Lühr: Das ist schwer einzuschätzen. Meiner Erfahrung nach wird ein solches Modell derzeit in anderen Branchen häufiger angewendet als in der Marktforschungsbranche, aber vielleicht verändert sich das in Zukunft. Es hat wie erwähnt viele Vorteile, allerdings ist es eine andere Arbeitsweise als im Marktforschungsinstitut. Das Charakteristische an der Arbeit in einem Marktforschungsinstitut ist ja, dass man für verschiedene Kunden und Branchen arbeitet. Grundsätzlich empfinde ich es aber als sehr interessant, einen Kunden so nah kennen zu lernen, und die Chance zu bekommen, einen Einblick in die Arbeitsweise sowie auch fachlich zu bekommen. Ich habe bisher bei der BMW Group viel gelernt und konnte andererseits meine marktforscherische Expertise und bisherige Erfahrung sehr gut in die Arbeit einbringen.

marktforschung.de: Frau Lühr, vielen Dank und weiterhin viel Erfolg in München!

 

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