Frauen in der Marktforschung: Sabine Menzel "Meine Selbstoptimierung ist Zeitoptimierung"

In großen Konzernen sind die Vorstandspositionen überwiegend von Männern besetzt. Sabine Menzel ist seit Januar 2015 Director Consumer und Market Insights bei L'ORÉAL und steht für Chancengleichheit. Im folgenden Interview äußert sie sich unter anderem über gemischte Netzwerke, Frauenförderprogramme und Quotenregelungen.

Sabine Menzel

Sabine Menzel

marktforschung.de: Worin besteht Ihre Tätigkeit bei L'Oréal Deutschland? 

Sabine Menzel: Meine Aufgabe als Director Consumer & Market Intelligence (CMI) L'Oréal Deutschland ist, gemeinsam mit meinem Team die Marken- und Go-to-Market Strategie aller Geschäftsbereiche mit handlungsrelevanten Daten und Insights zu unterstützen. Dabei arbeiten wir integrativ mit Realtime-Daten, um Wachstumschancen zu identifizieren, Consumer Engagement zu verstärken und den ROI unserer Initiativen zu erhöhen. Das Aufgabenspektrum reicht von klassischen Marketing-Mix Validierung und Social Insights über Consumer Tribes-Quantifizierung und POE Effizienz bis hin zu Advocacy und Influencer Analytics. Darum sprechen wir bei L'Oréal auch nicht mehr von ‚Marktforschung‘ weil das die Inhalte nur zum Teil beschreiben würde. 

Meine Rolle ist hier auch, CMI als Consumer Centricity Katalysator und integrierten Business Partner immer weiter zu entwickeln, um die Digitale Transformation des Unternehmens mit den jeweils adäquaten Tools, Insights und Prozessen zu unterstützen.

marktforschung.de: Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um sich als Frau in einem großen Konzern durchzusetzen?

Sabine Menzel: Aus meinen Erfahrungen in drei Konzernen geht es heute weniger darum‚ sich als Frau 'durchzusetzen', sondern Projekte mit Nutzen fürs Unternehmen abzuschließen und seine Karriere aktiv zu gestalten. Da sind bei Frauen und Männern die gleichen Kompetenzen gefragt: Engagement, Agilität, Ergebnisorientierung sowie Fokussierung auf Themen mit Business Impact, verbunden mit guter Kooperation mit allen Schnittstellen. Die Facebook Managerin Sheryl Sandberg gibt in ihrem Buch ‚Lean In‘ gute Impulse wie Frauen hier selbstverständlicher agieren können.

marktforschung.de: In welcher Form haben Sie in Ihr Fortkommen investiert?

Sabine Menzel: Ich glaube stark an 'Learning by Doing' – verbunden mit dem Interesse, Projekte am Rande des definierten Aufgabenspektrums zu übernehmen. Mir persönlich haben meine zehn Jahre ehrenamtliches Engagement im BVM, zunächst im Fachbeirat, dann im Vorstand, sehr geholfen. So konnte ich 'off the job' Kompetenzen entwickeln, die ich auch 'on the job' einsetzen konnte. 

marktforschung.de: Sind Sie schon mal an die berühmte gläserne Decke gestoßen? 

Sabine Menzel: Nein. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass die klassische 'Marktforschung' selbst eine gläserne Decke hat. Insbesondere wenn der Schwerpunkt der Tätigkeiten in der Befragungsmarktforschung liegt, erwirbt man wenig in anderen Funktionen einsetzbares Fach-Know-how. Zugleich öffnen die immer stärker digital und Analytics getriebene Ausrichtung der Profession sowie mehr funktionsübergreifende Projektarbeit die 'Marktforschung' stärker ins Unternehmen und ermöglichen vielfältigere Karriereschritte. 

marktforschung.de: Was halten Sie von Quotenregelungen?

Sabine Menzel: Solange Vorstandspositionen primär männlich besetzt werden braucht es Quoten, Frauenförderprogramme und Organisationsmodelle, die für Mütter wie Väter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Dann stellt sich für Frauen nicht mehr die Frage 'Kinder oder Karriere?' und sie werden auch selbst mehr in Karrierepositionen drängen.

marktforschung.de: Gerade wird ja viel darüber geredet, wie Frauen sich gegenseitig pushen und kooperieren können. Wie ist es bei Ihnen: Haben Sie Frauen besonders im Fokus, um sie bei Bedarf zu fördern? 

Sabine Menzel: Ich habe noch nie jemanden in seiner/ihrer Entwicklung mehr unterstützt aufgrund des Geschlechts. Das würde auch nicht zum besten Ergebnis führen. Aber ich habe immer wieder gerade Berufseinsteigerinnen motiviert, ihre Leistungen selbstbewusst zu verkaufen und nicht –rollentypisch – sich mit der zweiten Reihe zufrieden zu geben oder sich die erste Reihe gar nicht erst zuzutrauen.

marktforschung.de: Gab es eine Person, die Sie bei Ihrem Werdegang gefördert hat? Vielleicht sogar eine(n) Mentor/-in? Oder ein Vorbild?

Sabine Menzel: Ich hatte und habe immer wieder Vorbilder für verschiedene Aspekte und Herausforderungen des Berufslebens, von denen ich versuche zu lernen, und die ich auch um Rat fragen kann. Ich empfehle dennoch gerade jungen Frauen mit Ambition, sich explizit ein oder mehrere Mentoren selbst zu suchen, um frühzeitig viele stärkende Impulse zu bekommen. 

marktforschung.de: Sind Sie Mitglied in einem Frauen- oder gemischten Netzwerk? 

Sabine Menzel: Ich halte gemischte Netzwerke für zielführender, gerade weil sie helfen, Geschlechterunterschiede irrelevant zu machen. Ich kann jedem, insbesondere betrieblichen Marktforschern, nur raten, sich in einer der Branchenorganisationen schon jung zu engagieren.

marktforschung.de: Wir leben in Zeiten ständiger Erreichbarkeit. Wie gehen Sie damit um? 

Sabine Menzel: Es ist ja oft eine persönliche Entscheidung, ob man erreichbar sein möchte – und für wichtige Themen empfinde ich das nicht als Störung, denn mein Beruf ist nun mal Teil meines Lebens. Glücklicherweise kann ich auch zu Hause mit Zuklappen des Laptops sofort auf Freizeitmodus umschalten. 

marktforschung.de: Stichwort Selbstoptimierung: Heutzutage gilt es ja als verbreitetes Phänomen, dass gerade Frauen es damit leicht übertreiben. Wie ist das bei Ihnen? 

Sabine Menzel: Meine Selbstoptimierung ist Zeitoptimierung: Zum Beispiel höre ich Hörbücher, wenn ich jogge und den Haushalt erledige. Meine Jobwegezeit nutze ich für Telefonate und Podcasts. So gewinne ich Zeit für Familie, Freunde, Freizeit. Beim Streben nach der ‚besten Version von uns selbst‘ sollten wir Frauen zugleich auch großzügig mit uns selbst sein.

marktforschung.de: Was war der beste Ratschlag, den Sie für Ihr Berufsleben bekommen haben?

Sabine Menzel: Das war ganz klar: "Take risks". Ein Sprung ins kalte Wasser lohnt sich immer wieder. Das maximiert die Lernkurve und eröffnet neue Chancen. 

(Das Interview führte Ulrike Schäfer)

Zur Person: Sabine Menzel stieg nach dem BWL-Studium bei der Infratest Burke Marketingforschung (heute Kantar) ein, bevor sie für zehn Jahre auf die betriebliche Seite zu L'Oréal wechselte. Danach übernahm sie bei der Deutschen Post DHL als Geschäftsleiterin den internationalen Bereich des 'Market Research Service Center', einem Profit Center im Konzern. Zurück in der Konsumgüterbranche leitete sie bei Henkel zunächst die Marktforschung der Kosmetiksparte und kreierte danach übergreifend für alle Geschäftsbereiche das Insights Team zur Unterstützung von Innovationsprozessen. Seit 2015 ist Sabine Menzel als Director Consumer & Market Intelligence zurück bei L'Oréal, wo sie die Marktforschung in eine konsumentenzentrierte Digital First Abteilung entwickelt. Ehrenamtlich hat sich Sabine Menzel viele Jahre im BVM Vorstand für Seminare, Fachtagungen und den Preis der Deutschen Marktforschung engagiert. Seit 2014 ist sie im Beirat von marktforschung.de. Sie lebt mit Mann, Tochter und zwei Kaninchen in einem Dörfchen am Rhein vor den Toren Düsseldorfs.

 

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