Vom Marktforscher zum Berater Mehr als reine Datenlieferanten

Sebastian Gräper, Barbara von Corvin (Happy Thinking People)

Von Sebastian Gräper und Barbara von Corvin, Happy Thinking People

Ein stärkeres Engagement im Bereich der strategischen Beratung über die reine Ergebnislieferung hinaus – dies gilt seit Jahren als zentrales Erfolgskriterium für die Marktforschung. Zumindest zieht sich das Thema „Vom Marktforscher zum Berater“ wie ein roter Faden durch jeden Marktforschungs-Kongress der letzten Jahre. Die meisten Institute haben auf diese Forderung daher auch längst reagiert, indem sie das Thema Beratung in ihren Positionierungen aufgenommen haben.

Allerdings weisen aktuelle Ergebnisse einer Befragung von betrieblichen Marktforschern durch marktforschung.de darauf hin, dass in Bezug auf die tatsächliche Beratungsleistung bei vielen Instituten immer noch eine gewisse Kluft zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu herrschen scheint. Im Klartext: Viele betriebliche Marktforscher sehen in Bezug auf die Beratung durch einen Institutsmarktforscher noch klares Steigerungspotenzial.

Dies zeigt, dass es heute als Beratungs-Leistung nicht (mehr) ausreicht, am Ende jedes Reports lediglich einige mehr oder weniger klare handlungsweisende Empfehlungen zu präsentieren. Um von den Auftraggebern als Berater wirklich ernst genommen zu werden, müssen Marktforscher mehr leisten als dies.

In diesem Zusammenhang darf man allerdings ein anderes, grundsätzlicheres Problem nicht aus dem Auge verlieren: „Für die interne Kommunikation bei uns macht es oft einfach mehr her, wenn eine Unternehmensberatung ein Projekt mitgestaltet hat und nicht ein Marktforschungsinstitut.“ Dieses Originalzitat eines betrieblichen Marktforschers unterstreicht, dass Marktforscher gerade im Top-Level Management häufig noch Akzeptanz- bzw. Profilierungs-Defizite haben – sie werden oft gar nicht erst als relevante Berater wahrgenommen und akzeptiert.

Die Hintergründe dafür sind klar: Viele Unternehmen lassen sich bereits jetzt von verschiedensten Seiten recht umfassend beraten. Dadurch stellt sich automatisch die Frage nach der Legitimation oder zumindest dem Mehrwert von Marktforschungs-basierter strategischer Beratung. Oder in anderen Worten: Warum sollen neben den Unternehmensberatern und Werbeagenturen nun auch noch die Marktforscher als Consultants hinzugezogen werden?

Es scheint also, dass eine stärkere Profilierung und Differenzierung der Beratungskompetenzen notwendig ist, um sich als Marktforscher erfolgreicher auf dem Feld der strategischen Beratung zu positionieren.

Dabei steht für uns außer Frage, dass gerade qualitative Marktforscher aufgrund ihres profunden Verständnisses von Märkten, Marken und Konsumenten geradezu prädestiniert sind für effektives Consulting. Tatsächlich war diese Überzeugung sogar ein zentraler Antrieb für die Gründung von Happy Thinking People (vormals H,T,P, Concept) vor knapp 25 Jahren.

Um dies aber auch erfolgreich in die Tat umsetzen zu können, ist eine Abkehr von der auf Institutsseite oft noch vorherrschenden „Projekt-Denke“ notwendig.

Das heißt selbstverständlich nicht, dass einzelne Ad Hoc-Projekte an Bedeutung verlieren. Nur sollten Projekte dabei nicht als einzelne, in sich abgeschlossene Arbeitseinheiten betrachtet werden. Vielmehr sollte der beratende Marktforscher während der gesamten Projektarbeit immer das große Ganze – sprich, den strategischen Hintergrund und die übergeordneten Zielsetzungen des Kunden – im Auge behalten, in die das einzelne Projekt eingebunden ist, um im Rahmen des einzelnen Projekts und über das einzelne Projekt hinaus auch wirklich beratend tätig werden zu können.

Und was können Marktforscher über die klassische Projektarbeit hinaus konkret im Bereich der strategischen Beratung leisten?

Gerade qualitative Marktforscher können mit ihrer Expertise den gesamten strategischen Prozess in Unternehmen begleiten. Dafür kann zum Beispiel je nach Zielsetzung ein breites Set an verschiedenen strategisch ausgerichteten Workshops eingesetzt werden: Von der Insight-Identifikation über Innovationen, Portfolio-Planung, Positionierung und Marken-Entwicklung.

Dabei sollte jeder Workshop individuell an die konkreten Rahmenbedingungen und Zielsetzungen des jeweiligen Kunden angepasst werden – basierend auf einer klaren und einheitlichen Philosophie: Start der strategischen Zusammenarbeit sollte unserer Ansicht nach dabei immer die Definition bzw. die konkrete Ausformulierung einer Business-Challenge sein. Denn wir sind davon überzeugt, dass jeder strategische Prozess ein klar formuliertes Ziel verfolgen muss, um erfolgreich zu sein. Dabei agiert der Marktforscher nicht nur als Moderator, sondern kann auch seine Kategorie- und Länder-übergreifende Expertise in die Diskussionen einbringen. Und nicht zuletzt sollte im Anschluss an einen Workshop nicht nur eine strukturierte Dokumentation abgeliefert werden – sondern eine weiterführende Analyse der Ergebnisse mit daraus abgeleiteten klaren Ideen und Empfehlungen.  

Workshops sind aber nur ein mögliches Element eines ganzheitlicheren Coaching- Ansatzes, über den Marktforscher ihre Kunden beratend unterstützen können und den wir Projective Project Coaching nennen.

Dabei werden Marketing- oder R&D-Teams nicht nur dabei unterstützt, ihre strategischen Zielsetzungen klar zu formulieren – Institut und Auftraggeber screenen und ordnen auch gemeinsam mit den Teams das dazu bereits im Unternehmen vorhandene Wissen und helfen dabei, Wissenslücken zu identifizieren. Anschließend werden mit und für die Teams Forschungs-Designs entwickelt, um diese Lücken zu füllen – und so die weitere Arbeit zum Beispiel an Insights, Produkt-Konzepten oder Marken-Positionierungen zu inspirieren.

Im darauf aufbauenden Implementierungs-Prozess bietet sich als begleitende Beratung an, in regelmäßigen Abständen Revision-Meetings mit den Teams durchzuführen. Dabei werden die Fortschritte des Teams bei der Umsetzung diskutiert, mögliche Probleme aufgedeckt und entsprechende Lösungs-Ansätze entwickelt, um die ursprünglich definierten Zielsetzungen optimal zu erreichen.

Daraus können weiterführend vom Institut spezifische Empowerment-Programme für den Kunden entwickelt werden. Dies können regelmäßig durchgeführte Consumer Immersion Sessions sein, um über die Beobachtung und den direkten Austausch mit Zielgruppen-Vertretern im „echten Leben“ ein tieferes Konsumenten-Verständnis zu generieren. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Kunden durch Insight- oder Concept Writing-Classes zu unterstützen, eigenständig involvierende und vor allem Konsumenten-gerechte Konzepte zu generieren.

Es liegt an den Marktforschern selbst, für ihre Kunden ein überzeugendes Beratungsangebot zu erarbeiten. Für Beratung zu stehen mit dem Anspruch, vom Forschungsergebnis zu klar formulierten und begründeten Insights und zu umsetzbaren Ideen zu kommen. Ideen, die Grundlage sind für erfolgreiche Strategien von Unternehmen und Marken unterschiedlicher Branchen, in nationalen und internationalen Märkten. Um so ihr Mehr an Verständnis in Form von Beratung in echten Mehrwert für die Kunden umzuwandeln.

 

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