May Be or not May Be?

Dr. Daniel Salber

Dr. Daniel Salber

Von Dr. Daniel Salber

Missverständnisse gehen ins Geld. Ein millionenteures Missverständnis ist das zwischen Forschung und Werbeagenturen. Kennen Sie das? Da haben Sie 1.290 streng segmentierte Verbraucher befragt, eine akribische Grundlagenstudie hingelegt, und dann kommen die Agenturen, und in deren Kreationen ist nicht mehr die leiseste Spur der wissenschaftlichen Gründlichkeit zu erkennen. Dann werden noch drei Gruppendiskussionen eingespart, und eine Kampagne geht on air, die Millionen Euros verballert. Vielleicht lief es so bei Marlboro... may be.

Natürlich fassen wir uns zuerst an die eigene Nase. Waren die Forschungs-Ergebnisse zu abgedreht, die Charts zu voll geschrieben? Das gibt es, doch das allein erklärt nicht, warum immer wieder mit hartnäckiger Beharrlichkeit die Kommunikation zwischen Research und Agency misslingt. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.

Obwohl es eine simple Sache wäre, kommen Forscher und Kreative viel zu selten an einen Tisch. Da wird ein Prozess hübsch zerstückelt, auch wenn es am Ende Millionen kostet, und das ist nur teilweise dem "Teile und Herrsche" unserer Kunden zu verdanken. Die Wurzeln liegen tiefer: In diesen Separationen leben jahrhundertealte Spaltungen weiter.

Auf der einen Seite das Objektive und die Wissenschaft, auf der anderen das Subjektive und die Kunst. Nach diesem Muster hat vor 400 Jahren der Philosoph René Descartes die Welt entzwei geschnitten. Seitdem herrscht tiefes Misstrauen zwischen den Objektiven und den Künstlern. Nichts Kreatives darf sich in die strenge Forschung einmischen – und zuviel Wissen gilt als Hemmschuh des Genies. Heute erscheint eine smarte  Wissenschafts-Verachtung fast als Zeichen des Schöpfertums. Hat nicht ein Steve Jobs gegen die blöde Konsumforschung gewettert? Und so manche Firma will gar nicht genau wissen, was sie alles treibt. Man drückt also gern ein Auge zu. Ergebnis: der Freibrief fürs "Kreative".   
 
Niemand wagt die wohltönenden Versprechungen der Agenturen anzuzweifeln, die neue Kampagne wecke "Begehrlichkeit und konkrete Relevanz" – sie werde die "Brand Promises kompetitiv differenzieren". "Spontan", "aktivierend" und "emotional" sind weitere Zauberwörter, um das freie Schöpfertum von jeder sachlichen Kritik abzukoppeln. Unbelastet von der Konsumenten-Wirklichkeit dreht sich die Werbeindustrie dann in ihrer eigenen Welt –  Selbstbespiegelung und Selbstzitate, statt in eine Auseinandersetzung mit den fremden Konsumenten zu treten. Ihnen reißt die "freie" Kreatividee das schützende Marlboro-Dach über dem Kopf weg.     

Zugegeben, das Bild ist etwas überspitzt. Und zum Neuen Jahr wollen wir "positiv" denken. Positiv heißt: Problem erzeugende Denkmuster überschreiten. Spätestens seit Paul Feyerabend ("Wider den Methodenzwang") ist bekannt, dass Wissenschaft von kreativen Ansätzen lebt. Und Kunst kommt von Können, was wiederum Wissen voraussetzt. Wie wäre es, mal über kreative Konzepte von Forschung und über systematische Inspiration nachzudenken? Und Prozesse aufzubauen, die Forschung und Agenturen zum gemeinsamen Arbeiten bringen? Wie wäre es mit einer Neuen Sachlichkeit – anstatt Jahr für Jahr Millionen in Forschungen ohne Konsequenzen und unverständlichen Kampagnen zu verheizen?

 

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