Interview mit Stephan Thun (Maritz) "Marktforschungsunternehmen tun gut daran, die Augen über den Tellerrand der Branche zu richten."

Stephan Thun, Executive Vice President und Managing Director Europe bei Maritz, hat an der diesjährigen Podiumsdiskussion auf der GOR teilgenommen. Bereits im Vorfeld äußerte sich im Kurzinterview mit marktforschung.de:

Stephan Thun (Maritz Research)

marktforschung.dossier: Die Podiumsdiskussion auf der diesjährigen GOR steht unter dem Titel „Is Mr. X dead? Anonymity in market research". Sie selbst nehmen an Diskussion teil – lässt sich die Frage aus Ihrer Sicht beantworten?

Stephan Thun: Ein klares „Jein“. Für die traditionelle Forschung bleibt das Anonymisierungsgebot ein elementares Gebot, etwa im Bereich der Sozial- und Meinungsforschung, eines von vielen Beispielen hier sind Wahlumfragen. Aber: Der Markt für Marktforschung befindet sich in einem nicht mehr umkehrbaren Veränderungsprozess, in dem die klassische Marktforschung immer weiter schrumpft. Die kurzfristigen Veränderungen zeigen sich bereits in Umsatzstagnation oder -rückgang vieler Institute. Die langfristigen Veränderungen werden viel drastischer sein. Marktforschungsunternehmen tun gut daran, die Augen über den Tellerrand der Branche zu richten, sich ihrer einzigartigen Fähigkeiten bewusst zu werden und auf ihre Stärken zu setzen. Verbraucher haben immer weniger Lust, Fragebögen auszufüllen, die ihnen keinen direkten Nutzen bringen. Gleichzeitig kommunizieren sie aber mehr denn je und offen z.B. über soziale Medien. Unternehmen auf der anderen Seite wollen hin zu Micro-Segmentierungen auf Basis einer Synthese aller vorliegenden Daten und wollen so individuelle Kundenbeziehungen besser und relevanter steuern. Hieraus ergeben sich enorme Wachstumspotenziale für Unternehmen, die Kundenfeedback analysieren, aggregieren und interpretieren können. Kurzum: Mr. X ist nicht tot, aber die Musik spielt woanders.

marktforschung.dossier: Im vergangenen Jahr sorgte die Rüge für Ihr Unternehmen durch den Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung für einiges Aufsehen in der Marktforschungsbranche. Auch hier im Fokus: das Anonymisierungsgebot. Hat sich durch die Rüge selbst und die anschließende Debatte für Maritz etwas signifikant verändert?

Stephan Thun:
Für uns als Vorreiter und Marktführer im Bereich Kundenzufriedenheitsmanagement hat sich nichts verändert. Aber die mit der Rüge verbundene Diskussion war eine perfekte Möglichkeit, eine notwendige Debatte auch innerhalb von Marktforschungsverbänden anzuschieben. Wir selbst hatten ja bereits frühzeitig unsere Aktivitäten in unterschiedliche Gesellschaften, Maritz Research und Maritz Marketing Services, organisatorisch und rechtlich aufgeteilt. Dabei ist Maritz Marketing Services darauf spezialisiert, Kundenfeedback so zu nutzen, dass Unternehmen profitabler wachsen und Kunden einen besseren individuellen Service erhalten. Das ist eine win-win Situation, die alle Beteiligten wollen, denn natürlich müssen die Kunden vorab ihre Einwilligung erteilt haben. Wir sind im Bereich Kundenzufriedenheit im Übrigen nur deshalb Marktführer, weil wir uns neben neuester Technologie auch den neuesten analytischen Verfahren bedienen können, die auch im Bereich Marktforschung angewendet werden. Eben in dieser Art Weiterentwicklung liegen die Chancen für die Branche. Wir wachsen mit beiden Gesellschaften zusammen genommen im ablaufenden Geschäftsjahr organisch um fast 14% - eine Performance, die so in der klassischen Marktforschungsbranche nicht mehr erzielbar ist.

marktforschung.dossier:
Marktforschung findet zunehmend im internationalen Kontext statt, Konzerne wie Google drängen mit Tools wie Google Consumer Surveys auch auf den deutschen Markt. Wie weit reicht vor diesem Hintergrund überhaupt noch der Einfluss der deutschen Gesetzgebung?

Stephan Thun:
Natürlich ist die lokale Gesetzgebung im Land der Erhebung maßgeblich. Für Unternehmen wird es im Rahmen internationaler Aktivitäten aber immer wichtiger, sich auf auch auf internationale Richtlinien verlassen zu können. Daher ist es wünschenswert, dass die EU einheitliche Gesetze vorantreibt. Gleichzeitig ist es für Unternehmen wie uns heute elementar, über ausreichend Expertise zu verfügen, um Auftraggeber im Rahmen ihrer internationalen Projekte auch diesbezüglich relevant beraten zu können.

marktforschung.dossier: Herr Thun, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

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