Rückblick: WdM-Daily-Keynote vom 17. Mai 2022 Marktforschungstrends in einer Post-COVID-Welt

Noch nie gab es eine Zeit, in der so viel in die Marktforschungsbranche investiert wurde wie heute, sagt Kristin Luck, die heutige und bisher erste weibliche ESOMAR-Präsidentin, die gleichzeitig Marketing-Beraterin, Investmentbankerin und Gründerin von Women in Research ist.
Entwicklung in Zahlen
Anders als zunächst erwartet, hat sich die Marktforschungsbranche nach dem Tief im Jahr 2020 erholt und erlebt laut dem aktuellen ESOMAR-Report derzeit einen regelrechten Boom. Denn während die Branche 2021 noch eine 80-Millarden-Dollar-Industrie war, verzeichnet diese weltweit mittlerweile einen Umsatz von fast 90 Milliarden Dollar. 48 Milliarden macht davon der amerikanische Markt aus, ca. 20 Milliarden der europäische. Der Vergleich zu anderen Märkten, von denen man meinen könnte, sie seien genauso groß oder sogar größer, lässt stutzen. So hat der globale Kaffeemarkt beispielsweise einen Gesamtumsatz von 70 Milliarden Dollar oder der Digitale Musikmarkt sogar nur 15 Milliarden Dollar. Die Marktforschungsbranche zieht derzeit eine hohe Aufmerksamkeit auf sich, und das nicht nur bei Unternehmen, sondern insbesondere bei Investoren.
Aktuelle Trends
Ein Trend, der sich derzeit in der Branche abzeichnet und diese maßgeblich beeinflusst, ist der Wandel von der traditionellen zur technologiegestützten Forschung. COVID hat die Branche dahingehend langfristig geprägt, da Face-to-Face-Erhebungen eine so große Herausforderung darstellten. So wuchs die technologiegestützte Forschung von 2019 bis 2020 um zehn Prozent. Insbesondere die DIY-Plattformen erfreuten sich mit einem 30-prozentigen Umsatzwachstum an Beliebtheit. Der Bereich der traditionellen Erhebungsmethoden, welcher bisher der umsatzstärkste war, hat sich hingegen noch immer nicht ganz erholt von der Pandemie und von 2019 auf 2020 einen Rückgang von drei Prozent erlitten.
Dass die technologiebasierten Lösungen bald vor den traditionellen in Führung gehen werden, sei laut Katrin Luck nur eine Frage von ein bis zwei Jahren. Das hieße jedoch nicht, dass die traditionelle Forschung in absehbarer Zeit verschwinden würde. Der Bereich wachse nur nicht in der gleichen Geschwindigkeit wie zuvor und wie die technologiebasierte Forschung.
Investitionshoch
Mit dem Boom der gesamten Branche geht ebenfalls ein Investitionshoch einher. Während bereits im Jahr 2020 vier Milliarden Dollar in die Marktforschungsbranche investiert wurde – zu diesem Zeitpunkt der größte Investitionsbetrag seit 2014 –, erreichten die Gesamtinvestitionen 2021 mit über 7 Milliarden Dollar ihren bisherigen Höhepunkt. Marketing Analytics war dabei der wichtigste Investitionsschwerpunkt, welcher den Investitionsbereich der Marktforschung deutlich übertraf. Wieder ein Indikator für den sich abzeichnenden Trend weg von traditionellen Methoden und hin zu technologiegestützten Ansätzen, sagt Katrin Luck. 2022 wird sogar eine noch höhere Investitionssumme erwartet.
Ein deutlicher Anstieg von 2020 zu 2021 lässt sich auch im zuvor bereits erwähnten wachsenden Bereich der Plattformen erkennen. 2020 waren es noch ca. zehn Millionen Dollar, die in den Bereich wanderten, 2021 wurden schon ca. 35 Millionen investiert, auch hier erfreuten sich Analytics Pattformen wieder an besonderer Popularität. Denn in diese wurde dreimal so viel investiert wie noch im Vorjahr.
Als die wichtigsten Faktoren, die eine Investorin oder einen Investor dazu antreibt, in ein Unternehmen der Marktforschungsbranche zu investieren, wurden die folgenden identifiziert:
- Wiederkehrende Einnahmen
- Software vs. Service: software-getriebene Unternehmen werden von Investorinnen und Investoren besser bewertet als dienstleistungs-getriebene Unternehmen
- proprietäre Daten: differenzierte Erkenntnisse und Mittel zur Datenerfassung
Investitionstipps
Auf die Frage hin, in welchem Bereich der Branche Katrin Luck momentan ihr Geld anlegen würde, nennt sie klar und deutlich den Bereich Data Analytics bzw. Analytics Plattformen. Das starke Wachstum von qualitativen Plattformen und die wesentlich höhere Gewinnspanne bei qualitativer Onlineforschung als bei Offline-Forschung würden für diesen Investitionsbereich sprechen.
Denn obwohl sie der Meinung ist, dass einige Unternehmen wieder zur persönlichen Recherche zurückkehren würden, seien viele Unternehmen während COVID ernsthaft beeinträchtigt und geprägt worden. Die Onlineforschung stelle eine attraktive Möglichkeit dar, kosten einzusparen, insbesondere mit Blick darauf, dass viele Unternehmen ihre Räumlichkeiten aufgrund des Lockdowns nicht nutzen konnten und nun ihre Kosten eingrenzen wollen würden.
Tipps für traditionelle Agenturen
Auch wenn die traditionelle Forschung nicht verschwinden würde, so Katrin Luck, sei der Einsatz von technologischen Lösungen heutzutage essenziell. In der Marktforschungsbranche wende man zu oft ineffiziente Prozesse an, dabei gäbe es mittlerweile so viele Tools, vor allem im Bereich der Datenverarbeitung und Datenanalyse, die effizienter seien als traditionellere Methoden. Der Schlüsselfaktor gerade mit Blick auf Investorinnen und Investoren sei die Effizienz des Unternehmens. So müsse nicht jedes Unternehmen ein Technologieunternehmen sein, um rentabel zu sein, jedoch gäbe es Techniken und Instrumente, mit denen man Effizienz und Rentabilität verbessern könne und die man sich zu Nutze machen sollte.
Prognose
Katrin Luck prognostiziert, dass die durch COVID ausgelöste Verlagerung von face-to-face zu Online weiter voranschreiten werde und es somit einen anhaltenden Anstieg der qualitativen Technologie geben würde. Die Primärforschung würde hingegen weiter abnehmen, da sich ein zunehmendes Interesse und Vertrauen in Verhaltensdaten und passiv gesammelte Daten abzeichne. Das WAS würden nun diese Datensätze liefern, sodass Marktforschungsfragen zukünftig vermehrt lediglich zur Identifizierung des WARUMs, also des Konsumentenverhaltens, genutzt würden. Ebenfalls zu erwarten sei die anhaltende Zunahme von Investitionen und M&A-Aktivitäten. Zu guter Letzt wird der Fachkräftemangel, welcher auch in Zukunft stets Thema sein würde, genannt. Insbesondere in den Bereichen Data Automation, KI und Data Science sei es momentan schon sehr schwer, talentiertes Personal in zu finden. Diese Situation könnte sich weiter zuspitzen.
Die gesamte Aufzeichnung der Daily Keynote finden Sie hier.
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