Herbert Höckel, moweb research Marktforschung trifft auf Return on Investment: Klare Berechnung oder Wundertüte?

Auch wenn die Marktforschung eine Disziplin der Zahlen ist – die Bezifferung ihres monetären Erfolgs bleibt oft schwierig. Auch deshalb, weil viele Faktoren gar nicht in den Händen der Institute liegen. Unser Kolumnist Herbert Höckel schlägt im Rahmen unseres aktuellen Dossiers "Return on Investment" für die Darstellung des ROI einen hybriden Ansatz vor, der quantitative mit qualitativen Argumenten verknüpft und die kontinuierliche Arbeit am Vertrauen der Kunden in den Vordergrund stellt.

Siegfried und Roy (Bild: picture alliance / Horst Galuschka | Horst Galuschka)

Bildet der ROI in der Marktforschung eine genauso große Überraschung wie eine Zaubershow? Hier die Zauberkünstler und Dompteure Siegfried und Roy bei einem TV Auftritt 1987. (Bild: picture alliance / Horst Galuschka | Horst Galuschka)

Marktforschung und „ROI“, das klingt doch irgendwie nach Siegfried & ROY, finden Sie nicht? Letztere verfügten zweifellos über einen großen Zauber und waren für ihr Publikum wie eine spektakuläre Wundertüte, gefüllt mit weißen Tigern. Man wusste auf jeden Fall nie was bei der Show herauskam.

Ist der Nutzen von Marktforschung ebenfalls wie eine Wundertüte? Oder lässt sich trennscharf berechnen, was unsere Leistungen am Ende für die Kunden bedeuten? Können wir also die Kennzahl „ROI“ berechnen, um die Antwort auf die Frage zu geben:

Was exakt ist Marktforschung eigentlich wert?

Rund um diesen Themenschwerpunkt haben bereits andere Autoren die Schwierigkeit herausgearbeitet, den reinen Investitionskosten für ein Marktforschungsprojekt den monetären Erfolg (z. B. die Umsatz- oder Gewinnsteigerung) gegenüberzustellen.

Zu viele entscheidende Parameter sind entweder unbekannt, zu schwer abzugrenzen beziehungsweise nicht in der Hand des Instituts.

Holger Geissler zählt bereits in seinem Editorial zu diesem Dossier wichtige und überzeugende Argumente auf. Er konstatiert, dass in der Regel keine „1:1-Beziehung zwischen Studienergebnissen und der Summe des Erfolgs gewährleistet werden kann.“ Weiter führt er aus, dass der Wert von Befragungs-Insights in der Regel von der weiteren Verwendung im Kundenunternehmen abhängt, z. B. von deren Mediaplanung, dem Customer-Service-Team oder der Umsetzung einer entsprechenden Vertriebskampagne, für die die Erhebung die Grundlage liefern sollte. Hier sein Artikel zum Nachlesen.

Return on Investment im Nebel

Ein Marktforschungsinstitut muss nicht selten dabei zusehen, wie der Kunde aus den gewonnenen Resultaten eher fragwürdige Schlüsse zieht, die Daten nur selektiv nutzt oder im Extremfall auch gar nicht. Genau das entspricht auch meiner persönlichen Erfahrung, also dass sich der Wert von Erhebungs-Ergebnissen im Laufe des Verwertungsprozesses wieder reduziert. Wie sollen wir vor diesem Hintergrund die Berechnung des klassischen Return on Investment vornehmen? Schwierig…

Heißt das nun, dass sich Marktforschung ohne klaren KPI im Grunde für Investitionsentscheidungen disqualifiziert? Wohl kaum!

Dass Marktforschung seit jeher für jede Branche unzählige Male wertvolle Daten und Insights produziert hat, von höchster Bedeutung für anstehende strategische Entscheidungen, das will ja wohl keiner ernsthaft bestreiten?! Aber trotzdem: Es ist kompliziert…

Glasklarer Nutzen auch ohne KPI-Berechnung

Schon in meinem letzten Interview auf diesem Portal habe ich die „Gummistiefel-Manufaktur“ als perfektes Beispiel für den Einsatz von Customer Centricity erwähnt. Selbst der Anbieter eines solch hippen, trendigen und erfolgsversprechenden Produktes braucht aber grundlegende Orientierung: Wer sind seine zentralen Personas? Wie leben, denken und entscheiden diese? Auf welchen Kanälen werden sie zuverlässig und mit welchen Methoden erreicht? Welche Produkt-Features sind ein Muss, welcher Preis ist der richtige und wo ist eine Obergrenze?

Ohne Antworten auf diese und noch viele weitere Fragen nützt der Manufaktur doch das beste Produkt nichts, es würde quasi blind und ohne Kompass (im wahrsten Sinne!) gegen die unsichtbare Wand des Marktes „stiefeln“! Die Kapitalrentabilität, also der ROI, dieser dringend benötigten Marktforschung wird in diesem Fall glasklar positiv sein. Aber ist er auch solide berechenbar? Irgendwie ja aber auch irgendwie nein.

Der eine Teil der ROI-Berechnung, die Kosten für den kompletten Marktforschungsprozess, ist leicht ermittelt, klar. Aber was ist mit dem Faktor „Erfolg“? Wie bereits erwähnt hängt dieser Wert von einer Fülle von Parametern ab, die der Marktforscher nur selten beeinflussen kann.

Auf eine unerwartete Veränderung des Marktumfeldes – egal, ob nun positiv oder negativ – hätte er ebenso wenig Einfluss wie auf eine Vertriebskampagne, die durch unerfahrene Mitarbeiter beim Kunden in den Sand gesetzt wird – trotz hochwertiger Forschungsresultate.

Insights werden schnell fragil

Letztlich unterliegt unsere Dienstleistung ab einem bestimmten Punkt immer auch einer gewissen „Fragilität“: Geraten unsere Erkenntnisse nach Abschluss des Projektes in die falschen Hände, reduzieren sich deren Werte dramatisch. Daraus kann jedoch nur unsere Aufgabe folgen, dafür zu sorgen, dass das eben nicht passiert. Wir also auch für die Nutzung und Verwertung unserer Insights an Bord bleiben oder zumindest offensiv beim Kunden auf die Gefahr hinweisen, dass die Qualität von Marktforschung nicht zuletzt durch sie selbst bestimmt wird.

Die Berechnung des ROI ist also schwierig. Und nun?

Natürlich sind wir eine Branche der Zahlen. Also wo, wenn nicht bei uns, sollten KPI's eine entscheidende Rolle spielen? Wir sind aber genauso die Experten fürs Zuhören, Verstehen, Kommunizieren und Interpretieren. Wir sind Berater.

Was wir brauchen, ist also eine hybride Lösung. Das bedeutet, wir kalkulieren die Investitionen bzw. Kosten sowie die Absatzzahlen und Gewinne dort, wo es solide möglich ist. Das ist der klassische, quantitative Teil des ROI. Diesen ergänzen wir durch einen qualitativen Ansatz, gefüttert durch unsere Erfahrungswerte, überzeugende Argumente und das Versprechen von Professionalität, sprich gutes Marktforschungshand- und „-kopfwerk“.

Der qualitative ROI ist aber kein Wischi-Waschi oder nur Geschwätz! Er funktioniert vielmehr nur mit dem Vertrauen, das der Kunde uns entgegenbringt. An diesem müssen wir täglich hart arbeiten, in dem Wissen, dass schon ein einziges schwach gelaufenes Projekt vieles von der Wertschätzung kaputtmachen kann, die vorher in Jahren aufgebaut wurde.

Erfahrung, Erfolgsgeschichten & Mitverantwortung

Die besagten „überzeugenden Argumente“ fallen keinesfalls vom Himmel und müssen klug und wohl überlegt sein. Der Teilausfall einer eindeutigen ROI-Kennzahl für Research-Leistungen macht es nötig, für den Kunden fundiert und verständlich (!) zu kommunizieren. Und zwar mit stichhaltiger Methoden-Kompetenz, mit schlüssigen Erfahrungswerten bzw. Erfolgsgeschichten sowie dem Angebot, als Dienstleister auch dauerhaft Verantwortung zu übernehmen.

Ein positiver quantitativer und qualitativer ROI bedeutet, dass die Ansprechpartner im Kundenunternehmen nachvollziehen können, dass sie sinnvollerweise Geld und die eigene (Mit-)Arbeit in ein Marktforschungsprojekt investieren und was das am Ende wirklich bringt: Welche Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sind also zu erwarten und wieso wird sich das letztlich zu einem besseren Image oder steigenden Absätzen auswirken? Auf diese Weise ermöglichen wir diesem Mitarbeiter, auch intern den Nutzen des Projektes jederzeit rechtfertigen zu können. Ein durchaus kritischer Faktor, dem vermutlich nicht immer die nötige Beachtung geschenkt wird. 

Wir machen keine Show, sondern zielgerichtetes Business

Ist Marktforschung also doch keine Wundertüte? Sicherlich nicht! Wir wissen genau, was wir tun und was wir bewirken. Und wieso wir dafür absolut professionelle Mitarbeiter mit Leidenschaft für ihr Fach beschäftigen. Wir kennen zudem die wichtigen Stellschrauben bei den Kunden, damit unsere Insights nicht an Wert verlieren, sondern stattdessen ihr Ziel auch erreichen. 

Aber allein schon der Umstand, dass der Wert unserer Branche immer mal wieder kritisch hinterfragt wird, sollte uns Ansporn und Pflicht zugleich sein, neben unseren Methoden und Prozessen auch die Zweckmäßigkeit noch verständlicher und nachvollziehbarer zu artikulieren.

Und Siegfried & Roy? Die beiden waren natürlich anders, d. h. Transparenz ein No-Go und die Wundertüte gewollt. Keiner – nein, auch nicht die berühmten weißen Tiger – erkannten das „Warum und wie“. Aber gerade das macht ja im Showbusiness die Faszination aus. Marktforschung ist kaum weniger faszinierend, ist in der Hauptsache aber seriös, nüchtern und auf greifbare Ergebnisse orientiert, und das ganz ohne Zauberei.

 

Über die Person

Herbert Höckel begann seine Karriere 1994 bei AMR in Düsseldorf. Nach zehn Jahren, zuletzt in leitender Position, machte er sich 2004 mit moweb research selbstständig, einem bis heute führenden Institut für digitale Marktforschung. Seit 2021 bekleidet er zudem auch die Rolle des Managing Directors von AMR Advanced Market Research. Herbert Höckel ist Autor des Buches "Customer Centricity Mindset" sowie gefragter Coach und Speaker für Marketing- und Marktforschungsthemen im DACH-Raum. Seit einigen... mehr

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