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Interview mit den Herausgebern "Marktforschung für die Smart Data World: Chancen, Herausforderungen und Grenzen"

Sie haben ein neues Sammelwerk zum Thema „Marktforschung für die Smart Data World“ veröffentlicht“. Was gab den Anstoß dazu?
Hans-Werner Klein: Den Anstoß für dieses Buch gaben Kolleg*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft, die ihren Beitrag zu einer fundierten Auseinandersetzung mit dem aktuellen und zukünftigem Umfeld von Marktforschung leisten wollen. Das Ergebnis ist ein spannendes und unterhaltsames Fachbuch. Spannend, weil ganz neue Möglichkeiten der Datengewinnung und Datenvermarktung in der Mafo beleuchtet werden. Unterhaltsam, weil die Autor*innen gut geschriebene, tiefe Einblicke in ihr Schaffen geben, das manchem von uns noch fremd ist.
Bernhard Keller: Mit den vorhergehenden drei Publikationen haben wir bewiesen, dass wir die Nachfrage nach Wissen in vielen Bereichen mit Marktforschungsbezug zumindest teilweise stillen können. Der Erfolg überzeugte den Verlag, sich weiter mit uns zu engagieren – und das wiederum motiviert Autor*innen, sich zu beteiligen.
Alexandra Wachenfeld-Schnell: Die Möglichkeiten der Forschung nehmen weiter zu – deswegen ist es wichtig die aktuellen Verfahren und Ansätze aufzuzeigen und ihre Vorteile und Grenzen zu beschreiben. Das Buch bietet die Möglichkeit den eigenen Blickwinkel zu vergrößern und sich auf neue Ideen und Herangehensweisen einzulassen.
Beschreiben denn die Marktforscher mehr als nur die Agonie einer schwindenden Branche?
Hans-Werner Klein: Wie lebendig die Branche ist und wie sehr sie immer sie sich immer wieder neu erfinden kann - dazu halten die Autor*innen nicht hinter’m Berg mit tiefen Einblicken in ihre Arbeits- und Denkfelder.
Ein paar Beispiele machen das deutlich:
- Wussten Sie, wie datengetrieben auf der Basis von Smart Data Mafo für die Immobilienwirtschaft betrieben wird?
- Möchten Sie erfahren, wie die Technologie von Blockchain genutzt werden kann, um faire Geschäftsmodelle des Datenverkaufs für uns Bürger als Datenlieferanten und die Marktforschungsinstitute zu gestalten?
- Was leistet ein von der Mafo entwickeltes Ökosystem von Datenanalyse und Prognose für die sich immer mehr zu Festivals entwickelnde Messebranche?
- Wenn wir Daten als Rohstoff betrachten, sollten es dann nicht eine Basisausbildung in Schule, Beruf und Studium zu einer „Data Literacy“ geben?
- Wie stehts mit dem Aspekt „Ethik“ bei der Gewinnung der Smart Data, können wir da genauso sauber sein wie bei den traditionellen Regeln der ESOMAR?
- Wenn man nur Zeit hätte, drei Kapitel aus dem Buch zu lesen, welche sollte man wählen?
Hans-Werner Klein: In dem eher unwahrscheinlichen Fall eines drohenden, massiven Interessenverlustes an der Zukunft unserer Zunft empfehlen wir: Lesen Sie die Seiten IX bis XVI (das ist das Kapitel „Themen, Beiträge und Autoren“). Denn wir wissen nicht, welches der ganz unterschiedlichen Themen Sie als erstes packt, zum Lesen einlädt und sie sich nach einer kurzen Weile schmökernd, schmunzelnd, stirnrunzelnd, nickend, Notizen machend diesen Band nicht mehr aus der Hand legen lässt (gegeben: wenn Sie ein gedrucktes Exemplar nutzen).
Alexandra Wachenfeld-Schnell: Da kann ich Hans Werner Klein nur zustimmen. Jeder wird beim Lesen seine eigenen Highlights entdecken und sich festlesen – ganz nach Präferenz und Interessensgebiet. Persönlich finde ich es spannend und wichtig, dass in diesem Band auch die Frage der Ethik gestellt wird. Ich bin überzeugt, dass uns Fragen zur Forschungsethik zukünftig stärker beschäftigen werden.
Auf der IIEX in Amsterdam war KI das vorherrschende Thema. Viele Marktforscher scheinen KI bereits zu nutzen oder nutzen zu wollen. Inwiefern spiegelt sich dies in Ihrem Buch?
Hans-Werner Klein: Die Aufklärung, was genau denn KI im Umfeld Datengewinnung und Analyse sein kann, ist genauso Inhalt von Beiträgen wie Berichte aus der Praxis vom Einsatz der KI unserer Autor*innen.
Ist KI mehr ist als Mode Ja, wenn KI fundiert und validiert professionell entwickelt und eingesetzt wird.
Wie brisant ein nicht professioneller Umgang sein kann, zeigen eingebaute Vorurteile von Algorithmen der KI Methode „Machine Learning“: Einige der eingesetzten Algorithmen sind sexistisch, rassistisch, politisch verzerrt oder speisen sich aus automatisiert eingelesenen Quellen. Und zwar immer dann, wenn eigene Vorurteile von Fachfremden den Kanon der Auswertungsregeln bestimmen.
Alexandra Wachenfeld-Schnell: Das ist eine Gefahr der wir uns bewusste sein müssen. Daher ist Transparenz in diesem Bereich sehr wichtig, bedeutet aber auch Nutzer und Käufer der Daten in die Lage zu versetzen, den Algorithmus inhaltlich zu verstehen. Das wird eine der Herausforderungen der Zukunft sein – für die die Autoren des Kapitels zu „Machine Learning“ sensibilisieren.
Bernhard Keller: In diesem Zusammenhang sind die Beiträge im Buch, die sich mit Fragen der Ethik befassen, grundlegend. Denn hier geht es auch um Themen wie Staatsverständnis, Freiheit und Menschenwürde. Die Marktforscher haben es in der Hand, Handlanger und Einflussnehmer zu sein.
Welche Rolle sehen Sie für die Marktforschungsbranche in der Zukunft im Bereich Data Analytics?
Bernhard Keller: Data Analytics ist ja nichts neues. Die Ablehnung oder Annahme von Hypothesen mit den im Forschungsprozess gewonnenen Daten gibt es schon seit meiner Studienzeit. Neu ist, dass Software zur Datenanalyse entwickelt und eingesetzt wird, um aus der Menge und Vielfalt an gesammelten Daten Informationen zu gewinnen. Warum sollte dieses Feld anderen außerhalb der Branche überlassen werden? Marktforscher sind und bleiben diejenigen, die Daten erheben, verarbeiten, aufbereiten – und im jeweiligen Kontext erklären. Und sie bedienen sich dabei der aktuellen Hilfsmittel – wie Smart Data Analytics.
Alexandra Wachenfeld-Schnell: Data Analytics gehört zu den Kerndisziplinen der Marktforschung und bedient sich heute – ob der größeren Datenmengen und bis weilen semi- oder gar unstrukturierten Datensätzen – komplexer statistischer und technischer Hilfsmittel, um auf Basis der Daten Muster zu identifizieren, Erkenntnisse zu gewinnen und damit Unternehmen eine solide Grundlage für Entscheidungen zu liefern. Wesentlich dabei ist, die Belastbarkeit der Daten zu hinterfragen, zu verstehen wen sie repräsentieren, wie sie entstehen. Aber sind das nicht alles Fragen die sich die Marktforscher seit jeher stellen? Mit dem Unterschied, dass zu ihrer Beantwortung heute eine Reihe von Kenntnissen erforderlich sind, die Datenwissenschaftler mitbringen müssen – was hierfür in der Ausbildung zu berücksichtigen ist, ist Gegenstand des spannenden ersten Buchteils „Grundlagen und Ausblicke“.



Hans-Werner Klein ist Dipl. Pädagoge - arbeitet seit Anfang der 80-er Jahre als data-driven Neugieriger in den Bereichen Marktforschung, Bildungsforschung und Beratung für Konzerne und StartUps. Er lehrt an der DHBW Mosbach und DHBW/CAS Heilbronn Datenanalyse. Außerdem ist er Fachautor und Mitherausgeber u.a. der 4-bändigen Springer Gabler Reihe zur „Zukunft der Marktforschung“.
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