Mobile Crowdsourcing Marktforschung aus der Hosentasche des Konsumenten heraus

Von Steffen Engelhardt, Marketing Manager bei Blauw Research
Mobile Marktforschung liegt im Trend und wird künftig immer wichtiger. Immer mehr Deutsche besitzen ein internetfähiges Mobiltelefon und schon heute sind viele nur noch mobil erreichbar. Diese Entwicklung hält manche Herausforderung für uns Marktforscher bereit, die wir aber auch als Chance begreifen können, um neue Möglichkeiten der Datenerhebung zu erschließen.
Einer dieser Zugänge ist die Nutzung sogenannter Mobile Crowdsourcing Communities. Die Idee des Crowdsourcing besteht darin, kleinere Aufgaben an die „Crowd“ der Konsumenten zu delegieren. Diese Aufgaben können ganz unterschiedlich beschaffen sein: So können Konsumenten zum Beispiel aufgefordert werden, Locations zu fotografieren und ihre Bilder anschließend hochzuladen, etwas zu überprüfen oder auch ganz klassisch Fragen zu beantworten. Der Vorteil einer Mobile Community ist, dass die User ihr Smartphone immer betriebsbereit mit sich führen, man verfügt also über eine sehr flexible Mobile Workforce.
Blauw hat hierzu ein Testprojekt mit der Mobile Crowdsourcing Community Streetspotr durchgeführt, die seit März 2012 über 140.000 User gewinnen konnte. Das Projekt umfasste vier Cases, die gezielt die Vorteile der Erhebungsmethode nutzen und ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten abdecken sollten. Dazu gehörten ein Store Check, eine Befragung direkt am POS im „Moment of Truth“, eine ethnographische Befragung im eigenen Lebensumfeld sowie eine Trendanalyse, mittels derer dem Rätsel des Trendgetränks Hugo auf den Grund gegangen werden sollte.
Unsere Versuche im Einzelnen
Store check – Aufgabe der Streetspotr war es, die Außenansicht und die Werbeaufsteller eines Kabelnetzbetreibers zu fotografieren und den Store anhand verschiedener Kriterien zu bewerten. Der Vorteil der mobilen Befragungs- und Beobachtungsmethode liegt darin, dass die Teilnehmer unmittelbar zu einer festgelegten Adresse geschickt werden, diese dokumentieren und anschließend kurz zu ihren Erkenntnissen befragt werden können. Dieses Experiment steht als Beispiel für unterschiedliche Beobachtungsformen, mit deren Hilfe verschiedenste Geschäfte und Werbematerialien getestet, fotografiert und per Feedback bewertet werden können.
Moment of truth – Aufgabe der Streetspotr war es, beim Einkauf den Joghurt zu fotografieren, für den sie sich an diesem Tag entschieden hatten, sowie das Kühlregal, in dem dieser Joghurt stand. Darüber hinaus wurden die Teilnehmer gefragt, warum sie ausgerechnet diesen Joghurt gewählt hatten. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der Möglichkeit, die Konsumenten unmittelbar am POS und im Moment der Entscheidung zu befragen, um ihre Kaufentscheidungen besser nachvollziehen zu können.
Ethnographische Befragung – Aufgabe der Streetspotr war es, ihr Frühstück und die Umgebung, in der sie normalerweise frühstücken, zu fotografieren und zu beschreiben, um was für eine Art von Frühstück es sich handelt. Der Vorteil dieser Methode ist der unbeeinflusste Einblick in die reale Lebenssituation der Befragten, um beispielsweise mehr über ihre unterschiedlichen Need states zu erfahren.
Trendanalyse – Aufgabe der Streetspotr war in diesem Fall zum einen, davon zu erzählen, wann sie das Getränk Hugo zum ersten Mal getrunken hatten und in welchem Rahmen dies stattfand. Zum anderen sollten sie einen Barkeeper interviewen und diesen Experten danach befragen, worin seiner Meinung nach der Erfolg von Hugo gründet – dieses Interview wurde mit dem Smartphone als Video aufgezeichnet. Der Vorteil dieser Methode ist die Kombination einer normalen Befragung der Teilnehmer mit ihrem Einsatz als Interviewer. Sie erleichtert es, auch vermeintlich schwer zugängliche Zielgruppen zu erreichen und zu interviewen.
Was haben wir aus unseren Versuchen gelernt?
Welche Faktoren bestimmen die Aufwandsentschädigung / Incentivierung? – Allgemein lässt sich feststellen, dass Aufgaben, die sich zu Hause durchführen lassen, für die Beteiligten mit einem geringeren Aufwand verbunden sind als Aufgaben, die unterwegs durchgeführt werden müssen. In gleicher Weise gilt, dass Aufgaben, die in einem Geschäft zu erledigen sind, aufwändiger sind als solche, bei denen keine Ladenräume betreten werden müssen. Das Selbstausfüllen eines Fragebogens stellt einen geringeren Aufwand dar als die Durchführung eines Interviews. Diese Faktoren sind wichtig, um die Incentivierung festzulegen.
Wie sieht die Struktur des Panels aus? – Die aktuell registrierten 140.000 Teilnehmer wohnen überwiegend in verschiedenen bundesdeutschen Großstädten. Die Community besteht zu rund 80% aus Männern und zu rund 20% aus Frauen, wobei sich vor allem jüngere Menschen unter 40 Jahren aktiv registriert haben – eine Zielgruppe, die durch andere Erhebungsmethoden nur schwer zu erreichen ist. Bei eher beobachtenden Aufgabenstellungen, wie den oben beschriebenen, spielen jedoch das Alter und das Geschlecht eine weniger wichtige Rolle. Hier geht es vor allem um die Motivation der Teilnehmer.
Welche Schwierigkeiten birgt die Erhebungsmethode? – Die Analyse großer Bildmengen stellt sicherlich eine zentrale Herausforderung dar, die es zu bewältigen gilt. Da das Bild ein wesentlicher Teil des Befragungs- und Beobachtungsprozesses ist, geht es darum, die Bilder mit den Befragungsdaten zusammenzuführen und sinnvoll zu analysieren.
Welche Möglichkeiten / Chancen sehen wir in dieser Methode?
Es besteht heute schon die Möglichkeit, die mobilen Panelteilnehmer als Beobachter (Store check), als Befragte (Ethnographie und Moment of truth) und als Interviewer (Trendanalyse) einzusetzen. Aus unserer Sicht könnte sich der Einsatz einer Mobile Workforce jedoch bei weitaus mehr Themen und Fragestellungen als vorteilhaft erweisen. So können auch schwierige Zielgruppen über die Panelisten rekrutiert und befragt werden, etwa Kinder und Großeltern der Streetspotr. Dies erlaubt es zudem, den sozialen Kontext der Panelisten zu berücksichtigen.
Wir sehen vielfältige Einsatzfelder, die künftig durch das Mobile Panel abgedeckt werden könnten: ethnographische Forschung, die Generierung von Insights, Ideation, die Durchführung von Konzepttests, das Einholen von Feedback Mystery-Forschung und das testen von mobilen Apps.
Eine neue Welt erschließt sich durch diese Möglichkeit der Datenerhebung – es lohnt sich, diese zu erforschen und am Ball zu bleiben.
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